
Neuer WDR-Intendant Buhrow Der Softie als Sanierer
Nun also Tom Buhrow - nach Friedrich Nowottny und Fritz Pleitgen ist er der dritte bekannte Fernsehjournalist an der Spitze des WDR. Und es war nahezu ein Traumstart mit einer höchst komfortablen Mehrheit im Rundfunkrat, wie sie angesichts all der Debatten nach dem plötzlichen Rückzug der vorherigen Amtsinhaberin Monika Piel nicht unbedingt zu erwarten war. Dabei stellte die Personalie an sich keine allzu große Überraschung mehr dar. Man entschied sich für den, der dem Publikum vertraut war.
Doch Bildschirmprominenz allein ist noch keine Erfolgsgarantie für diesen Job, der in erster Linie der eines medienpolitischen Top-Managers ist. Ein Gegenbeispiel dafür, wie sich der Posten ohne große öffentliche Präsenz machtbewusst und effektiv ausüben lässt, hat gerade die Vorgängerin gezeigt. Deren Bilanz mag alles in allem ordentlich sein, auch wenn es Missgriffe gab wie etwa die Vorabend-Verpflichtung von Thomas Gottschalk. Aber so, wie die Zeiten sind, stellt das Haus, wie sie es hinterließ, eine Herausforderung für den Nachfolger dar.
Dies ist nicht nur den Dimensionen des Senders geschuldet, des nach Belegschaftsstärke zweitgrößten in Europa nach der BBC und weitaus größten in der ARD-Familie ohnehin mit seinen rund 4200 Beschäftigten und einem Etat von fast 1,4 Milliarden Euro für Programm, Personal, Technik und Verwaltung. 47 Millionen Euro fehlen im diesjährigen Haushalt, und das heißt, dass stramm gespart werden muss. Doch das ist nicht das einzige Problem, das der neue Intendant zu lösen hat.
Es gilt, den sich hinziehenden Streit mit den Verlegern um die "Tagesschau"-App und um die Internetpräsenz allgemein zu lösen. Außerdem muss nach Ansicht der Gremien wesentlich mehr getan werden, um das Programm für ein jüngeres Publikum attraktiv zu machen. Und der Rundfunkrat will, dass sich der Intendant stärker als bisher mit ihm abspricht. Im nächsten Jahr stehen zudem wichtige Wechsel auf der Führungsebene an. Kurz: An potentiellem Konfliktstoff fehlt es wahrlich nicht.
Die neue Gebühr stellt das System auf den Prüfstand
Die Stimmung im Sender ist gespannt. Zusätzlich belastet ist die Lage durch die Umstellung auf den Rundfunkbeitrag. Damit wurde eine medienpolitische Diskussion in Gang gesetzt, die indirekt das gesamte öffentlich-rechtliche System in seiner bisherigen Form in Frage stellt. Dieser Diskurs muss mehr als nur moderiert werden - womöglich die schwierigste Aufgabe für den neuen Mann auf dem Chefsessel des größten und wichtigsten ARD-Senders.
Seinen Posten verdankt Tom Buhrow seinem Image als netter Mister "Tagesthemen". Ob er tatsächlich derjenige sein kann, der dem Anforderungsprofil entspricht, ob er Ideen und Impulse auszustrahlen und dem schleichenden Bedeutungsverlust des öffentlich-rechtlichen Systems wirksam entgegenzutreten vermag, fragt sich nun nicht nur beim WDR so mancher. Und einige dort dürften auch etwas wehmütig an jene vergangenen Zeiten zurückdenken, da der WDR-Intendant gleichsam qua Amt als der unbestrittene Erste Mann unter den ARD-Granden galt und die Dominanz der Kölner Anstalt sich nicht nur in Zahlen und Daten ausdrückte. Mittlerweile tun sich in der Intendanten-Riege auch andere hervor wie etwa Lutz Marmor (NDR), Peter Boudgoust vom SWR oder auch der Bayer Ulrich Wilhelm.
Es braucht Statur, um da mithalten zu können.
Gewiss, Buhrow gilt als solider, versierter Journalist, der das Haus obendrein aus seinen frühen Jahren kennt - und als Kommunikationstalent sowieso. Ein verbindlicher, freundlicher Mensch eben, jedoch keiner, dem man so ohne weiteres ein breites Kreuz gegenüber den Gremien und Amtskollegen sowie die Entschlossenheit zu harten Schritten und auch Schnitten zutrauen würde.
Und was noch einhergeht mit solchen Eigenschaften, ist nun mal auch ein gewisses Defizit an klarer Positionierung, jene spezifische Blässe, wie sie Buhrow oft nachgesagt wurde. Irgendwie wird er als vage konservativ wahrgenommen, aber so ganz genau weiß man das eigentlich nicht. Der WDR hingegen, einst von den Konservativen als "Rotfunk" attackiert, gilt nach wie vor als im Prinzip eher links gestimmt, auch wenn sich im Lauf der Jahre einiges abgeschliffen hat.
Jedenfalls scheinen Intendant und Sender - trotz Buhrows rheinischer Herkunft - nicht so recht zueinander zu passen. Da müsste schon einiges zusammenwachsen. Aber vielleicht bestätigt sich ja noch im Sinne der Dialektik auch hier, dass manchmal jemand gerade dann für einen schwierigen Job taugt, wenn er das Gegenteil eines harten Hundes ist.