
"Hart aber fair": Wie schützen wir "unsere" Werte?
"Hart aber fair" zum Pariser Terror "Wir haben ja auch Regeln dagegen, nackt herumzulaufen"
Zur Sendung: Terroristen haben in Paris mindestens 132 Menschen getötet, die Attacken waren auch ein Angriff auf westliche Werte. (Lesen Sie hier Hintergründe zu den Attentätern, finden Sie hier eine nachrichtliche Zusammenfassung der Geschehnisse.) Bei "Hart aber fair" wurde am Montagabend über das Thema diskutiert, Titel der Sendung: "Terror gegen die Freiheit - wie verteidigen wir unsere Werte?"
Es war nicht ganz leicht, den Terror in Paris von der deutschen Flüchtlingspolitik zu trennen. Es war auch nicht von allen Teilnehmern der Runde beabsichtigt.
Ilse Aigner, stellvertretende Ministerpräsidentin von Bayern, hat unlängst "Parteivorstand gehabt", und da seien sich alle CSU-Granden einig gewesen: "Es geht um eine saubere Trennung." Anders als ihr Kollege Markus Söder, der mit einem Holzhammer-Tweet (#ParisAttacks ändert alles) durchaus den Terror und die Flucht vor dem Terror zusammendachte, trennt Aigner behutsamer.
Gleich eingangs fordert sie Respekt vor den Opfern und deren Angehörigen. Deshalb habe sie sich erlaubt, "die französischen Nationalfarben zu tragen", sagt sie und nestelt an ihrem Halstuch herum. Erst ihr nächster Satz gilt der Sorge, Terroristen könnten die Situation der "offenen Grenzen" ausnutzen, weil "wir an den Grenzen nicht Kontrollen durchführen, wie wir uns das wünschen würden".
Hausgemachter Terror
Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan (SPD) hält dagegen, es sei eine "kindliche Vorstellung", aus einer Sicherung der Grenzen ein sichereres Gefühl für den nächsten Spaziergang über einen Weihnachtsmarkt ableiten zu wollen. Der Terror sei hausgemacht.
Dem setzt Plasberg entgegen, dass mindestens einer der Attentäter womöglich mit einem gefälschten syrischen Pass über Griechenland eingereist ist und sein Weg durch eine ganze Reihe anderer EU-Staaten nach Paris nachvollzogen werden konnte. Schwan hält das für Spekulation. Der Sicherheitsexperte Markus Kaim gibt zu bedenken, dass der Weg dieses ominösen Ausweises beim europäischen "Grenzmanagement" wenigstens registriert wurde. Mehr Sorge sollten uns jene bereiten, von denen die Behörden so gar keine Notiz nähmen.
"Zäsur in unserer Migrationsdebatte"
Wolfgang Huber plädiert als protestantischer Theologe dafür, "Sicherheit nicht zu einem nationalen Besitz zu machen". Ein Recht darauf hätten auch bedrohte Menschen jenseits unserer Grenzen, ob die nun offen seien oder nicht. Allerdings leuchtet ihm ein, dass "die Registrierung der Flüchtlinge verbessert werden" müsse, "auch in ihrem eigenen Interesse".
Publizist Wolfram Weimer sieht in Paris eine "Zäsur in unserer Migrationsdebatte", in der sich viele Menschen ohnehin daran störten, dass geltendes Recht von der Kanzlerin "handstreichartig außer Kraft gesetzt" worden sei. Die Unsicherheit sei größer, die "naive Willkommenskultur" an ihrem Ende angelangt. Nun werde aus einer "Wir schaffen das"-Rhetorik allmählich eine "Wir schützen das"-Rhetorik.
Angela Merkel, so Weimer, fände langsam "den Weg zurück in die Legalität". Im Übrigen fordert er, "unsere Werte" beispielsweise durch eine harte Diplomatie gegen Staaten wie Saudi-Arabien zu schützen.
"Ist das nicht ein bisschen billig?"
Plasberg greift das Stichwort gerne auf und will von Aigner wissen, wie sie zu Waffenlieferungen an Riad steht. Sie ist auch bayerische Wirtschaftsministerin.
"Wenn da geliefert wird", sagt Aigner, "dann gab es vorher schon Verträge", dann sei das sicher schon geprüft und geordnet. Plasberg baff: "Ist das nicht ein bisschen billig?" Aigner bockig: "Nein, das ist nicht billig!" Es ist an Gesine Schwan, darauf hinzuweisen, dass Waffen und ihre Lieferung "eine wichtige Wurzel dafür" seien, "dass dort der Krieg weitergehen kann".
Von "Krieg" mag in der Runde niemand so gerne sprechen, da dürfe man sich nichts aufzwingen lassen, auch wenn selbst der Kirchenmann nach innerem Ringen einräumt, möglicherweise sei den Terroristen "nur mit Gewalt" beizukommen. Dem pflichten Aigner, Weimer und Kaim unisono bei - Letzterer mit der Einschränkung, westliche Industrienationen würden sich auf absehbare Zeit wohl kaum mit Bodentruppen im Nahen Osten engagieren.
Allein steht in dieser Frage nur Schwan: Sie wirbt dafür, neben "notwendigen" Luftschlägen verstärkt zwischen Sunniten und Schiiten zu vermitteln. Wie ein Bürgerkrieg beendet werden könnte, der zugleich ein Stellvertreterkrieg verschiedener Regionalmächte und ein Religionskrieg ist, konnte in dieser Talkshow also nicht abschließend geklärt werden.
Diskussion ums Burka-Verbot
Immerhin war schon das Thema der Sendung ("Terror gegen die Freiheit - wie verteidigen wir unser Werte?") "vorgegeben durch das Bekennerschreiben" des "Islamischen Staates" (IS), wie Plasberg erklärte. Ob es da nicht politische Symbole brauche, damit "eine Stimmung nicht kippt"? Erst am Nachmittag sei es einer "Hart aber fair"-Fotografin gelungen, in Bad Godesberg brisante Fotos zu machen! Zu sehen sind Frauen, die Burka tragen.
"Ich frage mich, welchen Nebenkriegsschauplatz wir hier aufmachen", fragt sich Schwan, bevor sie dann doch ihre differenzierte Meinung zum Umgang mit der Burka äußert. Plasberg will darauf hinaus, dass ein Verbot der Burka möglicherweise manche Gemüter beruhigen würde.
Aigner und Schwan sehen dafür keine rechtliche Grundlage, Huber plädiert für ein "offenes Visier". Wer "Gesicht zeigen" wolle, der müsse auch sein Gesicht zeigen. Auch Weimer würde ein Verbot der Vollverschleierung begrüßen: "Wir haben ja auch Regeln dagegen, nackt herumzulaufen."
"Unsere Werte" werden nach Paris also zwar nicht kriegerisch, aber durchaus wehrhaft verteidigt werden müssen. Mit härteren Grenzkontrollen, härteren Luftschlägen und härteren Regeln für Damenoberbekleidung.