"Hart aber fair" zum Islam Sendung mit Denkfehler

Kann man den Islam ausgrenzen und gleichzeitig Muslime integrieren? Das wollte Frank Plasberg wissen. Nach viel Krawall kamen seine Gäste zu dem Schluss: Die Fragestellung ist zu unpräzise.
Von Klaus Raab
ARD "Hart aber fair" am 09.04.2018

ARD "Hart aber fair" am 09.04.2018

Foto: WDR/Dirk Borm

Als Brigitte Büscher bei "Hart aber fair" an die Reihe kommt, um wie jede Woche Social-Media-Kommentare zum Sendungsthema zu präsentieren, wird es fast ein wenig lustig. "Die Meinungen liegen heute echt weit auseinander", sagt sie, und als Zuschauer sitzt man zu Hause auf der Couch und denkt: Ja, ach was. Wer Grautöne erwartet, darf keine polarisierende Debatte weiterspinnen.

"Islam ausgrenzen, Muslime integrieren - kann das funktionieren?" lautet das Thema der Sendung, und die verlässlich Aufwallungen hervorrufende Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre, steht auch noch im Untertitel. Horst Seehofer hat das kürzlich verneint, und Moderator Frank Plasberg interpretiert gleich zu Beginn, warum der Innenminister das getan haben könnte: "Wenn man 'Deutschland' und 'Islam' in einem Satz unterbringt, ist einem die öffentliche Aufmerksamkeit sicher." Ein Schelm, wer den Satz auf "Hart aber fair" münzt.

Die Sendung hat dann ihre Momente, aber unter dem Strich ist sie mit Brigitte Büschers Satz ordentlich zusammengefasst: Die Meinungen liegen sehr weit auseinander. Was in einer Talkshow naturgemäß mit den Gästen zusammenhängt.

Vor allem Enissa Amani, Schauspielerin und Comedian, agiert vulkanartig und bedenkt besonders den Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad, dem der Ruf des Islamkritikers vorauseilt, mit Geringschätzung. Ob er seinen Gedanken zu Ende führen dürfe, fragt er, und sie antwortet: Er habe "den falschen Gedanken."

Er, später: "Lesen Sie erst mal mein Buch!"
Sie: "Ich lese Ihr Buch ganz bestimmt nicht."

Kann man machen, ist aber halt eher Krawall. Denn ob man seine Thesen teilt oder nicht: Dass er nicht satisfaktionsfähig wäre, kann man kaum behaupten.

Zum Herumeiern ist der CSU-Politiker mit dem sehr deutschen Namen Joachim Herrmann eingeladen. Auch ihm kann man nicht vorwerfen, er habe keine empirischen Befunde auf dem Schirm, aber als Fachmann für geradlinige Argumentation fällt er in dieser Sendung nicht wirklich auf.

Erst sagt er, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, weil die Verfasstheit Deutschlands und Europas "auf den Traditionen des alten Athen, des alten Rom, des Judentums, des Christentums, des Humanismus, der Aufklärung fußt", während der Islam dazu "keinen Beitrag" geleistet habe.

Später, nachdem ihm der arabische Beitrag zur Aristoteles-Übersetzung und die Reconquista in Spanien vorgerechnet worden sind, argumentiert er: Ja, Gottchen, aber wir sind im 21. Jahrhundert.

Es gibt "die Muslime" nicht

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Hart aber fair: Sendung mit Denkfehler

Foto: WDR/ Dirk Borm

Die islamische Theologin und Streetworkerin Du'A Zeitun ist es, die den Gedanken einbringt, dass man nicht davon ausgehen sollte, dass Einstellungen unveränderlich seien. In Deutschland geborene und sozialisierte Muslime der zweiten, dritten Generation seien anders geprägt als die der ersten. Und der Islam sei für sie nur eine Facette des Lebens. In dieser Einlassung steckt kein exklusiver, aber der wichtigste Gedanke der Diskussion: Es gibt "die Muslime" nicht.

Das sagt auch Hamed Abdel-Samad: Der Denkfehler stecke schon im Titel der Sendung. Muslime seien nicht nur über den Islam integrierbar, sie seien "kein Block, sondern einzelne Menschen mit Rechten und Pflichten".

Und das sagt auch der Grüne Cem Özdemir, der milde lächelnd eine fast präsidiale ausgleichende Rolle übernimmt: Er stimme Horst Seehofer nicht zu, sagt er, aber nur Falsches habe er auch nicht gesagt. Er habe es nicht zu kommentieren, wenn jemand aus freien Stücken ein Kopftuch trage, aber wenn eine Lehrerin mit Kopftuch seiner Tochter sagen würde, dass Miniröcke unangemessen seien, hätte er damit eben doch ein Problem.

Dass islamistische Anschläge nichts mit dem Islam zu tun hätten, sei "ein bisschen unterkomplex", Fanatismus sei aber kein Privileg des Islam. Einmal wird er sehr deutlich: Als es um die Frage geht, ob Kinder schon Kopftuch tragen sollten. Das Tuch weise Kinder als Sexualobjekte aus, und wer der Meinung sei, dass Männer Kinder so sehen würden, solle lieber die Männer behandeln.

Präzision würde nicht schaden

Ihren Höhepunkt, allerdings eher als Unterhaltungsshow, erreicht die Sendung, als Hamed Abdel-Samad, während Enissa Amani spricht, vier Mal in Folge "Opferrolle" sagt wie eine hängende Schallplatte. Da haben sich zwei gefunden: Sie betont die positiven Beispiele, er Radikalisierungstendenzen und Integrationsprobleme, was dazu führt, dass er ihr einmal vorwirft, die Muslime "in Sippenhaft" zu nehmen: Sie würde eine ganze Gruppe kollektiv in Schutz nehmen.

Was einerseits etwas Perfides hat: Dass Muslime in Deutschland nicht mit kollektiver Bevorzugung gesegnet sind, weiß er ja auch. Womit er andererseits aber seine gegenüber SPIEGEL ONLINE geäußerte These untermauert, in der gesamtgesellschaftlichen Debatte würden sich "einfache Weltbilder" zeigen.

Holzschnittartig nennt auch Cem Özdemir die deutsche Diskussion über "den Islam" und bekundet, dass ein wenig Präzision nicht schaden würde. Immerhin: Das ist doch schon eine Art Erkenntnis für die nächste Islamdebatte, die kommen wird.

Was aber Frank Plasbergs Frage betrifft: "Die Debatte trifft einen Nerv, aber ist jeder Debattenbeitrag auch hilfreich?" Dies kann man ausnahmsweise ganz pauschal verneinen.

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