
Beliebter Drehort: Südafrikas wechselndes Gesicht
Drehort Südafrika Alles außer Eskimos
Die Menschen haben Kübel mitgebracht, laufen immer wieder ans Meer und zurück. Eimer für Eimer kippen sie Wasser über die massigen Meeressäuger, die am Strand in einer Reihe liegen. Ein Hubschrauber kreist über der Szene, das Fernsehen überträgt live. Es hilft nur alles nichts. Bei Ebbe können die Tiere nicht zurück ins Meer gebracht werden. Ein Wal nach dem nächsten verendet.
Es sind dramatische Szenen, die sich da am Strand abspielen: Im ZDF-Zweiteiler "Das Geheimnis der Wale" kämpft Veronica Ferres als Spontan-Ökoaktivistin gegen einen großen Gaskonzern, der durch seine Bohrungen vor Neuseeland die gesamte Unterwasserwelt durcheinander bringt und den Orientierungssinn der Wale außer Gefecht setzt.
Die Tiere sind natürlich nicht echt, sondern perfekte Attrappen - und Neuseeland liegt in diesem Fall auch gar nicht neben Australien. Sondern in Südafrika. Dort wurde "Das Geheimnis der Wale" vor anderthalb Jahren gedreht. In den fertigen Film, der im Januar im ZDF lief, wurden nachträglich Luftaufnahmen aus Neuseeland montiert.
Die ZDF-Produktion ist keine Ausnahme: Nicht nur für den Fußball ist der Staat an der südlichsten Spitze Afrikas in diesem Jahr von enormer Bedeutung. Schon lange vor der WM hat die Filmbranche das Land entdeckt - als kleines Paradies für Dreharbeiten. Etliche Romanzen, in denen Christine Neubauer oder Hannelore Hoger ihr Glück in Afrika finden, wurden dort gedreht. Aber Südafrika steckt auch in Filmen, die ganz andere Orte im Titel tragen: Der Sat.1-Zweiteiler "Eine Liebe in Saigon" mit Desiree Nosbusch ist am Kap entstanden, ebenso wie die Filme "Kongo" (ZDF) und "Der Untergang der Laconia" (ARD), die dieses Jahr im Fernsehen laufen. So wie die Schauspieler im Film schlüpft ein ganzes Land in eine andere Rolle: Vietnam, Neuseeland, Chile, West- oder Zentralafrika - je nachdem, was die Macher bei Giselher Venzke anfragen.
Der größte Vorteil: die vielen Klimazonen
Der 55-Jährige lernte das Filmhandwerk in der DDR, startete seine Karriere als Aufnahmeleiter beim volkseigenen Filmstudio Defa und besuchte die ostdeutsche Filmhochschule. Kurz vor dem Mauerfall machte er per Ausreiseantrag rüber, produzierte weiter Filme und arbeitete als Organisator im Ost-Berliner Büro der ARD. 1995 zog es ihn für einen Film erstmals nach Südafrika - damals sprach er kein Wort Englisch. Das mit üppigem Sonnenschein gesegnete Land zog ihn dennoch in seinen Bann.
Zwei Jahre später, 1997, gründete Venzke bereits in Kapstadt seine Firma Two Oceans Productions, die sich darum kümmert, in der Region die unterschiedlichsten Winkel dieser Erde zu imitieren. Das geht, weil Südafrika so viele unterschiedliche Klimazonen hat. Wüste? Kein Problem. Tropen? Geht auch! "Außer Eskimos und Schneetreiben bieten wir fast alles", sagt Venzke. Und meint nicht nur besonders exotische Schauplätze: Auch Hamburg oder die Türkei kriegt sein Team hin.
"Es gibt viele Gründe, warum nicht in den Ländern gedreht wird, in denen die Filme spielen - meist wirtschaftliche, logistische oder politische", erklärt der Film-Profi, der für manche Aufträge bis zu 100 Mitarbeiter beschäftigt, oft im Auftrag der deutschen Produktionsfirma Teamworx, die "Das Geheimnis der Wale" fürs ZDF gedreht hat.
Dreharbeiten in Neuseeland wären schlicht zu teuer gewesen - aus europäischer Perspektive, denn bei US-Produktionen und wuchtigen Hollywood-Filmen ist Neuseeland mit seiner ebenfalls vielfältigen Kulisse und gutem Wetter oft die erste Wahl, Stichwort "Herr der Ringe". Für deutsche Darsteller hingegen ist Südafrika allein deshalb praktischer, weil der Staat in ihrer Zeitzone liegt. Teamworx-Produzent Sascha Schwingel erklärt: "Da kommt niemand mit einem Jetlag an und Schauspieler, die ein paar Tage Drehpause haben, können zu ihrer Familie nach Hause fliegen."
Manchmal müssen Maori eingeflogen werden
Beim ZDF-Spielfilm "Kongo", in dem Maria Simon den vermeintlichen Selbstmord eines Bundeswehrsoldaten im Feldlager bei Bukavu aufklärt, sind die Gründe noch viel einleuchtender: Es geht um die Sicherheit. Die Demokratische Republik Kongo ist nicht gerade für ihre politische Stabilität bekannt. Vor und nach den Wahlen vor zwei Jahren kam es immer wieder zu drastischen Kämpfen der verfeindeten politischen Lager, häufig mit tödlichem Ausgang. Filmdrehs sind dort undenkbar.
So vielfältig die Natur in Südafrika aber auch sein mag: Komparsen zu finden, die so aussehen, als würden sie auf einem völlig anderen Kontinent leben, ist schwer. "Es ist immer eine Herausforderung, wenn wir Massai aus Kenia, Maori aus Neuseeland oder Vietnamesen für einen Dreh suchen", sagt Venzke. Dann hilft nur ein aufwändiges Casting. Oder eine verdammt gute Maske. Doch auch das klappt nicht immer. Auftraggeber Schwingel habe für seinen Wal-Thriller extra Neuseeländer eingeflogen, berichtet er. Weil das Wasser vor Kapstadt zu trüb war, musste das Team außerdem für einzelne Szenen nach Sansibar reisen, um die Protagonistin tauchen zu lassen. "Wer in Südafrika dreht, muss improvisieren können", sagt der Produzent.
Auch in Deutschland versucht man sich in größtmöglicher Flexibilität für Filmschaffende. Der Kinofilm "Ein russischer Sommer" etwa wurde nicht in Russland, sondern in Brandenburg und Sachsen gedreht. Roman Polanskis Thriller "Ghostwriter" spielt in London, ist aber teilweise in der Berliner Charlottenstraße entstanden. Szenen von "Wüstenblume" entstanden am Berliner Ku'damm statt in New York.
Ausschlaggebend für die Wahl der Drehorte ist oft die Filmförderung, die den Dreh oder aber wenigstens Schnitt und Endproduktion vor Ort zur Auflage macht. Ein Instrument, um die örtlichen Filmschaffenden mit Arbeit zu versorgen oder aber Touristen anzulocken, die Orte besichtigen wollen, die sie aus dem Kino oder dem Fernsehen kennen.
Die Konkurrenz kommt aus Osteuropa
Südafrika hingegen lockt mit direkten Umsatzrabatten von bis zu 20 Prozent. Wer für seinen Film dort Geld investiert, kriegt vom Staat etwas zurück. "Das hilft vielen bei ihrer Entscheidungsfindung - zu unseren Gunsten", sagt Organisator Venzke. Und das Land investiert, um seine Position zu stärken: Nach der Fußball-WM soll in Kapstadt für etwa 50 Millionen Euro ein neuer Studiokomplex entstehen - "alles Hollywood-geprüft", erklärt Venzke.
Im Laufe der Jahre ist in Südafrika eine ganze Film-Industrie entstanden, vom Technik-Ausstatter bis zur Kulissen-Schmiede. Die Spezialisten vor Ort kümmern sich auch um ungewöhnliche Aufträge: Für "Der Untergang der Laconia" wurden eigens zwei U-Boote aus dem Zweiten Weltkrieg nachgebaut, eines aus 80 Tonnen Stahl, das auf Kommando mit 200 Mann Besatzung abtauchen kann.
Doch manchmal muss Südafrika im Wettbewerb der Drehorte auch zurückstecken. Thailand zum Beispiel gibt ebenfalls atemberaubende Einstellungen her. ProSieben drehte dort etwa seinen Zweiteiler "Die Schatzinsel" mit Tobias Moretti und Christian Tramitz. Im Gespräch war dafür auch Südafrika, Thailand aber sorgte mit seinem Inselreichtum für passendere Bilder. Für Konkurrenz sorgt außerdem Osteuropa, denn in Rumänien und Bulgarien stehen noch aus alter Zeit riesige Studios leer, die nur auf ihre Nutzung warten. Venzke bangt: Teuer seien die Drehs dort auch nicht.
Trotzdem hat Südafrika bei der Wahl der Drehorte oft die Nase vorn: die günstigere Zeitzone und die westliche Infrastruktur sorgen seit Jahren für eine solide und kontinuierliche Auftragslage. Und schließlich ist da noch etwas, was keine noch so üppige Filmförderung wettmachen kann: das verlässliche Wetter. In manchen Landesteilen herrschen fast das ganze Jahr über Temperaturen zwischen 25 und 35 Grad. Venzke sagt: "Das kann uns so schnell keiner streitig machen."