

Wenn man eine Show moderiert und dabei ganz deutlich machen möchte, dass der Abend sich keineswegs um einen selbst dreht, sondern alles Augenmerk doch bitte auf die Hauptpersonen, diese kleine Schar hoffnungsvoller Hascherl-Models, gerichtet ist, aus denen eine als die allerschönste ausgesucht werden soll, wenn man diesen Fokus also unbedingt sicherstellen will, dann tritt man am besten genau so auf, wie Heidi Klum das gestern Abend beim Finale von "Germany's next Topmodel" tat.
Überlebensgruselgroß projiziert, mit allem operettenhaften Pardauz, einem durch die Luft schwebenen Funkensprüh-Floß und sämtlichen Fässern des feinsten Feuerregens, die man irgendeinem effekthascherischen Filou noch umständlich aus seinem Over-the-Top-Kellerlager hatte abringen können - mit dieser Glitzermaterialschlacht ohne jede Stilscham zog Klum ein paar Minuten nach Beginn der Finalsendung in die SAP-Halle in Mannheim ein. Irrsinn, selbstverständlich. Theoretisch nur zu toppen durch ein Einhornballett, wobei aus dem Hörnern der edlen Tier dann selbstverständlich auch Funkenfontänen sprühen müssten, man ist ja nicht bei armen Leuten.
Dass eine knappe Stunde nach dem Beginn wegen einer Bombendrohung auch schon wieder Schluss war mit Klumschen Budenzauber, die Sendung abgebrochen und die Halle evakuiert wurde, ist kein Grund zum Scherzen, was zahlreiche Twittertrottel dennoch nicht davon abhielt.
Dass in der Folge die diesjährige "GNTM"-Gewinnerin nun am 28. Mai, allerdings nicht in einer Liveshow mit Großauftrieb gekürt werde soll, ist für Freunde des Formats tatsächlich der Silberrand an der dunklen Abbruchswolke.
Vor allem, weil zumindest die erste Stunde der gestrigen Finalshow eine fade, traurige Angelegenheit war, die im Sprühregen der Klumschen "super, super"-Flatulenz noch trauriger wirkte. Teilweise versuchte sie die Suggestivkraft von ein, zwei oder auch mal drei locker in den Satz eingestreuten Supers noch verschwenderischer zu nutzen als Supertrainer Pep Guardiola, der ja noch die ungeliebtesten Spieler in weichen verbalen Superfrottee hüllt.
Ein Showanzug wie der Panzer des Großen Puppenräubers
Als Hobby-Käferkundler konnte man sich noch an dem schönen Detail erfreuen, dass Heidi Klums Showanzug mit seinem grünblauen Schillereffekt frappant an den Panzer des Großen Puppenräubers erinnerte, ein gar nicht mal so liebenswerter Geselle, der pro Saison etwa 400 Räuplein frisst. Die wörtliche Übersetzung seines wissenschaftlichen Namens Calosoma sycophanta bietet albernen Gemütern ebenfalls Grund zu Freude: Schönkörpriger, strenger Aufpasser.
Dass die vier "Topmodel"-Kandidatinnen in ihrem ersten Livewalk in der Sendung dann auch noch ausgerechnet Puppen verkörpern mussten, die aus ihren Verkaufsschachteln ausbrechen sollten - da schlug sich der Zufall sicher auch mal selbst anerkennend auf die Schenkel.
Doch solche kleinen Amüsierkringelchen am Rande des Geschehens konnten auch gestern wieder nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Livetamtam zum Finale stets der dramaturgisch schwächste Teil des Formats war, obwohl er eigentlich die größte Spannung binden sollte - das Live-Finale war schon immer der Hinkefuß der ansonsten mit Schiffsschaukel-Hüften und Tänzelfesseln doch wenigstens leidlich anmutig daherstaksenden Modelshow. Die dicke, borstige Warze im ebenmäßigen Formatgesicht.
Niemand mochte diese trotz reichlich herangekarrter Showprominenz immer extrem provinziell bräsige Leistungsschau, weil sie es immer wieder schaffte, mit zierlichem Popöchen sämtliche Illusionsgebäude wieder einzureißen, die einem die vorausgegangenen Monate der jeweils aktuellen Staffel aufgestapelt hatte.
Modevorgänge, das Zelebrieren des schönen Scheins, ist nichts, was man gleißend ausgeleuchtet vor Großpublikum unternehmen sollte. Sie brauchen die Schutzbarriere der Mittelbarkeit, damit ein Walk nicht albern, sondern avangardistisch wirkt, nicht trampelig, sondern kraftvoll. Und viele Vorkommnisse bei "GNTM" profitieren ganz deutlich von der Möglichkeit gnädiger Schnittechnik.
Vielleicht wird das verschobene Finale am 28. Mai darum das tollste, spannendste Super-super-Staffelende überhaupt. Wenngleich ein Element fehlen wird, das live noch besser, weil ungezügelter agieren kann als in den abgedrehten Folgen: Wolfgang Joops herrlich spontanen Einwürfe. "Jetzt müssen wir in die Werbung", sagte Heidi Klum, und ihr unverwüstliches Jurymitglied, Schutzpatron des mitunter strauchelnden Formats, erwiderte selbstvergessen: "Oh, in die Käseecke?"
Video: Amateuraufnahmen von der Räumung der SAP Arena
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Finalsendung von "Germany's Next Topmodel": Glitzermaterialschlacht ohne Stilscham - aber mit vorzeitigem Ende.
Die vier Finalistinnen in der Liveshow mit Modelmama Heidi Klum (l.): Das Programm wurde binnen sehr kurzer Zeit zweimal von Werbung unterbrochen, danach berief sich der Sender zunächst auf technische Probleme.
"Liebe GNTM-Fans, der Abend ist leider nicht so zu Ende gegangen, wie ich es mir gewünscht hatte! Sicherheit geht vor!", twitterte Heidi Klum nach dem Abbruch der Show.
Evakuierung der SAP Arena in Mannheim: Der Sender ProSieben gab gegen 22.30 Uhr bekannt, dass es eine Bombendrohung gegeben habe.
Zuschauer nach der Evakuierung vor der Halle: Um eine Massenpanik zu vermeiden, hatte der Sender zunächst nur mitgeteilt, es gebe "technische Probleme".
Die Zuschauer reisen ab: Trotz der Vorsichtsmaßnahme des Senders waren die Zuschauer vor Ort teils verärgert.
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