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Arte-Reportage: Augen auf, Erotik im Visier

Foto: ZDF/ Arte

Charlotte Roche als Arte-Reporterin Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Japaner zur Paarungszeit

Japanische Schokopenisse, indische Großhochzeiten und schottische Schlammbräute: Für "Love Rituals", eine neue Doku-Reihe auf Arte, reist Charlotte Roche in Sachen Liebe und Sex um die Welt.

Zum Glück ist Charlotte Roche keine Sexpertin. Niemand, der mit strengparallelen Abknickbeinen irgendwo sitzt und mit päpstlichem Ernst behauptet, alles zu wissen, was das mitunter einfach sehr merkwürdige Untenrum angeht. Sondern eine, die losgeht, fragt, schaut und, giggel-giggel, auch nachbohrt.

Darum passt es gut, dass Arte die Moderatorin und Autorin jetzt auf Sexpedition geschickt hat, um in Japan, Israel, Kenia, den USA, in Indien und auf den schottischen Orkney-Inseln "Love Rituals" zu erforschen, zeremoniell festgeschriebene Verhaltensweisen, in denen verhandelt und konserviert wird, was die jeweilige Gesellschaft über Liebe und Sex denkt.

Die erste Folge führt Roche nach Japan, und man lernt direkt ein schönes neues Wort: "Gemüsejungs" nennt der Fotograf Kyoichi Tsuzuki, der sie begleitet, die jungen Männer, die sich lieber ein Niedlichkeitsbömbchen in Hologrammform neben das Bett stellen, als eine echte Freundin zu haben. Roche kostet Geisha-Glückskekse, die pornöse Bildchen von Sexstellungen enthalten, die mit ihrem schlichten Strich irgendwie dann doch nach Ikea-Bauanleitung aussehen. Als ein erzählfreudiger Gesprächspartner ihr in einem Park bereitwillig die durchschnittliche Onanierstatistik des japanischen Jungmännerwesens auffächert, kommt leider die Polizei und beendet die Dreharbeiten.

Die bleiben - auch wenn das ewige Lustmolche, die immer noch von Roches "Feuchtgebieten" unken, schwer enttäuschen wird - immer auf der guten Seite der Neugier. Auch, wenn Roche beim Kanamara-Matsuri-Festival in Kawasaki (was übersetzt etwa "Fest des eisernen Schwanzes" bedeutet) mit echtem Enthusiasmus Menschen anspricht, die schokoladenüberzogene Penis-Lollis lutschen, mit teilweise sehr elaborierten Vanillecremedetails: "Da ist ja Ejakulat!"

Keine Erektion - dank Mutti

Statt nur zu zeigen, will Roche aber wirklich wissen: Wie passt dieses Festival, für das ältere Frauen mit kunsthandwerklichem Ernst Phalli aus besonders prächtigen Rettichen schnitzen, in eine Gesellschaft, in der viele Menschen sich überhaupt nur hinter verschlossenen Türen anfassen mögen?

Angenehmerweise wird aber auch diese Sichtweise nicht kuriosiert, "Love Rituals" ist kein Gaffkasten für die vermeintlich exotische Exaltiertheit der anderen. Kyoichi Tsuzuki rückt schon in der ersten Folge den Gedanken ins Bild, dass Schrägheit immer im Blick des Betrachters entsteht (und meistens ebenso viel über ihn sagt wie über den Umstand, den er damit bezeichnet). Er führt Roche durch einen (nun aber auch wirklich ziemlich eigenartigen) Park, in dem medizinische Modelldarstellungen von körperlichen Missbildungen zu erotisch gedachten Skulpturen arrangiert sind.

"Ziemlich schräg", findet Roche das. Und wird dann selbst von Tsuzuki mit demselben Attribut belegt, als sie erzählt, dass deutsche Männer in der Sauna an die eigene Mutter denken, um eine Erektion zu unterdrücken.


"Love Rituals", ab Mittwoch, 21.35 Uhr, Arte. Folge zwei (über Israel) läuft direkt im Anschluss ab 22.25 Uhr. Beide Folgen sind bereits in der Mediathek zu sehen .

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