
Serie "House of Cards": Schweine in Washington
Neue Serie "House of Cards" Die dunkle Seite der Macht
In der ersten Szene von "House of Cards" stürzt Francis Underwood spätabends aus seiner Stadtvilla und findet den angefahrenen Hund seiner Nachbarn auf dem Gehweg. "Es gibt zwei Arten von Schmerz", sagt der Politiker in die Kamera, während er sich über den schwerverletzen Vierbeiner beugt. "Den Schmerz, der einen stärker macht, und den, der sinnlos ist." Und für sinnlose Sachen fehle ihm die Geduld. Dann bringt er das jaulende Tier kaltblütig um, tröstet staatsmännisch Herrchen und Frauchen und geht zurück ins Haus
Underwood (Kevin Spacey) ist ein Puppenspieler im Politikbetrieb der US-Hauptstadt Washington. Der Kongressabgeordnete kontrolliert seine Parteikollegen, kennt ihre dunklen Geheimnisse und nutzt diese skrupellos für sich. Doch skrupellos sind auch andere - etwa der frisch gewählte US-Präsident, der unter anderem dank Underwoods Strippenzieherei ins Amt kam.
Doch statt sich - wie versprochen - artig beim Abgeordneten mit dem Posten des Außenministers zu bedanken, schickt er Underwood zurück auf die harte Kongressbank. Der plant daraufhin einen Rachefeldzug - zusammen mit seiner Frau Claire (Robin Wright), die ihrem machtgeilen Gatten in Sachen Herzlosigkeit und Ehrgeiz in nichts nachsteht.
Für seine Zwecke instrumentalisiert Underwood die junge Reporterin Zoe Barnes (Kate Mara), die zwar ehrgeizig ist, aber in ihrer Zeitung schon mal von Kollegen abfällig als "Twitter Twat" tituliert wird. Barnes wird gezielt mit vertraulichen Informationen und indiskreten Details gefüttert und wirbelt - zur Freude und zum Nutzen der Underwoods - die Washingtoner Politikszene auf.
David Finchers Serienpremiere
"House of Cards" basiert auf der gleichnamigen BBC-Miniserie aus dem Jahr 1990. Die US-Version wurde von David Fincher ("Sieben", "Fight Club") produziert, der auch beim Pilotfilm Regie führte. Der mehrfach für den Oscar nominierte Fincher versucht sich damit erstmals in seiner Karriere an einer Serie - und liefert eine grandiose Arbeit ab, die auch gleichzeitig ein Ausblick in die Zukunft des Formats ist. Denn "House of Cards" könnte einen Wendepunkt für die gesamte Branche markieren, weil das Polit-Drama in den USA nicht im klassischen Fernsehen zu sehen sein wird, sondern zunächst nur im Internet. Mehr noch: Der Streaming-Dienst Netflix produzierte das Opus allein - und stellt die gesamte erste Staffel für seine Kundschaft auf einmal ins Netz.
Für das Internetunternehmen soll "House of Cards" nur der Auftakt einer Reihe von selbstproduzierten Serien sein, die im Laufe des Jahres online gehen. Ein kostspieliger Versuch, mit etablierten Kabelsendern wie HBO und AMC in Konkurrenz zu treten. Allein für "House of Cards" soll Netflix laut Medienberichten knapp 100 Millionen US-Dollar für zwei Staffeln bezahlen.
Das Geld scheint gut angelegt - auch weil Hollywood-Regisseur Fincher den Autor Beau Willimon als Showrunner ins Boot holte. Willimon kennt sich bestens aus im harten Politikgeschäft. Er arbeitete unter anderem für die Senatskampagne Hillary Clintons und für die US-Präsidentschaftskampagne von Howard Dean. Seine damaligen Erfahrungen verarbeitete Willimon in dem Theaterstück "Farragut North" und in dem darauf basierenden Film "The Ides of March" mit George Clooney in der Hauptrolle.
Heiligt der Zweck die Mittel?
"Während sich die Politik in den Nachrichten meist nur so darstellt, wie sie sich selbst sieht, kann die Fiktion einen Blick hinter den Vorhang werfen", sagt Willimon im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Für ihn zeigt "House of Cards" auf, was es bedeutet, ein echter Anführer zu sein. "Heiligt der Zweck alle Mittel? Das ist die Frage, die wir in der Serie stellen."
In "House of Cards" sind Politiker ruchlose Wesen, die über Leichen gehen. "Wir erwarten von ihnen, dass sie Heilige sind", sagt Willimon. "Aber wir verlangen auch, dass sie effektiv das Land führen." Um Letzteres zu tun, müssten sie nun mal harte Entscheidungen treffen, die dem Volk häufig unmoralisch erscheinen. Was eine Sicht auf die Dinge ist. Eine andere wäre: Die Eheleute Underwood sind schlicht Psychopathen. Eine Ambivalenz, die Willimon besonders reizvoll findet: "Das Schöne an der Figur Francis Underwood ist, dass er so unglaublich ehrlich und kompromisslos in seinem Streben nach Macht ist."
Michael Dobbs, Autor des britischen Originals, schlägt in die gleiche Kerbe. Der britische Konservative diente in hohen Posten den Premiers Margareth Thatcher und John Major und sitzt noch immer im Oberhaus des Parlaments. "In der Politik geht es darum, Dinge in Bewegung zu setzen", sagt Dobbs. "Das geht nur mit reichlich Macht - und dafür muss man manchmal Sachen machen, auf die man hinterher nicht stolz ist." Aber es seien ja nicht alle so. "Ich bin schließlich auch Politiker", sagt er und lacht. "Und selbstverständlich bin ich ein Engel."
Mit dem Remake der BBC-Serie ist Dobbs übrigens höchst zufrieden. Kevin Spacey sei ein würdiger Nachfolger des vor fünf Jahren verstorbenen Ian Richardson, der im Original den verschlagenen Politiker gab. Der Engländer spielte die Rolle stets mit einem Augenzwinkern, bei Spacey hat Humor jedoch keinen Platz. "Vielleicht liegt es daran, dass Spacey vor 'House of Cards' zu lange als Richard III. auf der Theaterbühne stand", sagt Dobbs. Der sei schließlich die böseste Figur, die sich William Shakespeare je ausgedacht hat. "Das hat wohl ein wenig auf Francis Underwood abgefärbt."
"House of Cards" ist in Deutschland ab dem 4. Februar auf Sky Atlantic HD zu sehen.
Korrekturhinweis: David Fincher ist zwei Mal für einen Regie-Oscar nominiert gewesen, hat ihn jedoch bisher nie gewonnen - wie fälschlicherweise in einer ersten Version des Artikels zu lesen war. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.