
"Bright": Netflix-Blockbuster mit Will Smith: Von Cops, Orks und Elfen
Netflix-Film "Bright" mit Will Smith Murks mit Orks
Los Angeles, Stadt der segregierten Wohnviertel, in denen Schwarze, Weiße und Hispanics unter sich bleiben. Stadt der rassistisch motivierten Polizeigewalt und der Unruhen von 1992. Dann noch diese Viertel, die von Orks bevölkert werden, hässlichen Kreaturen mit riesigen Hauern im Gesicht. Oder das herausgeputzte Elvestown, wo die erfolgreichen, eingebildeten Elfen zu Hause sind.
Ja, in der Parallelwelt des neuen Netflix-Films "Bright" ist der Mix der Bewohner von L.A. noch um einiges komplexer als in der Realität. Menschen und Fantasiewesen leben hier zusammen, und es kann schon mal vorkommen, dass eine lästige Fee sich im Vorgarten breitmacht und blaue Flammen spuckt.
Überhaupt herrscht zwischen Menschen und den anderen Spezies ein tiefes Misstrauen. Ausgerechnet Cop Daryl (Will Smith) soll nun als erster Mensch mit einem Ork-Partner auf Streife gehen. Dass Nick (Joel Edgerton) sein Monstergebiss gekürzt hat, macht ihn in Daryls Augen kein bisschen vertrauenswürdiger.
Blockbuster für das Netflix-Zeitalter
Moment - Will Smith in einem Fernsehfilm? Ist der nicht immer noch einer der größten Kinostars? Schon, aber "Bright" ist mit einem Budget von knapp 100 Millionen Dollar auch nicht gerade ein gewöhnlicher Fernsehfilm. Für den Betrag könnte die ARD um die 70 "Tatort"-Episoden drehen.
Nein, "Bright" ist eine neue Art von Hollywood-Blockbuster, der aber eben nicht mehr im Kino läuft, sondern auf der Benutzerplattform eines Streamingdienstes abrufbar ist. Willkommen im Netflix-Zeitalter.
Das Medium Fernsehen hat der neue Player mit seinem unaufhörlichen Ausstoß an Serien bereits umgekrempelt, jetzt knöpft er sich Hollywood vor. Erwartet worden war der Vorstoß schon, seitdem Netflix vor zwei Jahren mit "Beasts of No Nation" seinen ersten Spielfilm produzierte. Es folgten einige andere Filme, "Okja" zum Beispiel, der seine Premiere im Mai im Wettbewerb der Filmfestspiele in Cannes feierte. Und für einen Skandal sorgte, weil Netflix sich standhaft weigerte, den Film auch in die Kinos zu bringen.

"Okja": Der Netflix-Film sorgte bei den Filmfestspielen in Cannes für einen Skandal.
Foto: NetflixMit "Bright" aber bläst Netflix zum Großangriff. Ein Film von dieser Größe war bisher ganz selbstverständlich den großen Studios vorbehalten, und er lief ebenso selbstverständlich auf der Leinwand. Diese Zeiten könnten ab jetzt vorbei sein.
80 neue Filme
Und "Bright" soll kein Einzelfall bleiben. Netflix-Programmdirektor Ted Sarandos hat angekündigt, der Konzern wolle im neuen Jahr 80 neue Filme produzieren und insgesamt zwischen sieben und acht Milliarden Dollar investieren. Das wären noch 20 Filme mehr als 2017 - beinahe zwei pro Woche.
"Die Filme rangieren vom Indie-Hit bis zu Projekten mit einem wesentlich größeren Rahmen" so Sarandos. Konkreter wurde er nicht. Bekannt sind bisher unter anderem das Sci-Fi-Drama "Mute" von "Warcraft"-Regisseur Duncan Jones und der Apokalypse-Thriller "Cargo" mit "Der Hobbit"-Star Martin Freeman. Und natürlich der Film, den Freunde von Gangsterthrillern schon seit Jahren herbeisehnen: "The Irishman" von Martin Scorsese, mit Al Pacino und Robert de Niro in den Hauptrollen.
Ausgerechnet Scorsese. Der Altmeister und Chef-Cinephile, der das Kino als heiligen Gral der Filmkunst verteidigt. Man darf davon ausgehen, dass seine Partnerschaft mit Netflix nicht einem tiefen Einverständnis entspringt, sondern aus der Not geboren ist. "The Irishman" soll um die 150 Millionen Dollar kosten - kein Studio wollte Scorsese dieses Budget garantieren. Netflix schon, und dazu noch völlige kreative Freiheit.
Ein unwiderstehliches Angebot, das auch den "Bright"-Regisseur zu Netflix lockte: "Dies ist ein harter, brutaler 100-Millionen-Dollar-Film, der erst ab 17 Jahren freigegeben ist", sagt David Ayer über die Produktion. "Kein Studio macht noch solche Filme." Der Mann kennt das System, er startete 2001 die "Fast and the Furios"-Reihe und machte sich mit Cop-Thrillern wie "Training Day" und "End of Watch" einen Namen.

"Bright": Netflix-Blockbuster mit Will Smith: Von Cops, Orks und Elfen
Dass nun ausgerechnet "Bright" von Netflix dazu auserkoren ist, das Spiel endgültig zu drehen, könnte auch nach hinten losgehen. Denn der Film ist ein Fiasko. Nichts will hier funktionieren, aller freien Kreativität zum Trotz. Vielleicht las sich die Idee, Polizei- und Fantasyfilm zusammenzubringen und damit auch noch einen Kommentar zu Rassismus abzugeben, auf dem Papier unwiderstehlich. Im fertigen Film zerfällt das in zahnlose Comedy, leeren Bombast und Gewalt wie aus einem Computerspiel.
Eine dunkle Macht, die nicht von dieser Welt stammt, will sich breitmachen in L.A.Und so kommt es, dass das Duo aus schwarzem und Ork-Cop über einen Zauberstab stolpert, der Wünsche erfüllen und Menschen zum Explodieren bringen kann, dass sich magische Bäume über Swimmingpools wölben und Will Smith Dialogzeilen wie diese aufsagen muss: "Nur Leila kann die Macht des dunklen Herrschers erneuern!". Drei Mal setzt der Film zum Finale an, immer muss dabei noch mehr geballert, gerannt und gefrotzelt werden, und am Ende hängt der Zuschauer völlig erschöpft im Fernsehsessel.
Orientierungslosigkeit auf dem kleinen Bildschirm
Zumal er auf dem Bildschirm kaum etwas erkennt, vor allem bei den nicht gerade wenigen Actionszenen. Die Handlung spielt in einer Nacht, und die ständige Dunkelheit sorgt angesichts hochfrequent geschnittener Sequenzen für komplette Orientierungslosigkeit. Schon im Kino sind Montage-Müllhaufen wie diese in vielen Actionfilmen ein Ärgernis, auf der kleineren Mattscheibe lösen sie schlicht Übelkeit aus.
"Bright" ist also ein weiteres Beispiel dafür, dass längst nicht alles im Hause Netflix funktioniert. Eigentlich auch kein Wunder bei diesem massiven Ausstoß an Produktionen. Mit selbst produzierten Filmen allerdings agiert der Konzern bisher besonders unglücklich. Da ist Konkurrent Amazon mit seinen Amazon Studios weiter: Die haben bisher nicht nur die besseren Filme produziert und vor der Auswertung im Internet erst einmal in die Kinos gebracht. Zwei Amazon-Filme, "The Salesman" und "Manchester by the Sea", gewannen 2017 auch Oscars und brachten Prestige.

"Manchester by the Sea": Oscargewinn für die Amazon Studios
Foto: Universal PicturesDas braucht auch Netflix dringend, der Konzern ist schließlich abhängig von seinen zahlenden Abonnenten. Sie sind auch der Grund dafür, warum Sarandos pausenlos neue Produktionen in Auftrag gibt. Netflix braucht dringend immer neue Eigenproduktionen, um seine Kunden glücklich zu machen und auch dauerhaft zu halten.
Ob "Bright" ein Erfolg oder ein Flop wird, erfährt niemand außerhalb des Konzerns, denn Zahlen gibt Netflix ohnehin nicht bekannt. Auch das ist neu im Netflix-Zeitalter: Bei einem Misserfolg wird der Film einfach sang- und klanglos untergehen.
Ab 22. Dezember auf Netflix