"Hart aber fair" zum Virus Das Corona-Wunder fällt in diesem Jahr leider aus

Weniger Erklärungen, mehr Politik: Dafür gab es in der "Hart aber fair"-Runde zu Corona eine klare Ansage: Das Ganze kann noch bis 2022 so weitergehen. Nur die Planung dafür fehlt.
Moderator Frank Plasberg (Archivbild): Eine langfristige Strategie muss her

Moderator Frank Plasberg (Archivbild): Eine langfristige Strategie muss her

Foto: Horst Galuschka/ dpa

Wahrscheinlich war es die Sendung, die das Land verdient hat, an Tag eins der "neuen Normalität", wie Finanzminister Olaf Scholz die nun beginnende Phase vor ein paar Tagen nannte.

Jedenfalls dürften jene, die sich tags in die Fußgängerzonen gestürzt hatten, geschluckt haben. Und selbst wie sich Angela Merkel "Öffnungsdiskussionsorgien" verbeten hat, wirkte nach dieser "hart aber fair"-Runde geradezu unpassend beruhigend.

So schlimm?

Joa. Sendungstitel war "Freiheit nur in kleinen Schritten: Wie schädlich ist die Dauer-Quarantäne?" Das bedeutet im Umkehrschluss: Was fehlt, ist ein Plan für die Langstrecke. Ein Plan dafür, jetzt vorzusorgen, damit wir alle auch einen Marathon überstehen. Lassen wir doch mit dem SPD-Gesundheitsexperten und Arzt Karl Lauterbach die Luft aus der Entspannungsbereitschaft: "Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir erst 2021 oder 2022 zu einer Normalität zurückkehren." Selbst Frank Plasberg schnappte nach Luft. "Wir hoffen immer noch, dass wir durch eine Wunderheilung das Ding bis Ende des Jahres lösen können. Ich kenne in der Szene keinen Virologen, der glaubt, dass wir in diesem Jahr eine Impfung bekommen." Heißt eben: Die ganze Chose muss anders vorbereitet werden.

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War also nicht nur das derzeit übliche Erklärformat

In der Tat wurde es für diese Wochen ungewohnt politisch. Hätte man kaum vermutet nach Plasbergs Entscheidung, die ersten 15 Minuten mit der Frage "Bundesliga-Geisterspiele: ja oder nein" zu verplempern. Aber hey, klar: "Man muss sportbegeisterten Menschen die Möglichkeit geben, sich zu vergnügen", findet Tobias Hans (CDU.) Eine "irritierende Priorisierung" kommentierte SZ-Redakteurin Barbara Vorsamer knapp.

Dass es fast "wie früher" politisch wurde, lag auch an der Besetzung: Der, dem Lauterbach mit seinen Szenarien am deutlichsten widersprach, war der saarländische Ministerpräsident Hans. Der sagte, man müsse abwägen, weil: "Wir können die Leute doch nicht bis 2022 einsperren." Sage doch keiner, so Lauterbach, sondern, dass es einen Unterschied mache, mit einer Langzeitperspektive jetzt schon andere Konzepte aufzustellen. Dazu der umsichtige Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ("Wie wäre es, wenn wir den Konjunktiv verlassen?"), und Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts: "Es ist ganz wichtig, dass wir uns darauf einstellen. Und nicht sagen, wir fahren auf Sicht und in zwei Wochen ist das vorbei."

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Um welche Langzeitpläne ging’s denn nun?

Zunächst mal um eine Strategie für die Schulen und die Kitas. Damit rückte bei Plasberg endlich jenes Thema in den Fokus, das in der Empfehlung der Leopoldina und den Regierungsplänen in den vergangenen Tagen quasi eine Leerstelle war. Eine auffällige Leerstelle, wie Barbara Vorsamer zu Recht betonte. Nach dem Motto: Familie, Kinder, null systemrelevant, "Mutti wird’s schon richten". Dazu passend war auffällig, dass nur sie bittschön erklären sollte, wie sie das denn nun zu Hause mache, mit zwei Kindern und Vollzeit-Homeoffice und Beschulung. Andererseits hätte wohl keiner der Herren diese Antwort gegeben: Sie und ihr Mann wechselten sich ab. Aber: "Wir arbeiten beide von morgens um 6 bis 21 Uhr. Der eine erwerbsarbeitend, der andere carearbeitend." Apropos, Tobias Hans hat einjährige Zwillinge - wie deichselt der Ministerpräsident denn seinen Anteil an der Sorgearbeit?

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Hallo, nicht abschweifen! Kitas, Homeschooling Langzeitplan?

Spielplätze sind Virenschleudern, besser: Kitas. Aufgrund der Notbetreuung in den Kitas "konnten wir Erfahrungen sammeln", so Schneider. Auch Vorsamer bedauerte, dass die Diskussion auf "auf" oder "zu" zulaufe. Andererseits könnten Kinder Superspreader sein, so Lauterbach. Solange es weltweit keine einzige Studie dazu gebe, ob Kinder auch ihre Eltern ansteckten, gelte: "Wir können es nicht sicher ausschließen, deswegen müssen wir es für möglich halten." Deswegen brauche es auch einen Beschulungsplan, man könne den Job nicht auf den Eltern abladen, so Hans – mehrstimmig im Off: "Das tun wir aber!" Für Hans ist die Sache mit den digitalen Lehrplattformen überfällig: "Wir können viel machen, man muss es nur tun."

Klingt, als wolle er Familien unterstützen

Betonung: klingt. Denn Hans sagte auch: "Mir ist eine Familie genauso wichtig wie Kleinstunternehmen, aber trotzdem muss man akzeptieren, dass manche Dinge prioritär behandelt werden." Man könne doch nicht "jeden Tag etwas Neues in die Welt setzen", gerade erst gab es doch Milliarden für Unternehmen. Das war seine Reaktion auf Vorsamers Plädayer für ein "Corona-Kindergeld": "wie Kurzarbeitergeld, mit Kündigungsschutz". Auch Ifo-Chef Fuest findet die Idee "gerechtfertigt": Das Infektionsschutzgesetz gebe den Entschädigungsanspruch her, man könne nicht sagen: "Herrgott noch mal, die Familien sollen das schon lösen mit dem Homeoffice." Für Hans wäre das nur ein "Anreiz, die Leute zu lange von der Arbeit fernzuhalten".

Und dann noch zu Junjie Shi-Gottschalk.

Sie zeigte in einem Video, wie man Mund-Nasen-Schutz richtig aufsetzt. Wie schon für die "Stuttgarter Zeitung ", dort ist ihr Mann Redakteur. Er schrieb: "Es ist in diesen Tagen nicht angenehm, eine hüstelnde Chinesin zu sein ." In Zeiten von Corona-Rassismus hätte "Hart aber fair" dieses mögliche Framing nicht noch befeuern müssen.

Hier noch die aktuelle Strichliste:

Seit dem 9. März gab es nur Corona-Polittalks, vier bis fünf pro Woche. Im Sinne des Marathons: einer davon für was anderes. Etwa über 47 Kinder oder die Europäische Menschenrechtskonvention.

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