Griechenland-Bashing bei Plasberg Wir schalten um auf Vorurteil

Moderator Plasberg: "Immer Ärger mit Diogenes & Co."
Foto: Jens Ressing/ picture-alliance/ dpaPopulismus? Gegen den Vorwurf wollte sich Walter Wüllenweber verwahren. Europa sei doch nicht nur eine bürokratische Institution, sondern auch eine "Veranstaltung von uns Bürgern": "Wir müssen jetzt für die Schulden geradestehen", erklärt der "Stern"-Autor. Das müsse man doch auch auf Bürgerebene austragen können.
Sein Sitznachbar Alexandros Stefanidis, Redakteur beim Magazin der "Süddeutschen Zeitung", konnte den offenen Brief seines Kollegen dankenswerter Weise noch zitieren: "Wenn auch nur ein Teil der Berichte stimmt, die wir in den vergangenen Wochen lesen mussten", hatte Wüllenweber geschrieben, "dann seid Ihr offenbar nur bereit zu arbeiten, wenn Ihr dafür Schmiergeld bekommt."
Das sei keine Grundlage für eine sachliche Diskussion, kommentierte Stefanidis. Recht hat er. Und strenggenommen hätte er auf dieser Basis gar nicht in Plasbergs "Hart aber Fair"-Runde sitzen dürfen. Denn schon der Titel der Diskussion bewegte sich auf ähnlich unterirdischem Niveau wie Wüllenwebers Griechen-Bashing im "Stern": "Immer Ärger mit Diogenes und Co. - landet unser Euro in der Tonne?"
Dass wir den Griechen unsere Euro-Milliarden überweisen, damit die sie dann verjubeln: Obwohl von Plasberg gleich zu Beginn als "Stammtisch" markiert, drückte diese Story der Diskussion von Anfang bis Ende ihren Stempel auf - als unwidersprochene Volksweisheit, repräsentiert vom dauerlächelnden Wüllenweber. Der wollte sich als Nicht-Wirtschaftsexperte zwar nicht anmaßen, "das beurteilen zu können" - aber mit so einem vorausgeschickten Dementi beurteilt es sich eben am zwanglosesten. Das Problem: Zu Krawallschreibern wie Wüllenweber gesellen sich in Deutschland gerne Experten, die es besser wissen, aber offensichtlich gefallsüchtig genug sind, um dem Affen noch Zucker zu geben. Herausragendes Beispiel: Talkshow-Dauergast Professor Hans-Werner Sinn.
"Verbrennen wir das Geld doch gleich!"
Dem las Plasberg zu Beginn der Sendung die Mail eines Zuschauers vor, der vom "Fass ohne Boden" spricht und fordert: "Verbrennen wir das Geld doch gleich!" Sinns Kommentar: "Ich befürchte, er hat recht." Dabei sollte der Ifo-Präsident ein paar Minuten später zumindest andeuten, was es mit der Euro-Krise auf sich hat: Die Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone habe den Geldanlegern international das Gefühl gegeben, die Anlagen seien sicher - und gute Zinskonditionen hätten die Banken dazu bewegt, Unsummen nach Griechenland fließen zu lassen.
Sprich: Offensichtlich hat der Finanzsektor in den Boom-Jahren mit Griechenland gute Geschäfte gemacht und Zinsen kassiert. Dass sich die Kredite nun als faul erweisen, hat eine drastische Gegenbewegung ausgelöst - und auch daran haben manche Anleger übrigens gut verdient. Damit aus den vielen Fehlspekulationen keine allgemeine Kredit- und Bankenkrise wird, spannt die EU unter maßgeblicher Beteiligung Deutschlands einen Rettungsschirm auf: Die Wirkung der faulen Kredite soll durch Bürgschaften und staatliche Kredite neutralisiert werden. Das ist, na klar, eine Vergesellschaftung der Verluste aus privatwirtschaftlichen Fehlspekulationen, die Anleger in Griechenland gemacht haben.
Für beschlagene Volkswirtschaftler wie Sinn sollte es sich aber verbieten, diese Vorgänge nationalistisch-populistisch zu verdrehen - nach dem Motto: Weil die damaligen Spekulationen auf den griechischen Boom auch den dortigen Konsum angeheizt haben, sind die luxusverwöhnten, zur Überschuldung neigenden Griechen schuld, wenn wir jetzt blechen müssen. Genau so eine Sichtweise legt Sinn aber nahe, wenn er resümiert: "Wir können nicht auf Dauer jedes Jahr den Überhang des Konsums über die Einkommen mit unserem Geld finanzieren."
Athen nur Durchgangsstation
Leider hatte die Runde dem nicht genug entgegenzusetzen. "SZ"-Redakteur Stefanidis, geladen als griechischstämmiger Griechenverteidiger, setzte einen richtigen Punkt, als er argumentierte, Athen sei ja nur "Durchgangsstation" für die großzügig gewährten Notkredite - eigentlich fließe das Geld "zu den Banken, die für die Finanzmarktkrise verantwortlich sind". Doch überzeugend ausführen konnte Stefanidis, seines Zeichens Germanist und Kulturredakteur und nicht Finanzmarktexperte, das Argument leider nicht. Die Ökonomin Susanne Schmidt, Tochter des Altkanzlers und Autorin des Buchs "Markt ohne Moral. Das Versagen der internationalen Finanzelite", hätte es vielleicht darlegen können. Aber sie brauchte zu lange Anlaufzeit - und so was wird im plasbergschen Argumentationssperrfeuer gleich mit Untergang bestraft.
Rainer Brüderle spielte mit Hans-Werner Sinn das "good cop, bad cop"-Spiel: Während der Promi-Ökonom einen harten Schuldenschnitt forderte, sprach der FDP-Vorsitzende vom "Mittelweg", davon, dass es "nur mit den Menschen" ginge - und dergleichen mehr aus dem großen Buch der Politiker-Phraseologie.
Dagegen war der Unternehmensberater Ulrich Stockheim, obwohl ein wenig unterbeschäftigt in der Runde, ein kleiner Lichtblick. Immerhin verwies er darauf, dass die Sparauflagen in Griechenland - angeheizt durch das Zerrbild von den verschwenderischen Griechen - das Land in eine tiefe Rezession gestürzt haben. Man habe "aus Gründen des Populismus Griechenland in die Knie gezwungen".
Und Plasberg? Der mühte sich nach Kräften, per Einspieler eine Achterbahn-Dramaturgie zwischen den Polen "Diese Luxus-Griechen!" und "Wir sind auch nicht besser!" zu schaffen. So erfuhr man immerhin, dass Kanzlerin Merkel mit ihrer Kanonade gegen die verwöhnten Südeuropäer gründlich danebenlag. Die Griechen haben im Durchschnitt 23 Tage Jahresurlaub - die Deutschen liegen mit 30 Tagen europaweit an der Spitze. Das konnte man allerdings schon am Mittwochnachmittag auf SPIEGEL ONLINE nachlesen.