Zukunft der ARD Teuer, weil alt?

Die ARD zahlt zu hohe Gehälter. So das Urteil der KEF-Kontrolleure. Auf einer Tagung machten die Senderchefs dafür das hohe Alter ihrer Mitarbeiter verantwortlich - und versprachen zugleich den digitalen Umbau für die Jungen.
Volker Herres (l.) und Ulrich Wilhelm (M.) mit BR-Rundfunkratsvorsitzender in München

Volker Herres (l.) und Ulrich Wilhelm (M.) mit BR-Rundfunkratsvorsitzender in München

Foto: Peter Kneffel/ DPA

Am Anfang umarmte die ARD erstmal die Jugend. In einem heiteren Zwei-Minuten-Spot wurde den auf der Pressekonferenz zur Intendantenkonferenz in München anwesenden und zugeschalteten Journalisten Bilder vom letzten "ARD-Medienjugendtag" gezeigt: Schülerinnen und Schüler ließen ihre Handys ausgeschaltet und schwärmten in die Funkhäuser der Anstalt, um dort zu lernen, wie das gute, alte Medium Fernsehen funktioniert. Die Jugend zeigte sich den ARD-Aufnahmen nach begeistert - sind das die zukünftigen Konsumenten und Produzenten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?

Die werden von der ARD nämlich dringend gesucht - und zwar eben sowohl als Publikum als auch als Arbeitskraft. Dass ARD und ZDF ein Demografieproblem haben, wurde ja erst im September wieder deutlich. Da veröffentlichte die Unternehmensberatung Roland Berger eine Studie, die besagte, dass inzwischen in Deutschland mehr Menschen Netflix schauen als jeden anderen einzelnen Sender - und dass dieser Schwund durch die Konkurrenz der großen Streaming-Plattformen vor allem in den jungen Publikumssegmenten noch zunehmen wird. Andere Studien kommen zu weniger drastischen Ergebnissen, bestätigen aber den Trend.

Die einzige relevante Entscheidung, die auf der Intendantentagung verkündet wurde, kann man da durchaus im Zusammenhang mit der Suche der ARD nach der verloren gegangenen Jugend sehen: Florian Hager, Jahrgang 1976, wird dem altgedienten Das-Erste-Programmdirektor Volker Herres, Jahrgang 1957, als Stellvertreter zur Seite gestellt. Hager ist zurzeit verantwortlich für funk, das gemeinsame Jugendangebot von ARD und ZDF. Zukünftig soll er als - Achtung, Jugendlichkeitsalarm im Ersten! - "Channel Manager" die "integrierte Programmplanung" vorantreiben.

Dabei soll es darum gehen, die Mediatheken zu bündeln und gleichzeitig dramaturgisch und inhaltlich neu auszurichten. Der Ende des Jahres aus dem Amt des ARD-Vorsitzenden scheidende BR-Intendant Ulrich Wilhelm schwärmte von "mehr attraktiven Inhalten, die sich an ein Netzpublikum richten". Der nun mit einem Stellvertreter beglückte Herres sprach später gar davon, das Mediatheken-Wirrwarr in ein "eigenständiges Streaming-Portal" umzubauen, für das man zurzeit exklusiv Serien entwickle.

Das schwierige ARD-Gehaltsniveau

Schöne neue ARD-Onlinewelt? Möglicherweise fehlen der Anstalt für diese Vision Mitarbeiter im entsprechenden Alter. Denn das Demografieproblem des Senderverbunds kam nun noch einmal im ganz anderen Zusammenhang auf den Tisch - nämlich bei der Diskussion um die zukünftige Höhe der Rundfunkabgabe.

Momentan verhandeln Sender und Länder über die Abgabe für die Anfang 2021 beginnende Periode; die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat in einem vorläufigen Entwurf eine Anhebung pro Haushalt von derzeit 17,50 Euro auf 18,36 Euro monatlich vorgeschlagen. Zur Berechnung hatte man auch eine Studie in Auftrag gegeben, die das Gehaltsniveau der Öffentlich-Rechtlichen ins Visier nahm.

Die Bezahlung liegt demnach deutlich über der in vergleichbaren Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Medien und der Wirtschaft. Laut des von dem Fachdienst "Medienkorrespondenz"  öffentlich gemachten Berichts fordert die KEF, in der Gebührenperiode von 2021 bis 2025 insgesamt 60,3 Millionen Euro an Gehältern einzusparen. Betroffen von den Sparplänen wären Wilhelms BR sowie HR und SR.

Alte Mitarbeiter gleich hohe Kosten?

In München äußerte sich BR-Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel zu dem Fall: "Wir teilen diese Einschätzung in dieser Zuspitzung nicht", sagte er und zitierte aus einem - Achtung, ARD-Funktionärssprech! - "Gegen-", äh, "Ergänzungsgutachten". Demnach sei das Durchschnittsalter bei den Fernsehanstalten "drei, vier" Jahre höher als im öffentlichen Dienst, und mit langjähriger Betriebszugehörigkeit steige nun mal das Gehalt.

Alte Mitarbeiter gleich hohe Kosten? So argumentiert zumindest Frenzel. Weil man durch die Sparvorgaben der Politik gezwungen sei, frei werdende Stellen abzubauen, könne man eben auch keine jüngeren, günstigeren Leute einstellen. Eine Aussage, die nicht ganz von der Hand zu weisen ist, die allerdings bei näherer Betrachtung auch ein wenig die Euphorie aufs zuvor angekündigte goldene öffentlich-rechtliche Streaming-Zeitalter drückt - schwer vorstellbar, dass die alten, unkündbaren ARD-Herrschaften das Programm für die anvisierte junge Kundschaft alleine machen können.

Eine Misere, die auf Probleme jenseits kleinteiliger Abgabedebatten verweist: Eigentlich ist seit längerer Zeit geplant, ein neues Indexmodell für die Rundfunkfinanzierung einzuführen, die Abgaben würden demnach der Teuerungsrate angepasst, gleichzeitig wären die Öffentlich-Rechtlichen gezwungen, eigenverantwortlicher zu handeln. Und das wäre dringend notwendig in Zeiten, da der digitale Umbruch ein hohes Maß an Beweglichkeit fordert. Doch die Politik kann sich zurzeit trotz vollmundiger Ankündigungen auf keine Reform einigen, ein Armutszeugnis.

Wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor diesem Hintergrund die Themen Zukunft und Jugend erfolgreich bearbeiten soll, ist nicht ganz klar. Unter dem ARD-Vorsitzenden Wilhelm zog sich die Digitalisierungsdebatte zum Teil zäh hin; im Januar übernimmt WDR-Intendant Tom Buhrow für zwei Jahre den Posten des ARD-Frontmanns. Sein WDR ist übrigens das Haus, das dem KEF-Gutachten zufolge die höchsten Gehälter zahlt - und nach ARD-Argumentation folglich auch das mit den ältesten Mitarbeitern. Der Weg in die Digitalisierung wird für Buhrow kein einfacher.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren