
"Hart aber fair": Experiment gescheitert
Neuauflage des Gender-Talks bei "Hart aber fair" Um Argumente ging es auch diesmal nicht
Lustig wäre es gewesen, wenn alle Beteiligten noch einmal exakt das Gleiche gesagt hätten wie in der ersten Sendung zum Thema ("Nieder mit dem Ampelmännchen - Deutschland im Geschlechterwahn?"). Angeblich sollte es diesmal, nach zahlreichen Beanstandungen der Qualität der Sendung vom März, mehr um Geschlechtergerechtigkeit gehen und weniger um Anton Hofreiters vermeintlich weibischen Hang zu Pralinen.
Leider bemühte sich WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn gleich zu Beginn höchstpersönlich darum, das Debakel um die fragwürdige Löschung und anschließende Wiedereinstellung des Hinspiels aus der Mediathek zu einem Triumph der Pressefreiheit umzudeuten. Womit "Hart aber fair" die ersten 20 Minuten auf dem völlig falschen Gleis um sich selbst im Kreis fuhr, anstatt zur Sache zu kommen.
Dabei waren alle Kontrahentinnen und Kontrahenten wieder an Bord. Im Namen der Gegner allzu geschwinder Gleichmacherei stiegen erneut die konservative Publizistin Birgit Kelle und der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki - diesmal noch provokanter mit wölfischem Dreitagebart - in den Ring. Im Lager der Befürworter einer beschleunigten Verbesserung der Welt standen einmal mehr die Bloggerin und Aktivistin Anne "Aufschrei" Wizorek und Anton Hofreiter.
Hofreiters erfrischende Bräsigkeit
Während die Konservativen mit Sophia Thomalla ihre Ersatzspielerin beibehielten, trat das progressive Team deutlich verstärkt auf - durch Sybille Mattfeldt-Kloth vom Landesfrauenrat Niedersachen. Die Eingewechselte repräsentierte nicht nur Interessengruppen wie Frauenverbände und Gleichstellungsbeauftrage, die mit ihren Programmbeschwerden die erste Sendung aus dem digitalen Archiv gekegelt hatten. Sie war auch von ihrer angriffslustigen Rechtschaffenheit so beschwipst, dass sie immer mal wieder über Details stolperte und damit den Ball vertändelte. Im Grundgesetz steht eben nicht, Frauen und Männer seien "gleich", sondern "gleichberechtigt".
Ein Kubicki merkt sowas, und eine Kelle lässt sich davon zu ihren gewohnten Keilereien hinreißen: "Frauen wie Sie sind schuld daran, dass das mit der Frauenbewegung nie was wird!" Mattfeldt-Kloth prompt: "Ach was!" In solch aufgeheizter Atmosphäre wirkte sogar Hofreiters übliche Bräsigkeit erfrischend. Er war der Einzige an diesem Abend, der ständig etwas "mal nüchtern anschauen" wollte.
Auch machte Hofreiter sich wiederholt die Mühe, Leuten den Unterschied zwischen Gender-Studien und Gender-Mainstreaming zu erklären, die von diesem Unterschied nichts wissen wollen. Leider schien er selbst den damit verbundenen Mühen nicht gewachsen. Wenn "eine Frau Bundeskanzler wird", ist das dann tatsächlich auf das "kritische Hinterfragen von Konventionen" sozial konstruierter Geschlechtlichkeit zurückzuführen? Auch Fortschritte wie hellere Parkhäuser oder spezielle Kniegelenke für Frauen stellte Hofreiter generös der Genderforschung in Rechnung, nicht etwa der Psychologie oder der Orthopädie - worauf Kelle auftrumpfte, Frauen hätten mitnichten ein "soziales Knie", sondern ein weibliches.
Die Konservativen argumentierten für einen radikalen Feminismus
Immerhin überraschte Thomalla mit der Erkenntnis, dass es wirklich so etwas gibt wie einen Einkommensunterschied zwischen Mann und Frau. Überhaupt kamen, je länger man zuhörte und sofern man das im Stimmengewirr überhaupt unterscheiden konnte, aus dem Lager der Konservativen die zwingenderen Argumente für einen radikalen Feminismus. Vor allem von Kelle, die sich durch soziologische Forschungen persönlich angegriffen fühlt, so generell als Frau und speziell als mehrfache Mutter. Es wäre nicht weiter aufgefallen, hätte sie auf dem Tisch hübsch gerahmte Fotos ihrer Kinder aufgestellt.
Um Argumente freilich ging es auch diesmal nicht, sonst hätte man Anne Wizorek wenigstens einmal ausreden lassen können. Ebenso wenig ging es um Phänomene, die in Ermangelung deutscher Begriffe dafür neuerdings "hate speech" oder "harassment" genannt werden müssen. Sonst wäre Frank Plasberg in einen feurigen Monolog von Mattfeldt-Kloth wohl kaum mit der charmanten Frage hineingegrätscht: "Flirten Sie etwa mit mir? Ich habe blaue Augen!"
Ansonsten machte Plasberg den fahrigen Eindruck eines Schülers, der auf Anweisung des Fernsehdirektors eine Klassenarbeit wiederholen muss - und doch weiß, dass seine Versetzung nicht gefährdet ist. Mehrfach streute er Asche auf sein Haupt, bedauerte "redaktionelle Fehler von uns", zitierte aber am Ende doch noch aus der alten Sendung, denn "da war nämlich nicht alles schlecht". Das erzwungene Nachspiel verkaufte er schließlich als "ungewöhnliches Fernsehexperiment".
Da die Sendung das wichtige Thema wieder um mindestens sechs Monate zurückgeworfen und auch seinem lädierten Renommee nicht wirklich geholfen hat, muss das Experiment als gescheitert gelten. Anlass genug für eine dritte Runde und immer so weiter, bis endlich alle zufrieden sind.