Neue Jauch-Show bei RTL Beschwerliche Reise durchs Reich der Lappen

Günther Jauch
Foto: Thomas Pritschet/ TVNOWEinen schöneren, verzweifelteren Cliffhanger-Übergangssatz werden wir in diesem knappen Restjahr nicht mehr hören. "Wir machen als nächstes was mit Ziegen", versucht Günther Jauch mit einem mäßig attraktiven moderatorischen Salzleckstein seine Zuschauerschaft über die Werbepause zu locken.
Attraktiveres Futter ist leider nicht drin in dieser Show mit dem sonderbaren Titel "Bin ich schlauer als Günther Jauch?", der auch nach vier Stunden Sendezeit irgendwie immer noch so klingt, als sei das kein reales, ernst gemeintes Format, sondern eine möglichst absurd erdachte Quizshow in einer schwer ironischen Mediensatire - für den Sieger gibt es allen Ernstes eine naturgetreue, originalgroße Plastiknachbildung von Jauchs Gehirn zu gewinnen, und wer hätte diese verstörende Trophäe nicht gerne daheim auf dem Kaminsims.
Es ist darum augenscheinlich auch nicht als Witz gemeint, wenn Jauchs Denkorgan gleich am Anfang als 3D-Simulation zu Tuschmusik rotiert, weil er sich nämlich erst einmal einer MRT-Untersuchung unterziehen muss, um zu schauen, ob alles auch hübsch besenrein ist im Oberstübchen.
Gegen den Moderator treten drei Frauen an, was nicht weiter erklärt wird, aber eben als mindestens ungewöhnlich auffällt: Moderatorin Sonja Zietlow, Ex-Cindy aus Marzahn Ilka Bessin und Publizistin Alice Schwarzer. Gemeinsam tritt man außerdem gegen 1000 "repräsentativ ausgewählte Deutsche" an, die die Aufgaben bereits im Vorfeld lösten und die so etwas wie den Schlauheitsdurchschnitt darstellen sollen, an dem man die eigene Denkleistung messen kann, denn die Zuschauer zu Hause sollen ausdrücklich mitspielen.
Eine Show voller Bäckerblume-Haushaltstipps
Es ist eine lange und beschwerliche Reise durch das Reich der Lappen, die in den nächsten Stunden unternommen wird. Kleine Einspieler erklären vor jeder Spielrunde, welche Hirnregion dabei am meisten beansprucht wird, man hört von Scheitellappen, Schläfenlappen. Hinterhauptlappen, die diverse Denkdisziplinen meistern sollen, allerdings keinen klassischen Wissenstest.
"Es geht darum, schlau zu sein", sagt Hirnforscher Martin Korte, der die Kommentier-Instanz im Studio gibt und vor allem die Kandidatinnen zwischendurch auch mal für gemeisterte semi-anspruchsvolle Aufgaben lobt, weil in Deutschland nämlich allgemein zu wenig gelobt wird, wie er findet.
Statt Schlaubischlumpf-Fragen in "Wer wird Millionär"-Manier beginnt dann eine Art geistiges Zirkeltraining mit Topfschlage-Elementen: Bei Fragen zum Orientierungsvermögen gilt es, bei Fotos von gestikulierenden Händen schnell zu erkennen, ob das linke oder rechte Extremitäten sind, aus rotierenden Emojis muss aussortiert werden, welcher Kackhaufenzwirbel in die korrekte Richtung weist.
Die schwer nach Bäckerblume-Haushaltstipps klingende Rubrik "Schlau im Alltag" fragt ab, ob man effektiver heizt, wenn man stets ein Fenster gekippt hält oder wenn man einen Deckenventilator rotieren lässt. Alice Schwarzer echauffiert sich über die korrekte Ventilatorenlösung: "Greta wäre entsetzt!" "Greta ist immer entsetzt", sagt Günther Jauch, und ein Spoiler wäre an dieser Stelle nett gewesen, dass es viel feinsinniger auch in den Reststunden nicht mehr werden wird.
Der Moderator, immer wieder: "Oh, oh, oh, oh"
Stattdessen müssen die Teilnehmer eingeblendete Kühe (und Ziegen) sowie gleichzeitig abgespielte Kuhgeräusche zählen und erkennen, dass ein Gesicht aus Angela Merkel und Howard Carpendale zusammengemorpht wurde.
So vielfältig die Disziplinen der Show sind - Dramaturgieintelligenz zählt leider nicht dazu. Denn während die drei Frauen die Fragen live im Studio lösen, absolvierte Jauch den Test aus unklaren Gründen vorab, seine Antworten werden in immergleichen Einspielern angeliefert, in denen man ihn, von sinnlos vielen Leuchten bestrahlt, in einer angeschrappten Halle sitzen sieht, halb Denklabor, halb Kidnappingopfer-Aufbewahrungsschuppen.
Oft, zu oft hört man darin das Jauchnachdenkgeräusch "oh, oh, oh, oh", sein Hadern und Zaudern, und man hätte diese wirklich viel zu lange Show bedeutend zügiger abwickeln können, hätte der Resident Hirnforscher Korte die Fragen gestellt und Jauch live zusammen mit seinen Mitkandidatinnen geantwortet.
Womöglich hätte das die nervige, unangenehm anzuschauende Binnendynamik der drei Frauen etwas entzerrt. Ilka Bessin nämlich spielt die lustige Doofe, die fast jede gestellte Frage erst einmal mit einem "Ich weiß es nicht, Leute" kommentiert. Alice Schwarzer wirkt, man kann es nicht anders sagen, heillos überfordert von quasi allem, von den Fragen, von der Zeitbeschränkung, vom Touchscreen, und macht in der ersten Showhälfte keinen einzigen Punkt.
Jauchs Ergebnis? Ziemlich durchschnittlich
Zu Beginn hatte sie bereits angemerkt, Mitkandidatin Zietlow sei ja keine "normale Frau", sondern Pilotin, daraus entwickelt sich im Lauf der Sendung ein unterschwelliges Schlaushaming: Oft ist Zietlow die Einzige in der Runde - Jauch eingeschlossen - die eine Aufgabe richtig lösen kann, natüüürlich, stöhnen die beiden anderen Frauen und bringen Zietlow in die extrem verzwickte Lage, die eigene Leistung höflichkeitshalber herunterspielen zu müssen.
"Sie hätten jetzt wohl auch lieber drei Männer in der Sendung gehabt", sagt dann noch Ilka Bessin, es wird sich wohl nie ändern, und dann noch den hinterher: "Frauen können Multitasking: Sie können kochen und gleichzeitig ihrem Mann sagen, was er zu tun hat."
Warum ist es immer noch so unvorstellbar, dass man Günther Jauch in einer solchen Show drei Kandidatinnen gegenüberstellt, die sich und die Aufgabe tatsächlich ernst nehmen, ohne sich selbst absichtlich oder unfreiwillig klein zu machen?
Der humoristische Höhepunkt ist schließlich erreicht, als Ilka Bessin sich in der Raterunde "Sprache" vertippt und statt des gesuchten Wortes "Rabe" "arte" eingibt, es ist ein großes Hallo, als dieses Wort nun vorne auf ihrem Ratepult prangt. "Ich bin Dagobert", kräht dann noch Alice Schwarzer, als es bei einem Logikrätsel die Verwandtschaftsverhältnisse im britischen Königshaus und in Entenhausen aufzudröseln gilt, es ist abermals die falsche Antwort.
Am Ende siegt Sonja Zietlow mit großem Abstand und ist damit offiziell schlauer als 98 Prozent der Deutschen, Ilka Bessin übertrumpft 77 Prozent. Günther Jauch ist mit 49 Prozent minimal unschlauer als der Durchschnitt, Alice Schwarzer kommt auf 15 Prozent. Man selbst hatte das Mitprotokollieren der eigenen Ergebnisse irgendwann auf halber Strecke aufgegeben - die Lappen schmerzten einfach zu sehr.