
ZDF-Zweiteiler zum Rohwedder-Attentat: Ein Mord und viele Täter
RAF-Krimi "Der Mordanschlag" im ZDF Sprengstoff, Gewehre, Legenden
Dieser Artikel erschien in seiner ursprünglichen Version bereits im September, als der "Mordanschlag" zum ersten Mal Journalisten gezeigt wurde.
Die Geschichte der Roten Armee Fraktion (RAF) regt seit je an zur Fantasie. Von 1972 bis 1993 beging die linke Terrortruppe schwere Anschläge in Deutschland. Und noch heute, 20 Jahre nach der Selbstauflösung, geben viele Taten Rätsel auf, wuchern Legenden, schweigen frühere Führungsleute.
Eine Ausgangslage, die Filmemacher beflügelt - und regelmäßig zu Kontroversen führt, wenn Fiktion und Fakten changieren. Im vorigen Jahr löste eine "Tatort"-Folge von Dominik Graf eine Debatte aus. Es ging um die Todesnacht von Stammheim. In dem Gefängnis starben 1977 mehrere RAF-Gefangene der ersten Stunde - Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe. Die Episode zeigt als eine von mehreren Versionen der Todesnacht ein staatliches Killerkommando, das die Terroristen tötet.
"RAF-Propaganda", schimpfte Stefan Aust, Chronist seit Jahrzehnten. Just die Mordversion verbreiteten die verbliebenen Terroristen damals, um den Staat zu ächten und neue Unterstützer zu werben. Dabei wusste man: Es war Selbstmord. Der "Tatort", keilte Aust gen ARD, sei "gefährlicher Unsinn".
Mit Sprengstoff, Panzerfaust und MG
In diesem Herbst versucht sich das ZDF an einem neuen Mix aus Fakten und Fiktion. Der große Zweiteiler "Der Mordanschlag" basiert auf dem Roman "Die letzte Terroristin" von André Georgi, einem renommierten Krimi-Drehbuchautor. Dessen Story spielt kurz nach der Wende, in einer Zeit, da die RAF in dritter Generation den Staat bekämpft - mit Sprengstoff, Panzerfaust und Maschinenpistole. Seit Mitte der Achtzigerjahre erschüttert eine Serie mörderischer Attentate das Land, stets trifft es angebliche Träger des Systems.
Die Namen der insgesamt elf Todesopfer sind heute kaum mehr präsent. Am prominentesten sind wohl Alfred Herrhausen (1989), Chef der Deutschen Bank, und Detlev Karsten Rohwedder (1991), Chef der Treuhandanstalt.
Im "Mordanschlag" verdichtet Georgi den Fall Rohwedder zu einem Plot aus Räuberpistolen. Es geht um die RAF, um die Stasi und um Machenschaften von West-Unternehmern, die in der Ex-DDR unlautere Geschäfte machen wollen. Am Rande setzt Georgi den Herrhausen-Mord fiktional um und die tödlichen Schüsse von Bad Kleinen, wo 1993 der RAF-Terrorist Wolfgang Grams starb.
Im Film heuert Sandra Wellmann (Petra Schmidt-Schaller), Mutter und RAF-Sympathisantin, als Assistentin beim Berliner Treuhand-Chef Hans-Georg Dahlmann (Ulrich Tukur) an. Auf Geheiß der Terroristen soll sie ausloten, wann sich der verhasste Kapitalist am besten töten lässt.

Ulrich Tukur als Treuhand-Chef Hans-Georg Dahlmann
Foto: ZDF/ Gordon MuehleZweifelnde Assistentin
Doch je länger die Assistentin ihren Chef begleitet, desto mehr Zweifel hegt sie an dem Sinn ihres Auftrags. Dahlmann soll die volkseigenen Betriebe im Osten in die neue Wirtschaft überführen. Sanieren, Schließen, Verkaufen, das sind oft die Optionen, die er und seine Leute prüfen.
Wellmann erlebt einen Vorgesetzten, der Betrügereien bekämpft und sich für Arbeiter einsetzt, die um ihre Jobs fürchten - das läuft dem klassischen linken Feindbild zuwider.
Der Treuhand-Chef lädt seine Assistentin eines Tages zu sich nach Bad Godesberg ein, sie solle seine Familie kennenlernen. Die Terroristen beschließen, ihn bei dieser Gelegenheit zu töten - per Distanzschuss aus einer Laubenkolonie, die gegenüber der Villa des Managers liegt.
Doch RAF-Scharfschütze Klaus Gelfert (Christoph Bach) muss kurzfristig verschwinden - die Polizei fahndet nach ihm wegen des tödlichen Sprengstoffanschlags auf den Chef der Vereinsbank. Die Terroristin Bettina Pohlheim (Jenny Schily), die Wellmann schon seit Längerem in die Illegalität ziehen will, drückt ihrer Elevin eine Pistole in die Hand. Die Assistentin soll ihren Chef im Haus erschießen.
Dann wird Dahlmann überraschend doch von einem Scharfschützen ermordet, als er im ersten Stock seiner Villa ans Telefon geht. War das die RAF? Der Zuschauer darf fast den gesamten zweiten Teil lang miträtseln - eine klare Antwort gibt es nicht. Auch ein früherer Stasi-Offizier und geschäftliche Gegner kommen als Hintermänner in Betracht. Die RAF-Option bleibt dabei die am wenigsten wahrscheinliche.
Wer mit dem Finger in der Fachliteratur den Film verfolgt, etwa im Standardwerk "Tödlicher Irrtum" von Butz Peters, wird viele Zitate aus der Wirklichkeit entdecken. Der tödliche Schuss trifft Dahlmann aus 63 Metern Entfernung, so war es auch bei Rohwedder.
Kriminalisten rätseln
"Wer ist die RAF heute?", fragt irgendwann ein konsternierter Innenminister. "Wir wissen es nicht", sagt ein BKA-Mann. Noch immer fehlt Historikern der Überblick darüber, wer zur dritten Generation zählte. Nur wenige Namen sind bekannt. Und auch die RAF-Stasi-Liaison, die im Film anklingt, hat einen wahren Kern: In den Achtzigerjahren trainierten die Geheimdienstler aus dem Osten die Terroristen aus dem Westen.
Je länger der Film läuft - insgesamt sind es 180 spannende Minuten - , desto mehr bewegt sich die Story im Reich der Fantasie. Zwar ist bis heute unklar, wer Rohwedder erschoss. An der Täterschaft der RAF aber besteht kein ernsthafter Zweifel. Die Terroristen hinterließen ein typisches Bekennerschreiben, Indizien für eine Fälschung gibt es nicht. Dank neuer Analysemethoden konnten BKA-Experten 2001 ein Haar vom Tatort dem RAF-Mann Wolfgang Grams zuordnen - zu dem Zeitpunkt war er allerdings schon acht Jahre tot.

ZDF-Zweiteiler zum Rohwedder-Attentat: Ein Mord und viele Täter
Um den historischen Fall Rohwedder zu schildern, produziert das ZDF eine Doku, die im November direkt nach Filmende laufen soll. Dort wird es um die Erkenntnisse der Kriminalisten gehen. Im Jahr 2007 betonte die Ex-Terroristin Eva Haule in einem Leserbrief, sie wolle "noch einmal klipp und klar" machen: "Die RAF war verantwortlich u.a. für die Aktionen gegen Alfred Herrhausen, Gerold von Braunmühl und Detlev Rohwedder."
Anlass war die damals wiederkehrende These, westliche Geheimdienste hätten Herrhausen ermordet. Auch dieser Plot ist längst verfilmt - im preisgekrönten Politthriller "Das Phantom" aus dem Jahr 2000. Basis war das in Sachbuchattitüde gehaltene Werk des Autors Gerhard Wisnewski.
Der Mann hat sich inzwischen als Verschwörungstheoretiker einen Namen gemacht.
"Der Mordanschlag", Montag, 5.11. und Mittwoch 7.11., jeweils 20.15 Uhr, ZDF