
"Gilmore Girls"-Finale: Sooo viele Fragen
"Gilmore Girls"-Finale Die letzten vier Schockworte
Spoiler-Hinweis: Dieser Text geht auf das Ende der Netflix-Serie "Gilmore Girls" ein.
Irgend etwas stimmt da nicht. In der letzten Szene des "Gilmore Girls"-Comebacks sitzen Lorelai und Rory auf den Treppen der Gazebo, Kulissenherz der Serienkleinstadt Stars Hollow, und feiern Lorelais nächtliche Spontanhochzeit. Man sieht zwei Flaschen Champagner, eine neben Lorelai, die andere neben ihrer Tochter Rory. Zwei Flaschen - aber nur ein Glas, Lorelai hält es in der Hand.
Vielleicht hat Rory aus der Flasche getrunken, oder Lorelai ist schon bei der zweiten Flasche angelangt, eine Braut darf ja alles. Ist doch egal, oder? Das Bild macht trotzdem stutzig, passt es doch kaum zur Getränkesymmetrie der Serie, in der die Hauptdarstellerinnen häufig gemeinsam To-Go-Becher durch die Gegend trugen. Trafen sie sich, gab es nie nur Kaffee für eine Gilmore, sondern stets für beide.
Nun also: ein Glas Champagner.
Die Auflösung ist ein echter Schreckensmoment. Serienschöpferin Amy Sherman-Palladino hatte immer angekündigt, dass die letzten vier Worte der Reboot-Episoden "A year in the Life" sehr bedeutend sein würden. Das sind sie:
Rory: "Mum ?"
Lorelai: "Yeah?"
Rory: "I'm pregnant."
Booom! Und Abspann. Dieses Finale ist eine Überraschung, für viele Fans ein Schock. Weniger wegen der Umstände an sich. Eine junge Frau kriegt ein Kind, so what.
Das Ende, das keines ist
Aber es ist ein offenes Ende - wo doch eigentlich der Abschluss einer Seriensaga versprochen wurde. Das fühlt sich zunächst fies an. Gerade hatte man wohlig registriert, dass "Gilmore Girls" nach all den Jahren noch immer liebenswert ist, obwohl Drummerin und Rorys beste Freundin Lane viel zu selten auftaucht.
Gerade hatte man verarbeitet, dass Diner-Besitzer Luke offenbar ein Toupet trägt, und dass sich Lorelais Stirn nicht mehr ganz so flexibel wellt. Man hatte deshalb ein bisschen über Vergänglichkeit nachgedacht, aber nur bis zur nächsten Szene mit Lorelais Mutter Emily Gilmore, die sogar als Dozentin in einem Walfang-Museum fabelhaft aussieht, und das beweist ja, dass man im Alter nicht zwingend mit Betongesicht rumlaufen muss . Doch dann das! Dieses Ende, das keines ist. Und das so viele Fragen aufwirft.
What the fuck? Das ist jetzt nicht deren Ernst? Warum bin ich da nicht eher drauf gekommen? Wird der Vater vom Baby erfahren? Wer ist überhaupt der Vater? Ex-Freund Logan, mit dem Rory bis vor kurzem eine Affäre pflegte, obwohl er eine Französin namens Odette heiraten will? Oder ist es gar der als Wookie verkleidete One-Night-Stand aus New York?
Bleibt Rory jetzt endgültig in ihrem Heimatkaff, und sind damit die Privatschul- und Yale-Gebühren umsonst investiert? Was, wenn es ein Mädchen wird? Gibt es dann vier Generationen Gilmore Girls? Großer Gott, ganz schön viel familiärer Druck für das arme Kind. Hat Stars Hollow gute Therapeuten?
Ganz die Mutter
Andere Szenen versteht man erst nach dem Schlussdialog besser, zum Beispiel Rorys Besuch bei ihrem Vater Christopher, zu dem sie erst als Teenager eine Beziehung aufbaute. Sie fragt ihn, wie er die Abwesenheit jeglicher Verantwortung mit sich vereinbaren konnte. Im Kontext der Schwangerschaft wirkt diese Begegnung plötzlich anders. Jeder Serien-Sherlock kombiniert sofort: Rory hat offenbar vor, ihr Kind allein aufzuziehen. Ganz wie ihre Mutter damals. Und nochmal: Booom!
Sobald der Schreck verfliegt, erkennt man, wie genial der Schluss ist. Er zögert das Serienende noch eine Weile emotional hinaus. Nach der Welle der Comeback-Ankündigungs-Artikel, der Fotos-vom-Filmset-Artikel, der Wird-Melissa-Mc-Carthy-dabei-sein-Artikel und der Bald-ist-es-soweit-Artikel können die Fans nun allerlei Theorien über das Finale austauschen.
Zum Beispiel, dass Logan der Vater sein muss. Denn er ist für Rory das, was Christopher für Lorelai war. Eine große Liebe, vielleicht die größte, aber sie soll einfach nicht sein. Rory wiederholt die Lebensgeschichte ihrer Mutter. Der Kreis schließt sich, es ist das perfekte Ende.
Man kann den Schluss auch als Chance für eine Fortsetzung sehen, die den Alltag von Rory und ihrem Kind (Lory? Laura? Roman?) zeigt, inklusive Lorelai als Helikopter-Großmutter. Eine DNA-Analyse hat Klarheit gebracht, Rory ist in die WG des Wookie gezogen. Später schreibt sie für die "Stars Hollow Gazette" eine packende Sozialreportage, bekommt dafür einen Preis und ein Liebesgeständnis von Frühlover Jess. So oder so ähnlich. Erzählstoff gäbe es genug.
Und doch wäre es besser, wenn man die Geschichte der Gilmores hiermit ruhen lässt. Es war fantastisch, einen ganzen Netflix-Tag lang Kekse in Speiseeis zu tunken, sich erinnern und freuen zu dürfen, vielleicht in eine Wolldecke zu schluchzen. Nun ist es genug. Jeder neue Versuch einer Fortsetzung würde das großartige Gilmore-Gefühl künstlich konservieren - und damit kaputt machen.
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