

Weißt du, was dein Computer so treibt, während du im Bett liegst? Plötzlich starren Juliane (Caroline Peters) und ihr Freund Philip (Felix Knopp) in die Strahler eines Sondereinsatzkommandos, das die beiden mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt. Für die Polizisten ist klar, dass die Frau eine Top-Terroristin ist. Die Beweislast erscheint eindeutig: Von ihrem Computer aus wurde ein Apartment angemietet, in dem ein Haufen Sprengstoff lagert, wahrscheinlich hat sie Verbindungen in die islamistische Szene. Außerdem gab es da ja noch zahlreiche verdächtige Geldbewegungen auf ihren Konten.
Nein, Juliane weiß offensichtlich nicht, was ihr Computer so treibt. Dabei hat sie ihn doch immer dabei; er ist ihr ständiger Begleiter und guter Freund, wenn sie als Unternehmensberaterin in den Arabischen Emiraten oder Dubai unterwegs ist. Zwischendurch füttert sie ihn liebevoll mit Passwörtern. Doch so ein Computer ist eine untreue Seele: Der tanzt jedem nach der Pfeife, der ihm das korrekte Passwort hinwirft. Und das hat offensichtlich jemand mit Julianes Computer getan.
"Identitätsdiebstahl" nuschelt irgendwann einer der Beamten, der sie verhört - und setzt sie auf freien Fuß. Aber da wurde Juliane schon zwei Tage und zwei Nächte lang von der Polizei in die Mangel genommen. Der blanke Horror - allerdings nichts gegen die Verunsicherung, die sich bei Juliane nach ihrer Freilassung einstellt.
Du bist, was der Computer ausspuckt
Wie verletzlich die digitale Identität ist und wie sich diese Verletzlichkeit auswirkt - davon erzählt der Thriller "Im Netz" (Buch: Ulli Stephan, Regie: Isabel Kleefeld, "Ruhm"), der am Mittwoch in der ARD Premiere feiert, auf verstörende Weise. Mit dem Einfallen des Sonderkommandos ins Schlafzimmer der Filmheldin gleich in der ersten Minute des Films geraten alle sozialen Sicherheiten ins Wanken.
Hat etwa der ehrgeizige Kollege aus der Firma am Laptop rumgemacht? Woher sonst sollte er - im Gespräch verplappert er sich - von den geheimen Bonuszahlungen an Juliane wissen? Oder hat sich etwa ihr Freund, den sie vor eineinhalb Jahren ausgerechnet online über ein Dating-Portal kennengelernt hat, in ihre Daten gehackt? Was ist mit dem Nachbarn von gegenüber, der immer an ihrem Briefkasten herumzunesteln scheint und der direkt in ihr Wohnzimmer guckt? Und was mit dem muslimischen Lover, der Juliane vor mehr als zehn Jahren ohne jede Ankündigung auf Nimmerwiedersehen verlassen hat?
Wie sich Julianes Wahnvorstellungen nach und nach auf Kollegen, Nachbarschaft und Partnerschaft ausweiten, ist über weite Strecken großartig erzählt und von Caroline Peters ("Mord mit Aussicht") mit angemessener Wut gespielt. So wird der Hacker-Krimi zum Identitätsthriller: Wer ist Juliane überhaupt?
Denn es ist ja überhaupt nicht so, dass die Karrierefrau durch das Offenlegen ihrer digitalen Identität zur durchleuchteten Person wird. Sie wird im Laufe der Untersuchungen eben nicht zum vielbeschworenen gläsernen Menschen, sondern vielmehr zu einem Objekt in einem Spiegelkabinett, in dem das Abbild von ihr gebrochen, verzerrt oder auf den Kopf gestellt wird: Du bist das, was der Computer an Daten über dich ausspuckt.
Das Vexierspiel mit den Versatzstücken des eigenen Selbst ist aufregend genug und hätte für einen spannenden abendfüllenden Fernsehfilm gereicht. Dass sich "Im Netz", der ganz themengerecht schon einige Tage zuvor online zu sehen war, am Ende in einen Verschwörungsthriller wendet, in dem Kripo, Verfassungsschutz und Spitzel gegeneinander arbeiten, ist überflüssig: Er erhebt das dringliche Thema Datenschutz und Datenpflege nur unnötig ins Spekulative. Ein Tribut an die Krimi-Sehgewohnheiten im "Tatort"-Land.
Runtergebrochen aufs Allerprivateste entfaltet "Im Netz" hingegen seine volle verstörende Wirkung: Wehe dir, wenn dein Computer fremdgeht.
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Wer bin ich? Juliane (Caroline Peters) macht sich mit ihrem Nachbarn Jonas (Wolfram Koch) auf die Suche nach sich selbst - natürlich am Computer.
Gefangen im digitalen Spiegelkabinett: Juliane versucht, sich zu befreien.
Liebling, dein Laptop hat uns verraten! Juliane wird mit ihrem Freund Philip (Felix Knopp) von einer Sondereinheit aus dem Schlaf gerissen.
Undurchsichtig, dieser Nachbar: Koch wird abgeführt - nachdem Juliane ihn angezeigt hat.
Dabei hat der Mann doch auch seine gute Seiten und hilft dem Hacker-Opfer Juliane. Oder etwa nicht?
Sieht so eine Terroristin aus? Juliane gerät in den Verdacht, eine Islamistin zu sein.
Die Kripo weiß alles: Kommissarin Theissen (Ulrike Krumbiegel) zeigt Juliane Bilder ihres vor zehn Jahren abgetauchten Lovers.
Haben sich festgebissen: Kommissarin Theissen mit dem Kollegen Hinrichs (Stefan Ruppert)
Umgeben von verdächtigen Personen: Nicht mal ihrem Lebensgefährten Philip traut Juliane noch.
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