
Britische TV-Serie "Die Besatzer" Flucht in den Krieg
Da stehen sie, im Staub von Basra. Vollgepumpt mit Adrenalin, die Maschinengewehre im Anschlag, bereit zu töten. Im Hintergrund Hubschrauberlärm und Gewehrsalven. Plötzlich kommen irakische Kinder auf die Soldaten zugelaufen, sie wollen Süßigkeiten. Statt Terroristen müssen die Soldaten erst einmal die hungrigen Knirpse abwehren.
Nichts ist eindeutig, nichts ist berechenbar in diesem Krieg, das macht die britische TV-Serie "Die Besatzer" ("Occupation") von Anfang an deutlich. Sie lief 2009 als Dreiteiler auf BBC, jetzt zeigt Arte sie am Freitagabend an einem Stück. Die Serie, die mit drei Stunden Spielzeit genügend Zeit für zahlreiche Protagonisten und Plots hat, führt dem Zuschauer den Irakkrieg in all seinen Facetten und Komplexitäten vor Augen.
Gefangen in der Kriegsschleife
Die Serie begleitet die drei britischen Soldaten Mike Swift (James Nesbitt), Danny Ferguson (Stephen Graham) und Lee Hibbs (Warren Brown) zwischen 2003 und 2007. Nach einem gemeinsamen Einsatz kehren sie nach Hause zurück, wo sie sich schwer damit tun, in ihr altes Leben zurückzufinden. Mike hat einem irakischen Mädchen das Leben gerettet und wird als Held gefeiert, doch er ist hilflos wie ein Fremder in seinem eigenen Haus. Hibbs hat außer Kämpfen nichts gelernt und fühlt sich von seiner pazifistischen Schwester in die Enge getrieben. Danny versucht, die Adrenalinkicks, die er bei den Gefechten erlebt hat, durch Drogen zu ersetzen.
"Jeder Soldat will Krieg spielen. Dafür wurdest du ausgebildet", sagt Danny zu Beginn des ersten Teils. Ein Soldat ohne Krieg fühle sich wie ein Ersatzspieler auf der Bank. Die drei Protagonisten reagieren mit einem radikalen Schritt auf ihre Anpassungsschwierigkeiten in der Heimat: Sie kehren freiwillig zurück in den Irak.
Es sei viel interessanter, den einfachen Mann zu zeigen als die Entscheidungsträger, die hinter ihm stehen, erzählte Peter Bowker, Autor der Serie in einem Interview. "Mich interessiert, wie sich die großen politischen Beschlüsse auf die Menschen am Ende der Befehlskette auswirken". Die Figuren sind in die unübersichtliche Situation hineingeworfen, müssen Entscheidungen treffen, deren Konsequenzen sie nicht absehen können und dann damit leben.
Ausgehend von den drei Einzelschicksalen, entwirft "Die Besatzer" ein Panorama des vom Krieg zerrütteten Landes. Mike kehrt in den Irak zurück, weil er die Ärztin Aliyah (Lubna Azabal) nicht vergessen kann, die das Mädchen behandelte, das er gerettet hat. Aliyah verkörpert den Irak, wie er einmal war: ein schönes, kulturell reiches Land, das zuerst von Saddam Hussein, dann von den alliierten Truppen und dann von den Aufständischen zugrunde gerichtet wurde. Im Laufe der Geschichte wird Aliyah zum Gradmesser der zunehmenden Islamisierung, ihre Schleier werden immer dichter, als Frau darf sie bald keine Patienten mehr behandeln. Mike bringt sie mit seinen Besuchen und seiner Fürsorge zunehmend in Gefahr.
Abenteuer und das große Geld
Danny wird nach seiner Entlassung aus dem Militär Partner bei einer privaten Sicherheitsfirma, zusammen mit dem ehemaligen GI Lester (Nonso Anozie), dem die deutsche Übersetzung leider einen lächerlichen amerikanischen Akzent verpasst hat. "Ich will aus der Scheiße, die ich hinterlassen habe, noch was Gutes machen", sagt Danny. Damit meint er vor allem etwas Gutes für sich.
In einer Szene führt ein Angestellter der Übergangsregierung Danny und Lester in eine große Halle. Der ganze Raum ist voller amerikanischer Banknoten, "zwei Milliarden US-Dollar", grinst der Regierungsmann. Das Geld kommt von der Uno und soll für den Wiederaufbau verwendet werden. Auch private Sicherheitsfirmen mit einer Lizenz der Regierung werden aus dem Pool bezahlt.
Diese Firmen gab und gibt es wirklich im Irak, und dass sie nicht immer mit lauteren Mitteln arbeiten, zeigen die realen Affären um das amerikanische Unternehmen Blackwater (heute Xe Services), das in die Kritik geriet, weil sie Sicherheitsregeln ignorierte und Aufträge von der Regierung erschlich.
Während Danny Abenteuer und das große Geld sucht, heuert sein ehemaliger Kamerad Hibbs aus ganz anderen Motiven bei der Sicherheitsfirma an. Er glaubt, wirklich etwas bewegen zu können. An seinem Idealismus wird er zerbrechen.
Denn in den vier Jahren, in der die Serie spielt, wird nichts besser im Irak. Frauen verlieren ihre Rechte, Kollaborateure der Besatzer werden hingerichtet, irakische Polizisten begehen Anschläge gegen die Alliierten. Und Großbritannien schickt weiterhin Soldaten, von denen einige gleich beim ersten Einsatz getötet werden.
Man könnte dieser ambitionierten Serie den Vorwurf machen, etwas zu viele Erzählstränge verfolgen zu wollen. Gewissenhaft müht sich das Drehbuch, auch ja keinen Aspekt auszulassen, als müsse eine Liste abgearbeitet werden. Die Rollen der Soldaten - ein Humanist, ein Draufgänger und ein sensibler Naivling - sind vielleicht etwas zu plakativ entworfen, auch wenn die Schauspieler ihre Figuren nuancenreich ausfüllen. Das Wunderbare an der Serie von Autor Bowker und TV-Regisseur Nick Murphy aber ist, dass sie alle Erzählfäden streng in der Hand behält und alle ihre Geschichten konsequent zu Ende erzählt.
Im Anschluss an "Die Besatzer" zeigt Arte die französische Dokumentation "Amerikas verletzte Seelen". Der Film ergänzt die Serie, indem er die schwierige Zeit der Heimkehr thematisiert, jene Zeit, der die Figuren in "Die Besatzer" durch ihre Rückkehr in den Irak zu entgehen versuchen. Der Film begleitet amerikanische Kriegsveteranen, die unter posttraumatischer Belastungsstörungen leiden. Viele von ihnen erzählen, wie sie nach dem Einsatz im Irak überall auf Unverständnis stießen und von den Militärpsychologen lediglich Durchhalteparolen und Medikamente bekamen. Sie hätten nur jemanden zum Reden gebraucht, sagen sie. Die Kamera gibt ihnen die Möglichkeit, von ihren Erlebnissen zu erzählen.
"Die Besatzer", Freitag 20.15 Uhr, Arte
"Amerikas verletzte Seelen", Freitag 23.10 Uhr, Arte