»Friends«-Reunion Kaffeehaus, später

Das Leben ging weiter, der Reiz dieser Serie blieb: 17 Jahre nach dem Ende von »Friends« gibt es die große Wiedervereinigung zu sehen. Das TV-Spezial erzählt wenig Neues, das Fan-Herz freut sich dennoch.
»Friends«-Darsteller Perry, LeBlanc, Schwimmer, Cox, Aniston, Kudrow: Befreiter Rückzugsraum

»Friends«-Darsteller Perry, LeBlanc, Schwimmer, Cox, Aniston, Kudrow: Befreiter Rückzugsraum

Foto: WarnerMedia Direct

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Vor 17 Jahren lief die letzte Folge, aber »Friends« zählt auch heute noch zu den beliebtesten Serien bei Streamern; angeblich zahlte Netflix der Konkurrenz von WarnerMedia mal 100 Millionen Dollar für eine einjährige Ausspiellizenz.

Oft ist versucht worden, den offenbar unendlichen Reiz dieser Sitcom über das Leben von sechs New Yorker Freunden in ihren Zwanzigern, die gemeinsam abhängen und Kaffee trinken (ja, so simpel ist die Anordnung) zu erspüren. Mein Kollege Christian Buß etwa nannte die Atmosphäre von »Friends« vor einigen Tagen »leger« . Das stimmt. Den Serienschöpfern Kevin Bright, Marta Kauffman und David Crane gelang es ab 1994, einen befreiten Rückzugsraum zu erschaffen. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer, die noch heute regelmäßig »Friends« schauen, funktioniert die Serie wie eine tröstliche Schneekugel, vor allem dann, wenn das reale Leben eher wenig Spaß macht.

Ähnliches galt auch für die Figuren selbst. Sie hatten vielleicht mal Berufs- oder Liebesprobleme, quatschten sich aber eigentlich immer fern von wirklichen Lebenskatastrophen durch ihre Apartments, konzentrierten sich unbelastet auf die Beziehungen zueinander. Weil die Charaktere dabei so präzise gezeichnet waren, trug es locker über zehn Staffeln, ihnen dabei zuzusehen, wie sie ihre Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten immer wieder neu austarierten. Manche Nähe der Figuren wurde plausibel (der aufrechte Womanizer Joey und die Hippie-Außenseiterin Phoebe!), bei manchen (Ironiemeister Chandler und Hippie-Außenseiterin Phoebe?) fragte man sich, ob sie sich nicht aus den Augen verlieren, wenn einer wegzieht.

Natürlich finden alle sich gegenseitig immer noch »great«

Diese Nähe gilt bis heute: »Friends« gucken nicht nur David Beckham und Lady Gaga, wie man nun in der neuen Einmal-Show »Friends: The Reunion« erfährt, sondern offenbar auch die Tochter von David Schwimmer, der in der Serie den Ross spielt. Für das Wiedersehen sind alle sechs Hauptdarsteller – neben Schwimmer sind das Jennifer Aniston (Rachel), Courteney Cox (Monica), Lisa Kudrow (Phoebe), Matt LeBlanc (Joey) und Matthew Perry (Chandler) – noch mal zusammengekommen, um sich auf einem Sofa und in den alten Kulissen der Serie miteinander zu unterhalten. Als Moderator sorgt »Late Late Show«-Komiker James Corden für gute Laune, dazu kommen eher willkürliche, aber knackige Auftritte von Gastsuperstars wie BTS, »Game of Thrones«-Schauspieler Kit Harrington oder der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, die meistens kurz bekunden, wie toll sie »Friends« finden.

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»Friends« – das Wiedersehen

Foto: WarnerMedia Direct

Natürlich ist diese im Vorwege lange gehypte Reunion ein großer Werbebluff für ein Milliardenpublikum. Jeder der sechs Hauptdarsteller soll für den Auftritt laut Berichten eine Gage zwischen 2,5 und drei Millionen Dollar bekommen haben. Gleichzeitig waren Bright, Kauffman und Crane klug genug, sich nicht auf eine Fortsetzung der Serie einzulassen, sondern den Zauber von »Friends« ein letztes Mal über Bande zu spielen, über die milde Vergangenheitsreflektion der sechs Schauspieler.

Das funktioniert gut. Allein weil es rührt, dass »Friends« immer gleich bleiben wird, aber das Leben der Darsteller – wie das eigene ja auch – natürlich weitergegangen ist. Da sind die Extrakilos und der Dad Vibe von LeBlanc, der kein Problem mit flachen Witzen hat, oder die konservierten, wohlgehegten Gesichter von Cox und Aniston. Da sind die Stimmen, die älter, härter, heiserer geworden sind

Klar, alle finden sich gegenseitig immer noch »great«, die Serie sowieso, inhaltlich wird wenig Neues erzählt. Weil »Friends« heute oft für mangelnde Diversität und Wokeness kritisiert wird – alle Hauptdarsteller sind weiß, dazu kommen etwa Vorwürfe wegen Homophobie – wurden offenbar gezielt queere Zeugen und Zeuginnen aus aller Welt reingeholt, die von ihrer Liebe zu »Friends« erzählen. Auch Lady Gaga bedankt sich extra bei Kudrow, deren Phoebe für sie immer »die, die anders ist«, gewesen sei.

Das übertüncht die Stellen, an denen »Friends« heute schlecht gealtert ist, auf eher hanebüchene Art – aber es geht einem beim Zuschauen dennoch das Fan-Herz auf: Wie beruhigend, dass Schwimmer die Folgen mit dem Affen Marcel auch so misslungen fand wie man selbst! Dass der Schauspieler, der den mürrisch-verrückten Nachbarn Mr. Heckles spielte, noch lebt? Wie schön!

Es gibt in diesen rund hundert Minuten nur einen Moment, in dem kurz etwas Ernsteres durchscheint. Matthew Perry, den die Abgründe, die nicht »Friends«, aber das Leben als Star bereithält, ganz offensichtlich am meisten mitgenommen haben, schildert eine Angst: Die Serie wurde damals vor Publikum gedreht, erzählt er. Immer, wenn die Leute nicht über seine Pointen gelacht hätten, habe er gedacht, er müsse sterben. Der Satz hängt einem nach.

Die andere Seite von »Friends«, das plötzliche, überfordernde Berühmtwerden von mindestens fünf der damals noch sehr jungen Schauspieler und Schauspielerinnen (Cox war vorher schon bekannt, wenn auch kein Superstar) kommt hier nur als witzige Anekdote vor, ebenso wie die lebenslange Reduzierung auf eine einzige Serienrolle, mit der jeder von ihnen leben muss.

Als Fan freut man sich zwar, wenn Schwimmer und Aniston jetzt erzählen, dass sie in der ersten »Friends«-Staffel ineinander verknallt gewesen seien, die beiden spielen in der Serie das ständige On-off-Paar Ross und Rachel, das im Mittelpunkt der Erzählung steht. Gleichzeitig fragt man sich: War das wirklich so? Oder kapitulieren die beiden hier gerade vor einer fiktionalisierten Geschichtsschreibung ihres eigenen Lebens?

»Everything came together«, sagt Courteney Cox an einer Stelle, alles und jeder war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Sie meint damit die Entstehungsgeschichte von »Friends«. Aber man kann das natürlich auch auf diese Reunion beziehen. Moderator Corden fragt die Schauspieler, wo ihre Figuren heute wären, die Antworten: Rachel und Ross hätten mehrere Kinder, Chandler würde Monica immer noch jeden Tag zum Lachen bringen.

Ach, man könnte im Grunde direkt wieder einsteigen. Vielleicht am besten mit der zweiten Staffel. Da ist der Affe schon weg.

»Friends: The Reunion« ist mit deutschen Untertiteln bei Sky Ticket abrufbar. Am Samstag, 29. Mai, wird die Sendung um 20.15 Uhr auf Sky One ausgestrahlt.

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