
Politthriller "Unterm Radar": German Angst
Terror-Thriller "Unterm Radar" Bomben, Drohnen, Muttertränen
Und dann beugt sich der BKA-Beamte vor, drückt seine Zigarette aus und fragt die ahnungslose Mutter: "Wann hat sich ihre Tochter dem Islam zugewandt?"
Es ist der zentrale Satz von "Unterm Radar"; die Achse, um die herum sich Themen wie Rasterfahndung, Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und Folter auffächern werden - und der Augenblick, in dem Elke Seeberg (Christiane Paul) beginnt, an der Unschuld ihrer Tochter zu zweifeln.
In Berlin hat es einen islamistischen Bombenanschlag auf einen Linienbus gegeben. Wir sehen die Explosion aus der verwackelten, aber zeitgemäßen Perspektive zufälliger Aufzeichnungen durch Touristen. Die Bilder kontrastieren auch dramaturgisch mit den gestochen scharfen Überwachungsaufnahmen auf Großbildschirmen, mit denen die Polizei in Echtzeit Elke Seeberg überwacht.
Seeberg ist Richterin und alleinerziehende Mutter. Ihre Tochter Marie (Linn Reusse) hat nicht nur Che Guevara als Poster im Jugendzimmer und einen "Free Tibet"-Aufkleber auf dem Rechner. Sie studiert auch Islamwissenschaften, hat einen arabischen Freund, ist dringend der Beteiligung an dem Anschlag verdächtigt - und seitdem verschwunden.
Bulle alter Schule und trockener Alkoholiker
Die Frage, wie weit ein Rechtsstaat bei der Abwendung des Terrors gehen darf, wird zwischen den beiden Beamten Heinrich Buch (Heino Ferch) und Richard König (Fabian Hinrichs) ausgetragen. Der ehrgeizige König, erst neulich "aus Washington" zurückgekehrt, hat angesichts der Bedrohungslage vom Innenminister die Erlaubnis, "unterm Radar" alle Mittel auszuschöpfen. Für König bedeutet dies eine Hinwendung zur "neuen Logik", mögliche Täter mit technischen Mitteln schon vor der Tat dingfest zu machen.
Buch hingegen ist ein Bulle alter Schule und trockener Alkoholiker, der noch an den unmöglichsten Orten sich unwidersprochen seine Kippen anzünden kann und vor allem seinen Instinkten vertraut. Die sagen ihm, dass Elke Seeberg wirklich nichts über den Verbleib ihrer Tochter weiß, dass die Überwachungsmaßnahmen moralisch verwerflich sind und die ganze Sache auch sonst irgendwie stinkt.
Mithilfe einer loyalen und genregemäß flott gepiercten EDV-Spezialistin strengt Buch eigene Ermittlungen an. Dabei stellt sich bald heraus, dass höhere Mächte ihre Finger im Spiel haben, bei denen es sich selbstredend um Königs amerikanische Freunde handelt.
Mama fährt mit dem Volvo nach Polen
"Unterm Radar" wirkt wie ein solider "Tatort" (für den Regisseur Elmar Fischer bereits mehrere Folgen gedreht hat) mit Elementen des klassischen Politthrillers. Sobald allerdings enthüllt ist, dass die unschuldige Marie in einem polnischen CIA-Gefängnis festgehalten und gefoltert wird, nimmt der Plot nur noch völlig unwahrscheinliche Wendungen, die aber den kürzesten Weg zu einem halbwegs versöhnlichen Ende weisen.
Da taucht als "Deus ex Machina" ein Journalist auf, der nicht nur alle nötigen Informationen und Papiere mitbringt, sondern auch rechtzeitig den Radar der kritischen Öffentlichkeit einschaltet.
Und da genügt es, wenn Mama mit dem Volvo Kombi persönlich nach Polen fährt, um die Tochter trotzig aus den Fängen ihrer Schergen zu quengeln. Das ist im Hinblick auf die Komplexität der angerissenen Probleme und der Leistungen der Schauspieler höchst ärgerlich.
Fabian Hinrich interpretiert den eifrigen Überwachungsfanatiker als Opfer seines Idealismus, Ferch dessen Gegenspieler als gebrochenen Bruce Willis mit dem Herz am rechten Fleck und den Händen in den Hosentaschen. Vor allem aber ist es Christiane Paul, die "Unterm Radar" trägt und deren verzweifelnder Mutter man, wenn's denn sein muss, zuletzt sogar nach Polen folgt.
Explodierende Busse hin, Drohnenflüge her - ihr ungeschminktes Gesicht ist der mit Abstand beste Spezialeffekt in einem Film, der auf das Degeto-Sahnehäubchen am Ende gut hätte verzichten können.
"Unterm Radar", Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD (Danach diskutiert Anne Will zum Thema