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Flüchtlings-Talk bei Jauch: "Schaffen wir's?"

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Flüchtlingstalk bei Jauch Grönemeyer und die "verbale Brandstiftung"

Schaffen wir's? Oder schaffen wir's nicht? Günther Jauchs Talkshowgäste diskutierten über die deutsche Flüchtlingspolitik. Das Duo Grönemeyer/Yogeshwar verbreitete Optimismus. Und Peter Altmaier verblüffte den Moderator. Der Schnellcheck.

Heimat: Das schöne, große, schwierige Wort ist der Titel der ARD-Themenwoche. Günther Jauchs Talkshow unter dem Motto "Flüchtlingsrepublik Deutschland - wo liegen unsere Grenzen?" war als Auftakt angekündigt. Somit hätte sich im Jahr 25 nach der Wiedervereinigung Gelegenheit bieten können, den Zustand der "Flüchtlingsrepublik" einmal mit besonderer Tiefenschärfe auszuleuchten. Doch wer dergleichen erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Stattdessen ging es in mittlerweile üblicher Manier um die zigfach gestellte Frage, ob "wir" es schaffen oder vielleicht leider doch nicht.

Regierungs-PR: Wer den Kanzleramtsminister Peter Altmaier in eine Talkshow einlädt, weiß normalerweise, was er bekommt: jede Menge Beteuerungen, dass die Regierung dabei ist, die Probleme zu lösen - und zwar in großer Eintracht. Aber nicht immer werden die Grenzen der Glaubwürdigkeit dabei derart gedehnt wie an diesem Abend. Der CDU-Mann sprach allen Ernstes von "Nuancen", in denen sich die Positionen Horst Seehofers von denen der Kanzlerin unterschieden. Da musste sogar ein ziemlich verblüffter Günther Jauch noch mal nachhaken. Immerhin gab es von Altmaier auch die ziemlich überzeugend klingende Zusicherung, das Asylrecht bleibe unangetastet.

Klartext: Den lieferte mit ein paar sparsam gesetzten, aber kräftigen Akkorden Heimatwoche-Pate Herbert Grönemeyer, indem er zunächst mal klar machte, es sei die Gesellschaft gewesen, die sich "erwachsen verhalten" und der Politik gezeigt habe, wo es langgehe. Dann nahm er sich den Chef-Harmoniker Altmaier und das Thema Nuancen vor: Was Seehofer betreibe, indem er die Politik der Kanzlerin "planlos" nenne, sei in Wahrheit "verbale Brandstiftung" mit dem Ziel, im rechten Lager zu fischen.

Zur Flüchtlingspolitik seiner Wahlheimat England fiel dem Sänger nur das Attribut "zynisch" ein. Und in Deutschland dürfe jetzt ruhig mal über eine flüchtlingspolitische Sondersteuer für die Reichen nachgedacht werden. Vergeblich versuchte Jauch, ihn mit dem verbreiteten Vorbehalt zu konfrontieren, Privilegierte wie er hätten schließlich gut reden, wenn sie sich engagierten. Auch das sei letztlich zynisch.

Alltag 1: Michaela Vogelreuther, Leiterin des Sozialamts Fürth, hat bereits vor einem Jahr in einer Jauch-Runde gesessen. Das, was sie jetzt über ihre Arbeit zu berichten hatte ("immer nur Notlösungen"), ließ nicht unbedingt den Schluss zu, dass es um politische Weitsicht, Bürokratie und Organisationsvermögen im Land inzwischen besser bestellt ist. Der Kanzlerin musste sie leider sagen, sie sei "ein bisschen erschrocken" gewesen über deren "Wir schaffen das"-Parole.

Alltag 2: Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar ist in Hennef ehrenamtlich engagiert, was ihn nach einem Loblied auf die "großartige" Kanzlerin ("Ich bin stolz auf sie") zu einem weiteren Stolz-Bekenntnis veranlasste, nämlich auf seine Stadt mit ihrem großen bürgerlichen Engagement. "Die wahre Stärke ist bei den Bürgern."

Schwarzmalerei: In Dresden leben bekanntlich ganz speziell besorgte Bürger, und für die hat der Politologe Werner Patzelt, auch in Diensten der Landeszentrale für politische Bildung, immer wieder gern ein besonders offenes Ohr bewiesen. Bei Jauch ließ er es sich nicht nehmen, endlich mal auch für den Rest der Republik, in der ja ohnehin jeder Zweite bereits Angst vor Flüchtlingen hat, ein richtig bedrohliches Szenario zu entwerfen.

Eine Million in einem Jahr, das möge gerade noch angehen. Aber was, wenn es immer noch mehr würden? Und wenn die sich dann über schlechte Unterbringung beschwerten und untereinander in Konflikte gerieten? Im Kern lief das professorale Raunen darauf hinaus, "die Wirklichkeit" werde erweisen, wo die Grenzen der Zuwanderung lägen.

Optimismus: Den zu verbreiten blieb in erster Linie dem Duo Yogeshwar/Grönemeyer vorbehalten, auch wenn das nicht immer ganz ohne leisen Allgemeinplatz-Verdacht abging. "Mensch"-Sänger Grönemeyer ("Es sind Menschen") fand, dass "wir alle lernen, Erfahrungen machen", während Wissenschaftsexperte Yogeshwar ("Wir müssen unsere Haltung ändern, die Chancen sehen") für Pragmatismus warb und dabei auch praktische Fortschrittsmöglichkeiten durch gezielte Nutzung des Internets ausgemacht hat.

Politische Kultur: Zu der gehört es laut Altmaier, wenn unionsintern dann eben doch mal diskutiert werden muss, wie er irgendwann einräumte. Grönemeyers Kommentar hierzu mit Blick auf Seehofer: "Der hat sie nicht" - womit genau jene politische Kultur gemeint war.

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