"Hart aber fair"-Talk Hoffnung auf eine zweite Staffel "Brexit"

Frank Plasberg fragte: "Sorry, liebe Briten: Wer nimmt euch jetzt noch ernst?" Seine Gäste suchten geschlossen nach einem gedeihlichen Ausweg aus der ernsten Lage - nur einer tanzte aus der Reihe.
Moderator Plasberg (r.) mit seinen Gästen: "Sorry, liebe Briten": Wer nimmt euch jetzt noch ernst?"

Moderator Plasberg (r.) mit seinen Gästen: "Sorry, liebe Briten": Wer nimmt euch jetzt noch ernst?"

Foto: WDR/ Oliver Ziebe

Wäre "Brexit" eine Serie auf Netflix, dann wäre das Finale am kommenden Freitag noch völlig offen. Deal? No Deal? Weicher oder harter Austritt? Gar eine Kehrtwende in letzter Minute? So sehr das Gezerre in London nerven mag, so offen - und so spannend - ist das Ende. Nicht nur für Zuschauer in Großbritannien.

Sondern auch für Menschen wie Petra Braun, die in London eine Bäckerei betreibt und nun bei "Hart aber fair" zu Gast war. Moderator Frank Plasberg diskutierte am Montagabend unter dem Motto "Sorry, liebe Briten: Wer nimmt euch jetzt noch ernst?" Braun sagte im TV-Studio, sie sehe ihr Unternehmen "an der Abbruchkante", weil sie Waren aus der EU importiert, in Euro einkauft und in Pfund verkauft - und schon jetzt die Verteuerungen an die Kundschaft weitergeben müsse.

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Sie tut dies stellvertretend für einen großen Teil von Beschäftigten in der Wirtschaft, von den walisischen Fischern bis zur Automobilbranche, denen erst allmählich klar geworden zu sein scheint, welche Folgen ein Ausscheiden aus dem Binnenmarkt bereits im Vorfeld hat. Unbedingt zu vermeiden sei ein "No Deal", schon im Interesse selbst jener Menschen, die noch vor drei Jahren für den Brexit gestimmt haben.

Das sieht Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos, naturgemäß ähnlich. Die Leidtragenden seien nicht die Vorstände irgendwelcher Unternehmen. Ihm selbst ist gleichgültig, "was jetzt mit Theresa May und der Tory-Partei los ist". Es seien Konservative, die "uns Linken" sonst immer erklären: "Erst das Land, dann die Partei!" Daran sollten sie sich nun einmal erinnern.

Die zarte Lanze, die Kühnert dem Labour-Chef Jeremy Corbyn winden möchte, wird ihm sogleich wieder aus der Hand genommen. Erstens scheint Corbyn überzeugter vom Brexit als Theresa May. Und der Politologie Anthony Glees nennt ihn einen "DDR"-Linken, also einen Hardliner. Wenn das Land gespalten ist, dann quer durch alle Parteien - so sehr, dass die politische Landschaft inzwischen zwei Phantomparteien kennt, "Brexiteers" und "Remainers".

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In diesem Sinne wünscht auch Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der CDU, Großbritannien bekäme mehr Zeit. Andernfalls "würde das Chaos auf eine neue Stufe gehoben werden". Im gegenwärtigen Zustand hätten wir es mit einem Land zu tun, "das sich in seine schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg verrannt hat".

Glees schlägt vor, Großbritannien solle, was es auch will, im gemeinsamen Binnenmarkt bleiben - sich aber für eine Weile aus den politischen Institutionen zurückziehen. Gerade so, wie General de Gaulle "es damals mit der Nato gemacht hat".

Dem widerspricht Nikolaus Doll, Wirtschaftsjournalist bei der "Welt": "Wer nicht unbedingt dabei sein will, der möge gehen." Doll sieht kein Chaos kommen und meint, Europa habe genug andere Probleme, als sich täglich neu mit den aktuellen Losungen im britischen Parlament zu beschäftigen.

Video: Lockere Brexit-Botschaft - Theresa May auf der Couch

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Glees kontert: "Aber das ist Demokratie!" Falsche Entscheidungen würden periodisch korrigiert. So sieht das auch Norbert Röttgen und macht - zum Ärger von Nikolaus Doll - eine interessante Rechnung auf. Das Referendum sei eine "rechtlich nicht bindende Befragung" gewesen und ein Ergebnis von 48 zu 52 wäre nicht mathematisch, "aber politisch halbe-halbe".

Mehrheit ist Mehrheit, donnert Doll und gibt zu bedenken, dass sich auch durch eine Verlängerung nichts ändern würde: "Sie wollten kein Schengen, sie wollten keine Eurozone, sie wollten ihr money back, sie werden keine überzeugten Europäer, nie und nimmer!", schimpft er, bis Plasberg einschreitet: "Herr Doll, Herr Doll!", und darauf Doll: "Bin ich jetzt der Wüterich?"

Er ist es. Jedenfalls steuern Röttgen, Kühnert und Glees sachte auf die Möglichkeit einer zweiten Abstimmung zu. Es sei ein Referendum, kein Gottesurteil. "Das Parlament korrigiert sich permanent", erklärt Röttgen. Warum dürfe das nicht auch die Bevölkerung tun, jetzt, wo ihr die Folgen klar würden?

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Auch Petra Braun würde sich das wünschen, fürchtet aber, zunächst müsse die Spaltung des Landes überwunden werden. "Und das dauert länger als sechs Wochen", ruft Glees. Doll schüttelt finster den Kopf.

Rein rechtlich, erklärt Plasberg, könne May auch im Alleingang den Brexit abblasen, wenn sie es in buchstäblich letzter Minute mache - sodass keine Gelegenheit mehr bliebe, dagegen zu klagen. Glees glaubt nicht, dass die Premierministerin zu einem solchen Cliffhanger die nötige Fantasie hat. Aber: "Es ist in der Politik alles möglich. Wenn das nicht so wäre, dann hätte es keinen Sinn, sich für die Politik zu interessieren."

Wären also die Gäste bei "Hart aber fair" die Drehbuchautoren von "Brexit", dann dürften die Fans dieser bisweilen auch sehr unterhaltsamen Serie sogar auf eine zweite Staffel hoffen.

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