Zusammenarbeit von Colin Kaepernick und Disney
Football-Star, Bürgerrechtler, Medienmogul
Colin Kaepernick ist vom Sportler zur Symbolfigur des Widerstands gegen Rassismus in den USA geworden. Disney und Netflix wollen sein Anliegen unterstützen - auch aus Eigennutz.
Colin Kaepernick: Sport und Unterhaltung kommen nicht mehr an gesellschaftlichen Debatten vorbei.
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Normalerweise unterschreiben Footballspieler in den USA Verträge mit Mannschaften wie den Los Angeles Rams oder den Dallas Cowboys. Die Vertragspartner des ehemaligen Quarterbacks Colin Kaepernick heißen Netflix und Disney. In Rekordzeit wandelte sich der 32-Jährige vom Sportstar zum Idol einer neuen Bürgerrechtsbewegung in den USA - und nun zum politisch motivierten Medienmacher.
Kaepernick hatte ab 2016 auf sich aufmerksam gemacht, als er bei der Nationalhymne zunächst sitzen blieb und später kniete. Sein Statement dazu: "Ich werde nicht aufstehen und Stolz für eine Fahne demonstrieren, die für ein Land steht, das Schwarze und andere Persons of Color unterdrückt."
Colin Kaepernick inspirierte mit seiner kritischen Geste andere Mitspieler, gegen systemischen Rassismus zu protestieren
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Er inspirierte andere Spieler dazu, es ihm gleichzutun und vor den Spielen der amerikanischen Profliga NFL mit einem Kniefall gegen Polizeigewalt und rassistisch motivierte Ungleichheit zu protestieren. Sichtlich provoziert davon fühlte sich US-Präsident Donald Trump, der forderte, die Profis zu feuern.
Tatsächlich gelingt es Kaepernick seit 2017 nicht, eine neuen Verein zu finden. Es bestehen kaum Zweifel daran, dass dahinter System steckt. Gleichzeitig ist der Sportler während der landesweiten Proteste nach dem Tod von George Floyd endgültig zum Vorbild für niederkniende Demonstranten geworden. Und er scheint gewillt, seine Botschaft weiter in die Gesellschaft hineinzutragen.
Dabei trifft Kapernick mit seiner eigens gegründeten Produktionsfirma Ra Vision Media auf US-amerikanische Medienkonzerne, die sich zum Teil explizit an die Seite der Demonstrierenden stellen und keine Gelegenheit verstreichen lassen, sich als divers, aufgeschlossen und modern zu präsentieren.
Vom Sportler zur Symbolfigur: Während der Proteste nach dem Tod von George Floyd wurde Kapernick endgültig zum Idol
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Ende Juni wurde bekannt, dass Netflix eine sechsteilige Doku-Serie über die Kindheit und Jugend des Football-Stars plant, der bei weißen Adoptiveltern aufwuchs. Kaepernick selbst soll als Sprecher fungieren, die schwarze Regisseurin Ava DuVernay ("When They See Us") produziert.
Einen noch größeren Deal macht aktuell Disney publik. Der Konzern, längst ein Medienkonglomerat mit vielen verschiedenen Plattformen, will mit Kaepernick unterschiedliche Formate für seine diversen Sender und Streamingplattformen entwickeln.
Sie sollen um das Streben nach Gleichheit und Fairness kreisen und die Arbeiten schwarzer Kreativer ins Scheinwerferlicht rücken. Als konkretes Projekt gab Disney eine weitere Doku-Serie in Auftrag, die die Ereignisse rund um Kaepernicks Kniefälle nachzeichnen. Sie soll in den USA auf dem Sportkanal ESPN laufen.
Ein Ende des biederen Weltbildes?
Dass Netflix sich Kaepernicks Geschichte aneignet, verwundert wenig. Der Streaming-Gigant ist mit seinen diversen Polit-Dokus und dem Deal mit den Obamas längst als Sprachrohr eines liberalen Bürgertums etabliert. Disneys Deal dagegen kann auf den ersten Blick durchaus überraschen, es ist schließlich noch nicht sehr lange her, dass der Konzern jede Verwicklung in aktuelle politische Debatten scheute.
Eine heile, biedere und größtenteils weiße Welt, in der Risse mit viel Kitsch zugekleistert werden, daneben Kreuzfahrtschiffe, Themenparks und Sport - das war bisher das dezidiert unpolitische Geschäftsmodell des Konzerns. Aber die rasanten gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre konnte auch Disney nicht ignorieren. Zu groß ist die Angst, den Anschluss zu verlieren. Sie dürfte auch der Antrieb für den Vertrag mit Kaepernick sein.
Auf seiner Streamingplattform Disney+ ist die Vergangenheit in leuchtendem Technicolor zu besichtigen, in heute wegen rassistischen Szenen umstrittenen Zeichentrick-Klassikern wie "Dumbo" und "Susi und Strolch", gekennzeichnet mit einer Warnung. Daneben stehen Serien der Gegenwart wie "Tagebuch einer zukünftigen Präsidentin", die sich um eine Zwölfjährige mit kubanischen Wurzeln dreht.
Es gibt kein Zurück mehr
Gleichwohl tut sich Disney immer noch schwer damit, wenn es darum geht, diverse Lebenswelten zu zeigen. Die Serie "Love, Victor" um einen schwulen Schüler wurde jedenfalls zum zu Disney gehörenden Streamingportal Hulu verschoben, ein Remake von "Lizzy McGuire" auf Eis gelegt, weil die Macher ein erwachseneres Bild der Hauptfigur zeichnen wollten.
Der Kaepernick-Deal zeigt jedoch, dass es für Disney keinen Weg mehr zurück in eine cleane, überharmonische Welt. Auch Unterhaltungsformate kommen nicht mehr an den unübersichtlichen, zum Teil spaltenden, aber notwendigen gesellschaftlichen Debatten vorbei - der Konsens darüber scheint mit Disney im Mainstream angekommen.