
Politsatire im ZDF: Alt, fett, infam
Hajo ist ein Polit-Relikt der alten Bonner Republik: Während die anderen twittern und joggen, säuft, frisst und intrigiert er wie in alten Zeiten. Die Satire "Eichwald, MdB" ist ein Glücksfall für das ZDF: Selten sah das Gestern so gut aus.
Was natürlich auch am Hauptdarsteller Bernhard Schütz liegt. Der stets hochtourig laufende Star der Berliner Volksbühne gibt den Bundestagsabgeordneten Hans-Josef "Hajo" Eichwald als eine Art Stromberg des Plenarsaals, als Turbo-Opportunisten, der sich auf tragikomische Art in seinen selbst ausgeworfenen Fallstricken verheddert.
Etwa als er einem jungen Parteikollegen, der auf der Landesliste aus seinem Wahlkreis Bochum II nachrückt, den Eintritt in den Berliner Polit-Betrieb vermasseln will. Da bestellt er erst mal einen Fleurop-Blumenkorb und lässt das Gazprom-Logo als Grußkarte ausdrucken, um zu suggerieren, dass bei dem Konkurrenten, der auf Ökostrom macht, "blutiges Oligarchengas" verströmt wird. Leider hat Eichwald das Blumenbouquet mit der eigenen Kreditkarte gezahlt, was die ganze schöne Verschwörung gegen ihn selbst wendet.
Fetter Politiker, fetter Sender
Fett, infam und irgendwie liebenswert: Zwischen all den alten Kollegen, die inzwischen vegan leben und Smoothies trinken, sowie den jungen agilen New-Media-Aposteln mit ihrer Twitter-Schnappatmung wirkt Eichwald fast wie ein schützenswerter Anachronismus. Während er selbst noch "Nutten" ordert, um sie seinen Konkurrenten unterzuschieben, haben die schon längst einen Tweet versendet, der ihn unangenehm unter Druck setzt. Dass die alten Kampftechniken nicht mehr funktionieren, weiß Eichwald im Grunde seines Herzens selbst. Einmal seufzt er erschöpft: "In Berlin musst du die Scheiße über Bande spielen."
Das Interessante an der (erst mal) vierteiligen Polit-Satire, die am Donnerstag auf ZDFneo läuft und im Mai im Hauptprogramm des Senders: Obwohl im Mittelpunkt ein Fossil der Bonner Republik steht, werden doch ganz leichthändig die neuen Sitten und Gebräuche der Berliner Republik in Szene gesetzt. Wo früher in aller Ruhe Kampagnen gegen den Gegner ausgearbeitet wurden, muss man heutzutage einfach einen Tweet schneller sein als die Konkurrenz.
Die Schlachten, das zeigt dieses "House of Cards" im Sitcom-Format höchst unterhaltsam, werden eben nicht mehr vorrangig im Hinterzimmer gewonnen, sondern an der öffentlichen Informationsfront. Aus der Verleumdungsrepublik ist eine Verlautbarungsrepublik geworden - was für Eichwald natürlich ein Problem ist, denn sobald der alte, geile Sack auf Facebook oder Twitter losgelassen wird, löst er umgehend einen Shitstorm aus.
"Eichwald, MdB" (Regie: Fabian Möhrke, Buch: Stefan Stuckmann) ist eine tolle Serie für das ZDF, schon weil der Sender selbst eine gewisse Ähnlichkeit mit der Titelfigur aufweist: Die Verantwortlichen der aus der alten Bundesrepublik übrig gebliebenen Fernsehanstalt müssen ja ebenfalls noch eine Position in der digitalisierten Medienlandschaft finden und kommen dabei ordentlich ins Schwitzen.
Und wo man sich im Hauptprogramm gaaaanz, gaaaanz langsam durch Unterhaltungskonzepte der guten alten Achtzigerjahre schnarcht (siehe das "Spiel beginnt!" ), da rücken in den Nischen wie ZDFneo Kommunikationsgenies nach, die über Nacht das Senderselbstverständnis ins Wanken bringen können (siehe Jan Böhmermanns Varoufake-Coup).
"Eichwald, MdB" ist ein kleiner Schritt in Sachen Polit-Satire, aber ein großer für das Humorverständnis und den Realitätssinn des ZDF.
"Eichwald, MdB", donnerstags, 22.45 Uhr, ZDFneo. Am 29. Mai läuft die Sendung im ZDF-Hauptprogramm.