

Kommentar zu den Emmy-Nominierungen Das Fernsehen, das wir verdienen


HBO-Serie "True Detective": Nichts für deutsche Verhältnisse
Foto: AP/ HBOAn diesem Donnerstag werden die Nominierungen für den Emmy bekanntgegeben, den Fernsehpreis mit dem international größten Glamourfaktor. Favorit ist die HBO-Produktion "True Detective", die von Kritikern als dramaturgischer und visueller state of the art des Fernseh-Erzählens gefeiert wird. Hierzulande wird dann wohl wieder reflexhaft gebellt, weshalb verdammt nochmal die Deutschen solche Serien nicht herstellen können.
Eine blöde Frage. Deutschland hat nun mal weder eine gewachsene Filmindustrie, um solche Serien zu produzieren, noch verfügt es über die Verwertungsmöglichkeiten der US-Konkurrenz, die große englischsprachige und internationale Märkte bespielen kann.
Ist beim Kino ja ähnlich. Doch da fragt niemand, weshalb in Deutschland eigentlich keiner in der Lage ist, ein opulentes Endzeitspektakel wie, sagen wir mal, "World War Z" mit Brad Pitt auf die Beine zu stellen. Die Antwort wäre ja auch klar: Weil es aussehen würde wie das erbärmliche Endzeit-Filmchen "Helden" mit Heiner Lauterbach, mit dem RTL unlängst auf alle Zeit seine Träume von selbstproduzierter Bombast-Action begraben hat.
Die "Mad Men" sind fern
Deutschland hat den Anschluss an internationale Standards in bestimmten Filmbereichen bereits vor Jahrzehnten verpasst. In seinem wunderbar polemischen TV-Essay "Es werde Stadt" zeichnete TV-Starregisseur Dominik Graf gerade nach, was in Deutschland in den Achtziger- und Neunzigerjahren schiefgelaufen ist: Medienpolitiker investierten Unmengen von öffentlichen Geldern in Mediaparks, mit denen man den USA Konkurrenz machen wollte. Leider förderte man damit dann aber doch nur das Privatfernsehen mit seiner technisch und ästhetisch eher bescheidenen Bilderproduktion. Von Hollywood geträumt, RTL bekommen. Bitter.
Interessanterweise war es auch Regisseur Graf, der vor vier Jahren die einzige deutsche Serie gedreht hat, die es halbwegs mit den Top-Kandidaten der US-Konkurrenz aufnehmen kann: das Gangster-Panorama "Im Angesicht des Verbrechens". Der Dreh soll die Hölle gewesen sein, die Produktionsfirma ging pleite, die Quoten waren ein Desaster, die letzten Teile wurden im Nachtprogramm der ARD verklappt. Der deutsche Fernsehzuschauer, dieser Wahrheit müssen wir uns stellen, will keine Serienkunst. "Im Angesicht des Verbrechens" wird der letzte wirklich ernst gemeinte Versuch bleiben, in diesem Bereich international aufzuschließen.
Das ist schade. Aber nicht schlimm. Denn wenn hiesige Serien-Snobs nicht immer vernarrt in Richtung USA starren würden, wüssten sie, dass es auch hierzulande Fernsehgenres gibt, die sonst nirgendwo auf der Welt derart gepflegt werden: zum Beispiel das Doku-Drama. Nein, dieses genuine TV-Format entwickelt kein Suchtpotenzial, oft verbreitet es ein Gefühl von Frühstunde in der Oberstufe. Sexy ist was anderes. Und die "Mad Men" sind fern.
Macht nichts. Denn hiesige Filmemacher haben gelernt, in dieser Fernsehfilmspielart Geschichte und Gegenwart in oft schmerzhaft widersprüchlicher, selten banalisierender Weise zu reflektieren. Von Heinrich Breloers RAF-Film "Todesspiel" über Friedemann Fromms desillusionierenden und doch furios erzählten Nachkriegsmehrteiler "Die Wölfe", der 2010 mit dem Emmy (sic!) ausgezeichnet wurde, bis zu der brisanten Kunduz-Rekonstruktion "Mörderische Entscheidung" von Raymond Ley - diese Art von betont diskursivem Fernsehen gibt es so nur in Deutschland. Es gibt sogar US-Fernsehschaffende, die uns darum beneiden.
Vielleicht liegt es an unserem verspannten Wesen, vielleicht grübeln wir zu viel, vielleicht sind wir nicht im Reinen mit uns. Auf jeden Fall haben wir das Fernsehen, das wir verdienen. Für kleine Pausen von unserer anstrengenden Wirklichkeit lassen wir uns dann eine HBO-DVD kommen.