Ein innovatives Format und seine Tücken Wie kam es zum fehlerhaften Hitler-Video von Funk?

Titelbild des gelöschten Beitrags bei Instagram
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»Funk ist Teil des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks« – dieses Sätzchen steht stets unter den Videos, die das Content-Netzwerk von ARD und ZDF bei YouTube ausspielt. Ein Hinweis, der gerade von Lehrkräften häufig als Qualitätssignal verstanden wird, weshalb die Online-Inhalte für 14- bis 29-Jährige bevorzugt im Unterricht oder in Referaten verwendet werden.
Es steht zu hoffen, dass niemand das Video »Bevor Hitler berühmt wurde« vom zu Funk gehörenden Account »Der Biograph« genutzt hat, um Adolf Hitlers Weg zur Macht zu erklären. Denn »in dem Video werden die historischen Fakten des Ersten Weltkriegs grob verfälscht«. So streng formulierte es der Verband der Historikerinnen und Historiker Deutschlands (VHD) in einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme.
»Schlachtensiege« gegen Verbündete?
Konkret wurde in der illustrierten Kurzbiografie behauptet, militärische Siege des Deutschen Reichs über Österreich-Ungarn hätten den »Österreich-Hass« Hitlers verstärkt. Die genaue Formulierung lässt sich nicht mehr nachvollziehen, da Funk das Video inzwischen aus dem Netz genommen hat. Die »Süddeutsche Zeitung« zitiert den Wortlaut so: »Die vielen Schlachtsiege gegen sein Heimatland bestätigen den ›spinnerten Österreicher‹, wie seine Kameraden ihn nennen, nur noch mehr in seinem Österreich-Hass.« Das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn waren im Ersten Weltkrieg verbündet.
Als erste Zweifel an dem Video geäußert wurden, habe der Macher des Videos bereits vor zwei Wochen in den YouTube-Kommentaren einen »kleinen Fehler« eingeräumt, schreibt die »Süddeutsche«. Auf der Funk-Webseite und vor allem im Video selbst blieb der Fehler allerdings zunächst unkorrigiert.
Erst nach der Rüge vom Historikerverband entschloss sich Funk dazu, »das besagte Video offline zu nehmen, anzupassen und mit einer entsprechenden Änderung neu hochzuladen«. Die Bearbeitung dauerte am Freitagnachmittag noch an, man erarbeite auch, »wie es zu dem Fehler kommen konnte und stehe in engem Austausch mit den Formatmacher:innen«, teilte die Funk-Pressestelle auf SPIEGEL-Anfrage mit. Im Community-Bereich des YouTube-Kanals ist ein Hinweis angepinnt. »Die Korrektur des angesprochenen Fehlers – auch innerhalb des Videos – hätte bereits zu einem früheren Zeitpunkt stattfinden müssen«, räumt man bei Funk inzwischen ein.
Inspirierende Lebensläufe
Bei Funk arbeiten ARD und ZDF mit einer Reihe von internen wie externen Inhaltszulieferern zusammen. Im Falle von »Der Biograph« handelt es sich um einen YouTube-Kanal, in dem eine Vielzahl von meist zwischen fünf und zehn Minuten langen Kurzbiografievideos präsentiert werden – von Rappern, Influencern, aber auch Politikern, lebenden und historischen Persönlichkeiten; immer unter der Leitfrage, wie ihr Leben verlief, bevor sie berühmt wurden. Er wird seit Ende Oktober 2019 als Funk-Kanal produziert, existierte aber schon zuvor.
In einem autobiografischen Clip (»Bevor der Biograph zu Funk gehörte«) berichtet der Gründer von »Der Biograph«, sein Interesse an Biografien habe sich in einer ratlosen Phase nach dem Abitur entwickelt. Sein Interesse wollte er nach eigener Aussage weitergeben, »sodass sich junge Menschen kurz und prägnant zusammengefasst in siebenminütigen Videos von den Biografien, aber auch Fehlern und Erfolgsgeschichten anderer inspirieren lassen können«.
Aus der Suche nach inspirierenden Lebensläufen entwickelte sich ein Nebenjob im Psychologiestudium – bald finanziert von der Universal Music Deutschland, die auch heute noch als Co-Produzenten firmiert. Entsprechend sind viele der bis heute am meisten gesehenen Videos des Kanals Biografien von Rappern wie Gzuz oder Farid Bang.
Die redaktionelle Herangehensweise zur Erstellung von Inhalten sei bei jedem Video des Kanals grundsätzlich die gleiche, heißt es nun von Funk. Die Abnahme des Formats erfolge durch die Funk-Zentrale. Dabei würden die genutzten Quellen »sorgfältig überprüft«.
Eine eigenständige historische Fachredaktion für »Der Biograph« gebe es nicht, Produktion und redaktionelle Abnahme von Videos zu Hitler oder Putin wie zu Montana Black und Rezo hätten »die gleichen Macher:innen bzw. Redakteur:innen übernommen«. Allerdings würden »je nach Thema Fachleute für spezielle Fragen hinzugezogen«.
In seiner Stellungnahme betont der VHD, grundsätzlich sei es »begrüßenswert, dass sich ARD und ZDF um ihren Bildungsauftrag bemühen und innovative Formate der historisch-politischen Bildung speziell für junge Zuschauer:innen entwickeln«, mahnte aber die Quellen- und Faktengebundenheit an. Dem widerspricht Funk nicht. Eine fehlerhafte Recherche entspreche nicht den Qualitätskriterien des Netzwerks: »Wir bedauern den Fehler, den wir als wesentlich ansehen.« Man nehme den Vorfall zum Anlass, formatspezifische Abnahmeprozesse zu prüfen und Kontrollmechanismen zu stärken.
Womöglich liegt das Problem auch in einer etwas einseitig auf Populärkultur spezialisierten Expertise. In einem vor über zwei Jahren veröffentlichten Video über Angela Merkel heißt es: »14 Jahre ist Angela Merkel bereits Kanzlerin und hat damit ihren Ziehvater Helmut Kohl längst hinter sich gelassen.«
Sollte sich das auf die Amtszeit beziehen, so lag »Der Biograph« auch da daneben: Angela Merkel schied nach 5860 Tagen aus dem Amt – zehn Tage weniger als Kohl Bundeskanzler war. Immerhin: Dieser Fehler ist sicher nicht als wesentlich anzusehen.