

Bis zum Frühjahr 2011 ist der Fußballplatz der wichtigste Ort für Baset al-Sarout. Der junge Mann aus Homs ist ein kleiner Star in seinem Stadtteil. Als Fußballtorwart hat es der 19-Jährige immerhin bis in die syrische Jugendnationalmannschaft gebracht.
Als vor fast genau drei Jahren in Syrien die Menschen anfangen, gegen das Regime von Baschar al-Assad zu demonstrieren, werden die Straßen von Homs der wichtigste Ort für Baset. Er und seine Freunde organisieren Demonstrationen, zu denen immer mehr Syrer strömen.
Baset ist ein charismatischer Mann, oft klettert er während der Kundgebungen auf ein Podest und stimmt Revolutionslieder an. Darin besingt er seine Träume von einem Leben in Freiheit, einem Syrien ohne Assad. Bei seinen Auftritten wird Baset von Aktivisten begleitet, die seine Gesänge filmen. Die Videos werden bei YouTube hochgeladen, und der singende Torwart wird immer bekannter.
Diese Bilder sind der Ausgangspunkt des Dokumentarfilms "Homs - Ein zerstörter Traum", der am Dienstagabend auf Arte ausgestrahlt wird. Beim Sundance-Festival in den USA ist der Film im Januar ausgezeichnet worden. Für die Doku wurden 300 Stunden Filmmaterial zusammengeschnitten, das von dem syrischen Produzenten Orwa Nyrabia außer Landes geschmuggelt wurde.
"Die Welt sieht zu, wie einer nach dem anderen getötet wird"
Der Film zeichnet anhand von Baset und seinen Freunden die verschiedenen Etappen des Aufstands gegen Assad nach. Es fängt an mit friedlichen Demonstrationen, die das Regime brutal niederschlägt. Ein Regierungsgegner in Homs stellt sich den Sicherheitskräften entgegen, indem er einfach ein Schild mit der Losung "Friedlich, friedlich" über seinem Kopf in die Luft reckt. "Wir haben ihn in dieser Nacht verloren", lautet der lapidare Kommentar seiner Freunde.
Die Armee tötet bei einem Angriff Basets Bruder Walid und andere Angehörige. Die Oppositionellen müssen einsehen, dass sie das Regime nicht allein durch Gesänge und Demonstrationen stürzen können. Aus den friedlichen Protestlern werden bewaffnete Kämpfer, aus jungen Männern, für die Religion kaum eine Rolle spielte, werden gläubige Muslime.
Doch die Kalaschnikows sind nicht die einzigen Waffen der Aufständischen. Ständig läuft eine Kamera, die den Alltag von Baset und seinen Freunden aufzeichnet und die auch die Verbrechen der syrischen Armee dokumentiert. Die jungen Männer hoffen auf ein Eingreifen der Nato - und werden enttäuscht. "Die Welt sieht zu, wie einer nach dem anderen von uns getötet wird", sagen sie resigniert.
Nicht nur Baset und seine Kameraden verändern sich, auch Homs ist Ende 2012 kaum noch wiederzuerkennen. Ganze Stadtteile sind Ruinenlandschaften geworden, Scharfschützen des Regimes machen die Straßen unsicher. Ein normales Leben ist unmöglich geworden.
Baset selbst wird schwer verwundet. Doch schlimmer noch als die körperlichen Verletzungen ist das seelische Leid. "Gottes größtes Geschenk ist das Vergessen", sagt er einmal - und doch verrät sein Blick, dass der junge Mann vieles erlebt hat, das er niemals wird vergessen können.
Der Film endet im Juli 2013 als Baset, nachdem er seine Beinverletzung in einem Dorf außerhalb der Stadt auskuriert hat, wieder ins belagerte Homs zurückkehrt. Die letzte YouTube-Aufnahme des Protagonisten stammt vom 18. Februar dieses Jahres. Baset steht inmitten einer Gruppe von Kämpfern in Homs. Er singt.
"Homs - Ein zerstörter Traum", Dienstag, 20.15 Uhr, Arte
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Baset al-Sarout während einer Demonstration im Herbst 2011. Er singt während der Kundgebungen, seine Lieder handeln von einem Leben in Freiheit, einem Syrien ohne Assad.
Demonstranten singen und tanzen friedlich und fordern in ihren Parolen den Abgang des Assad-Regimes. Die Sicherheitskräfte reagieren mit rücksichtsloser Gewalt.
Viele der Kameraden und Freunde, mit denen Baset den Kampf gegen das Regime begonnen hatte, sind im ersten Jahr des Krieges verletzt oder getötet worden.
Auch Homs ist nach den Kämpfen kaum noch wiederzuerkennen. Die meisten Menschen haben die Stadt längst verlassen, sind nach Jordanien, in den Libanon oder in die Türkei geflohen.
Regisseur Talal Derki (rechts) bei seinem letzten Gespräch mit Baset im März 2013, der nach überstandener Verletzung die Rückkehr nach Homs plant.