

Hamburg - Die Verhandlungen über einen Deal im Strafverfahren gegen die frühere NDR-Fernsehspielchefin Doris J. Heinze sind vorerst gescheitert. "Das Gespräch hat zu keiner Verständigung geführt", sagte der Vorsitzende Richter Volker Bruns am Donnerstag. Der Prozess vor dem Hamburger Landgericht war kurz nach der Verlesung der Anklage unerwartet unterbrochen worden. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten sich zu einem Gespräch zurückgezogen.
Heinze soll laut Anklage beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) unter den Pseudonymen "Marie Funder" und "Niklas Becker" eigene Drehbücher von sich und ihrem Mann untergebracht haben. Außerdem soll Heinze ein fast identisches Drehbuch - "Dienstage mit Antoine" und "Dienstage mit Marie" - doppelt verkauft haben. Die 63-Jährige muss sich nun wegen schwerer Bestechlichkeit, schwerer Untreue und Betrugs vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts verantworten. Ehemann Claus Strobel und die Münchner Produzentin Heike Richter-Karst sind ebenfalls angeklagt. Den dreien werden insgesamt 14 Straftaten zwischen 2003 und 2007 zur Last gelegt. 2009 war die Affäre aufgeflogen.
Bereits im vergangenen Jahr hatte es einen solchen - erfolglosen - Versuch einer Einigung zwischen Anwälten, Staatsanwaltschaft und Gericht gegeben. Bei einem Deal zur Abkürzung eines Strafprozesses verständigen sich die Beteiligten in der Regel darauf, dass der Angeklagte gesteht und dafür eine mildere Strafe erhält.
Der Heinze-Verteidiger Gerd Benoit gab der Staatsanwaltschaft die Schuld für das Scheitern. Die Behörde habe die eigentlich getroffene Vereinbarung völlig überraschend nicht mehr gewollt - ohne dies vorher anzukündigen, sagte der Anwalt. Die Verteidigung müsse sich eine "völlig neue Strategie überlegen". Welchen Inhalt die angebliche Vereinbarung hatte, sagte Benoit nicht.
Nach dem Scheitern des Deals wandte sich einer der beiden Verteidiger mit einem Antrag gegen die Besetzung des Gerichts. Die Kammer sei mit zwei Berufsrichtern unterbesetzt, erklärte der Anwalt. Aus seiner Sicht müsse mit drei Berufsrichtern verhandelt werden. Der Antrag des Verteidigers umfasst nach seinen Angaben 133 Seiten, mit deren Verlesung er sogleich begann.
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Wegen NDR-Drehbuchaffäre vor Gericht: Die einst so erfolgreiche NDR-Fernsehspielchefin Doris J. Heinze (Archivfoto vom 30.12.2007)muss sich vor der Wirtschaftsstrafkammer des Hamburger Landgerichts wegen schwerer Bestechlichkeit, schwerer Untreue und Betrugs verantworten. Laut Anklage schleuste Heinze unter Pseudonym eigene Drehbücher bei ihrem Sender ein - und schusterte ihrem Ehemann verdeckt Aufträge zu.
Landgericht Hamburg: Am Donnerstag hat der Prozess gegen die ehemalige Fernsehspielchefin des NDR begonnen. Kurz nach Verlesung der Anklage wurde die Verhandlung unterbrochen. Die Beteiligten zogen sich zu Verhandlungen über einen Deal zurück.
Die Schauspieler Katrin Sass und Edgar Selge in "Die Freundin der Tochter": Das Drehbuch für das TV-Melodram schrieb Heinze unter ihrem Pseudonym Marie Funder. Sie reichte es beim NDR an, kassierte das Autorenhonorar und realisierte als verantwortliche Redakteurin den Film auch gleich. Die ARD strahlte den Film am 23. September 2009 trotzdem aus - mit geändertem Abspann. Heinze tauchte mit ihrem Klarnamen als Drehbuchautorin auf.
"Tatort"-Folge "Auf der Sonnenseite": Heinze war für die vom NDR produzierten Folgen der erfolgreichen Krimiserien "Tatort" und "Polizeiruf" verantwortlich. Auch der Hamburger "Tatort" um den verdeckten Ermittler Cenk Batu (Mehmet Kurtulus, r.) gehörte zu ihrem Einflussbereich.
"Polizeiruf": Für die Folge "Die armen Kinder von Schwerin" soll Heinze das Treatment selbst geschrieben haben. Der "Polizeiruf" wurde 2009 erstmals ausgestrahlt, der WDR wiederholt ihn am 9. August.
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