
"Die Aldi-Brüder": Härte als Maßstab
Aldi-Brüder in ARD-Dokudrama Beflissen, sparsam, hart
Es ist eher distanzlos, wie das ZDF im Fernsehen von Deutschland in wirtschaftlichen Dynastien erzählt - von der "Persil-Story" über die "Oetker-Story" und die "Haribo-Story" bis zur jüngst ausgestrahlten "Aldi-Story". Man muss kein Marxist sein, um in diesen aufwändig um Spielszenen ergänzten Dokumentationen teils freche Fortsetzungen des Werbefernsehens zu erkennen; Unternehmer werden als deutsche Helden inszeniert.
Wie es mit weniger Mitteln besser geht, tiefer und ehrlicher, das zeigt die ARD mit "Die Aldi-Brüder" von Raymond Ley. Der Filmemacher hat das Dokudrama in Deutschland vorangetrieben wie kein anderer, gerade erst lief "Gier frisst Herz" über die Auswirkungen der Lehman-Pleite auf deutsche Kleinsparer im Ersten.
In Leys neuem Werk geht es weniger um die "Erfolgsstory" eines berühmten "deutschen Clans" in chronologischer Beflissenheit. Sondern um eine Charakterstudie der beiden bis zuletzt rätselhaften Brüder Karl und Theo Albrecht. Dreh- und Angelpunkt ist die Entführung, der Theodor 1971 zum Opfer fällt. Ein dramatisches Kammerspiel, das in kurzen Rückblenden wie nebenbei die Historie des Unternehmens von den Anfängen bis zur Spaltung in Aldi Nord und Aldi Süd aufrollt.
Die beiden Entführer erscheinen als Ganoven ohne Plan, mit Schiebermütze und Roth-Händle. "Was machen wir denn mit ihm", fragt Heinz-Joachim Ollenburg (Peter Kurth), der eigentlich Anwalt ist. "Werden wir sehen", versetzt sein schwerkrimineller Kompagnon Paul Kron (Ronald Kukulies).
Es zahlt sich aus, dass hier mit Arnd Klawitter (Theo Albrecht) und Christoph Bach (Karl Albrecht ) keine Laierndarsteller in teurer Kulisse herumstehen, sondern Meister ihres Fachs. Das gilt auch für die Gattinen Mia (Hannah Schröder) und Cilly (Adina Vetter), die mühelos und mit wenigen Andeutungen die Unterschiede und Spannungen ihrer Männer spiegeln. Der Einsatz besinnlicher Musik bleibt sparsamer als der Umgang mit historischem Filmmaterial. Stattdessen kommt, fein collagiert, das zeitgenössische Radio zum Einsatz.
"Sparsamkeit" als Motto und Marke
Zur dokumentarischen Beglaubigung des Erzählten sind hin und wieder Zeitzeugen geladen und an den richtigen Stellen eingesetzt. Es kommen, und das ist wichtig, auch ehemalige Filialleiter und Geschäftsführer zur Sprache. Allein im Schrank erinnert sich Theo an die Anfänge des Geschäfts, die noch im Krieg erworbene Tugend der "Sparsamkeit", die bis heute Motto und Markenzeichen von Aldi ist. Es darf auch eine alte Dame, die von 1949 bis 1955 bei "Albrecht" hinter der Theke stand, ihre Sicht der Dinge auf den Punkt bringen: "Großzüjig war'n die nich!"

"Die Aldi-Brüder": Härte als Maßstab
Näher als hier ist man den Albrechts selten gekommen, ihrer brüderlichen Konkurrenz, ihrer geschäftlichen Trennung wegen geschäftlicher Differenzen, ihren erlernten Tugenden (Wachstumswünsche hier, Bescheidenheit dort), ihrem freudlosen Katholizismus und ihrer Verwurzelung im Ruhrpott mit seiner Arbeiterschicht.
Neben dem Psychogramm der Brüder, die als Kinder schon eintreiben gingen, was Kunden im Laden ihrer Mutter hatten anschreiben lassen, entfaltet sich über die Entführungsszenen auch das Sittenbild einer untergegangenen Bundesrepublik. Polizisten sind unbeholfen und "Funkgeräte" der Gipfel ermittlungstechnischer Mittel. Umgekehrt bleibt auch die Gewalt jahrzehnteweit unter "Tatort"-Niveau.
Auch die soziale Frage wird gestellt
Vor allem Ollenburg versucht im Gespräch mit seinem Opfer ("Wo waren Sie denn im Krieg?") immer wieder, "anständig" zu bleiben. Er würde dem verängstigten Theodor gerne auf Augenhöhe begegnen, auch wenn dessen Augen meistens verklebt sich, bestellt ihm "anspruchsvolle" Zeitungen und fragt: "Auf wessen Kosten sind Sie eigentlich so reich geworden?"
Deutlich wird das auch im Gespräch mit dem Gemüsehändler, der "zu billig verkauft". Karl Albrecht kontert, er werde bald die doppelte Menge aufkaufen. "Die doppelte Menge? Da muss ich mal schauen, ob ich einen Bauern finde, der so günstig anbaut." -"Den finden sie schon. Sind wir im Geschäft?" Die soziale Frage, hier wird sie mal gestellt. Und aus Sicht der Arbeitnehmer beantwortet.
Die Härte als Maßstab an andere bringen sich die Brüder auch selbst entgegen. Nach der Nachricht von der Entführung ist die erste Sorge des doch eigentlich besorgten Karl: "Niemand darf was merken. Die Geschäfte müssen unbedingt normal weiterlaufen!" Und Theodor, ganz der akribische Rechner, erklärt seinen Kidnappern: "Ich kalkuliere den Wert meines Lebens auf 500.000 D-Mark."
Der Wert - auch Unterhaltungswert! - einer Low-Budget-Produktion, die Substanzielles zu erzählen hat, ist jedenfalls nicht zu gering anzusetzen.
"Die Aldi-Brüder", Montag, 20.15 Uhr, ARD