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Flüchtlingssendung "Marhaba" "Du bist doch der Typ mit den arabischen Videos!"

Manche Medien nennen ihn inzwischen "Mr. Marhaba". Die Sendung für Flüchtlinge von n-tv-Moderator Constantin Schreiber lief bisher nur online und kommt nun ins Fernsehen. Die Reaktionen haben ihn überrascht.
Von Constantin Schreiber

Seit ein paar Jahren arbeite ich als Nachrichtenmoderator in Deutschland, was dazu führt, dass ich hin und wieder erkannt werde - auf der Straße, im Zug, im Restaurant. Auch auf meine Sendung beim ägyptischen TV-Sender ON-TV, über die in deutschen Zeitungen berichtet wurde, sprechen mich einige Leute an. Doch seit Ende September ist aus "hin und wieder" "ständig" geworden und "einfach mal ansprechen" hat sich zu sehr interessiertem Nachfragen, manchmal auch Beschimpfen, entwickelt.

Denn: Seit Ende September moderiere ich die Sendung "Marhaba", die sich auf Arabisch an Flüchtlinge in Deutschland richtet. Nicht nur in Deutschland wurde viel über unser Format berichtet, auch arabische Medien wie Al Jazeera und Sky News Arabia stiegen ein, Reporter aus den USA, Russland und den Niederlanden kamen bei unseren Drehs vorbei.

In meinem Fitnessstudio sprachen mich in der vergangenen Woche fünf Leute auf Marhaba an. "Du bist doch der Typ mit den arabischen Videos! Was hältst du vom Syrien-Einsatz der Bundeswehr?". "Sie sind doch der mit dieser Araber-Sendung! Glauben Sie, dass die Flüchtlinge wirklich Deutsch lernen wollen?". Als ich gestern ins Taxi stieg, grüßte mich der Fahrer mit "Marhaba" (dt. "Willkommen" oder "Hallo") und begann eine Diskussion über den Koran und verschiedene seiner Suren.

Auch Pierre Vogel hat sich gemeldet

Ein interessantes Angebot erreichte mich aus Ägypten. Der islamische Sender Azhari TV hat mich gefragt, ob ich als Moderator für eine ihrer Sendungen einsteigen möchte. Azhari TV ist benannt nach der al-Azhar Moschee, eines der geistlichen Zentren der islamischen Welt. Die al-Azhar hat nach ägyptischem Recht die Aufgabe, "das islamische Erbe zu bewahren, zu studieren, offenzulegen und zu verbreiten, das anvertraute Gut der islamischen Botschaft an alle Völker weiterzutragen, um die Wahrheit über den Islam und seinen Einfluss auf den Fortschritt der Menschheit, die Entwicklung der Zivilisation, die Aufrechterhaltung des Friedens, der Ruhe und des Seelenfriedens aller Menschen im Diesseits und Jenseits aufzuzeigen." Konkret ging es um das Programm "Taht al-eshreen", auf Deutsch "unter zwanzig", das sich an junge Zuschauer in dem Land am Nil wendet. Man würde mich dann alle zwei Wochen nach Kairo einfliegen, die Sendung selbst dauert mehrere Stunden und soll islamische Jugendthemen vermitteln.

Post bekommen habe ich auch von der "wahren Religion". Das ist der Verein, in dem unter anderem der berüchtigte Konvertit Pierre Vogel wirkt, eine der Galionsfiguren der deutschen Islamisten-Szene, sowie der Salafist Ibrahim Abou-Nagie. Ein Vereinsbruder fragte mich, ob ich nicht mit ihnen gemeinsam Korane verteilen wolle. Auch zahlreichen anderen Zuschriften ist zu entnehmen, dass viele denken, ich sei entweder bereits Muslim - oder leicht zum Konvertieren zu bringen.

Hinzu kommen zahlreiche Einladungen, etwa von einem islamischen Religionsinstitut in Medina in Saudi-Arabien zum "Islamseminar" oder Rückmeldungen von Religionsgelehrten aus Algerien und Marokko. Ein deutsches Stadttheater wollte meine Mithilfe bei der Inszenierung von Peter und der Wolf auf Arabisch. Weiter sollte ich Angela-Merkel-Ausstechformen für Weihnachtsplätzchen als Beitrag zur Völkerverständigung in meiner Sendung vorstellen.

Es gibt jede Menge Gesprächsbedarf

Ein weiterer "Marhaba"-Effekt: Uns erreichen inzwischen zahlreiche Asylanträge von Menschen, die uns schreiben: "Bitte helft mir", oder: "Ihr kennt euch doch aus, könnt ihr das für mich machen?". 18 Korrespondenzen von Flüchtlingen mit deutschen Ämtern, die an mich geschickt wurden, habe ich vor ein paar Tagen in Berlin der Stadt übergeben, um das an die richtigen Adressaten zu bringen.

Die meisten Reaktionen in Deutschland zeigen mir deutlich: Es gibt jede Menge Gesprächsbedarf. Die Menschen bewegt die Flüchtlingsdebatte sehr. Sie fragen sich (und mich) vor allem nach den Absichten der Syrer, Libyer und Jemeniten, die zu uns kommen. "Wollen die sich hier wirklich integrieren? Oder unter sich bleiben, bis sie wieder nach Hause können?" Viele möchten auch wissen, wie schwer es ist, Arabisch zu lernen und ob diese Mühe eine gute Investition in die Zukunft sei.

Am Donnerstag also kommt "Marhaba" zum ersten Mal im TV. Der erste deutsch-arabische Talk überhaupt, zum ersten Mal aus einer Moschee. Es treffen arabische Flüchtlinge auf deutsche Politiker. Menschen, die sich integriert haben auf die, die kritisieren oder helfen. Der Grund dafür: Die Flüchtlinge, die seit Monaten über das Mittelmeer zu uns kommen, werden unser Land nachhaltig verändern. Wichtig ist nur: Wir müssen reden. Immer im Gespräch bleiben. Deshalb freue ich mich vor allem über ein Feedback, das ich auch sehr häufig bekomme: "Danke und machen Sie bloß weiter! Oder auf Arabisch: kul al-Ihtiram!".

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