»Hart aber fair« zur Corona-Jugend »Kein Generationenkonflikt zwischen Party und Sterben«

Was macht Corona mit der Jugend? Bei »Hart aber fair« erklärten junge Leute Vizekanzler Olaf Scholz die Auswirkungen der Pandemie auf ihre Generation. Vom Feiern sprach bald keiner mehr.
Studentin Sarah-Lee Heinrich: Auch die Jungen haben Angst vor Armut

Studentin Sarah-Lee Heinrich: Auch die Jungen haben Angst vor Armut

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Oliver Ziebe / WDR

»Es geht ein bisschen langsam«, sagt Olaf Scholz nach einer Dreiviertelstunde. Gemeint waren Zuschüsse des Bundes an Schulen. Mit diesen Worten könnte man aber auch die Gesprächsdynamik der »Hart aber fair«-Folge zusammenfassen, in der er spricht. Und das ist eine gute Nachricht.

Potenzial für Kontroversen hätte es nämlich durchaus gegeben. Das Thema der Sendung lautet: »Nur einmal jung und dann im Lockdown – was macht Corona mit der Jugend?« Als in den vergangenen Monaten die Corona-Infektionszahlen wieder stiegen, gerieten junge Menschen vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit. Nicht als Betroffene, sondern als gedankenlose Feierwütige, die eine Gefahr sein können. Zwischenzeitlich gewann man in der Diskussion den Eindruck, Jugend sei keine Lebensphase, sondern der Wochenabschnitt von Freitagabend bis Montagmorgen.  

Dass Frank Plasbergs Runde nicht zum Aufreger wurde, mag auch daran liegen, dass die Debatte vor über einem Monat am hitzigsten geführt wurde. Plasberg war sozusagen late to the party. Mittlerweile hat eine Studie  ergeben, dass sich die Mehrheit junger Menschen an die Maßnahmen hält. 

Es herrscht schnell Einigkeit

Dass sich niemand echauffierte, liegt aber zuallererst daran, dass hier, neben Olaf Scholz, zur Abwechslung mal nur junge Menschen über junge Menschen sprechen. Und die wollen keine Verallgemeinerungen, sehen sich als Teil der Gesamtgesellschaft und fordern Unterstützung und Beteiligung.

Da ist zum Beispiel die 19-jährige Sarah-Lee Heinrich, Studentin und Mitglied der Grünen Jugend. Sie sagt, dass es sich gar nicht um einen Generationenkonflikt handele, sondern um einen sozialen Konflikt. Auch viele junge Menschen seien durch die Pandemie in finanzielle Not gekommen. »Die, die vorher wenig Geld verdient haben, rutschen mit einem Kurzarbeitergeld in Armut«, sagt sie.

Radiomoderator und DJ Philipp Isterewicz: »Hoffentlich sehen auch junge Leute diese Sendung«

Radiomoderator und DJ Philipp Isterewicz: »Hoffentlich sehen auch junge Leute diese Sendung«

Foto: Oliver Ziebe / WDR

Auch Ria Schröder, 28, ehemals Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen und nun im Bundesvorstand der FDP, mahnt, dass Jugend nicht zum Sündenbock werden dürfe. Viele junge Menschen seien solidarisch, machten sich Sorgen um ihre Familien und nähmen sich zurück, obwohl das schwerfalle. 

Olaf Scholz im mäßig motivierten Bewerbungsgespräch

Es herrscht also schnell Einigkeit. Frank Plasberg versucht trotzdem ab und zu ein bisschen Konflikte reinzubringen. Etwa mit einem verwackelten Video-Einspieler, bei dem man maskenlose Menschen unter einer Brücke schunkeln sieht. 

Aber da entgegnet der 24-jährige Krankenpfleger Alexander Jorde, der auf einer Intensivstation Covid-19-Patienten behandelt, souverän: Hier würden einzelne Szenen herausgepickt, um Rückschlüsse auf alle jungen Menschen zu ziehen. »Es ist immer falsch, pauschal eine Gruppe aufgrund des Alters zusammenzunehmen und zu sagen: Die sind jetzt besonders schlimm«, sagt er.

Nur der Radiomoderator Philipp Isterewicz, 28, zeigt Verständnis für die Irritation über die Feierbedürftigkeit mancher junger Menschen. »Jung sein heißt nicht dumm sein«, sagt er und mahnt, dass jeder heimlich Feiernde die Pandemie vorantreibe. Er hoffe, dass auch ein, zwei junge Leute unter den Zuschauern der Sendung seien.

Zwei junge Leute sind es dann auch, die veranschaulichen, was die Pandemie bei jungen Menschen bewirkt: nämlich Zukunftsängste. Eindringlich erzählt die Schülerin Franziska Schürken, 17, aus ihrem Schulalltag und von den Problemen in der Abi-Vorbereitung: Jede Schule sei anders betroffen und gestalte den Unterricht anders, aber alle Schüler müssten trotzdem weiterhin das gleiche Zentralabitur schreiben. Und der frisch zum Veranstaltungskaufmann ausgebildete Marcel Seidenzahl berichtet, dass er keine Stelle findet und nun als Minijobber zu putzen beginnt. Er sagt über die Einschnitte: »Es tut schon wirklich weh, man hat geplant für sein Leben. Und das wird komplett weggerissen.«

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Gesprächskultur: Daumen hoch

Der Vizekanzler und nominierte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz buhlte nicht um das Verständnis der Jungen. »Es hat jeder und jede eigene Probleme und wir alle müssen uns am Riemen reißen«, sagt er. Und das würden auch viele junge Leute tun, obwohl sie in einer Phase sind, »in der man sich außerhalb des Hausstandes trifft«. Das klingt dann doch, wie man als junger Mensch sagt, ein bisschen awkward

Ansonsten mutet Scholz gelegentlich wie in einem mäßig motivierten Bewerbungsgespräch an. Etwa wenn er auf getroffene Maßnahmen hinweist, eingesteht, dass sie nicht genügten, und beteuert, dass da noch was getan werden müsse. »Das Prinzip heißt nicht Hoffnung, das Prinzip heißt Zukunft«, prägt er dann auch gleich einen verfrühten Kandidaten für einen Wahlkampfslogan.

Was also macht, um auf die Ausgangsfrage der Sendung zurückzukommen, Corona mit der Jugend? Es macht sie zu sehr guten Talkshow-Gästen, möchte man sagen. Es herrscht eine wohltuende Diskurskultur. Differenziert geht es zu, ruhig und sachlich. Fast jeder redet aus. 

Ein bisschen Expertise in Sachen Bildung hätte man Olaf Scholz noch gewünscht. Denn als es in der Sendung um Abitur und Bafög geht, kann Scholz nicht gerade den Eindruck vermitteln, dass er im Thema ist. Klar, er ist nicht Bildungsminister. Aber wenn er sich als Kanzlerkandidat der Diskussion mit jungen Menschen stellt und von ihnen wählbar sein will, sollte sich das ändern.

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