Recherchen von »ZDF Magazin Royale« Jan Böhmermann wirft Fynn Kliemann Maskenbetrug vor

Fair, günstig, aus Europa: So bewarb der YouTuber Fynn Kliemann 2020 die Masken des Textilunternehmens Global Tactics. Recherchen des »ZDF Magazin Royale« zeigen nun, dass das möglicherweise nicht stimmt.
Jan Böhmermann: Zitierte in seiner Sendung aus angeblichem internem E-Mail- und Chatverkehr, Auftragsbestätigungen und Videos

Jan Böhmermann: Zitierte in seiner Sendung aus angeblichem internem E-Mail- und Chatverkehr, Auftragsbestätigungen und Videos

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ZDF

Noch im April 2020 machte der YouTuber und Unternehmer Fynn Kliemann große Ankündigungen: Im Netz warb er mit »fair produzierten, wiederverwendbaren Mundbedeckungen aus Europa«. Eine Maske koste »1/10 von den Dingern der überteuerten Profitgeier«. Mit seinem Geschäftspartner Tom Illbruck werde er so »ganz nebenbei Arbeitsplätze bei unserem Produzenten in Europa« retten. Nun ergaben Recherchen des »ZDF Magazin Royale«, dass Kliemann möglicherweise gelogen hat.

Das »ZDF Magazin Royale« wertete nach eigenen Angaben internen E-Mail- und Chatverkehr, Auftragsbestätigungen, Videos, Fotos sowie Lieferscheine aus. Die Recherchen ergaben demnach, dass das Textilunternehmen Global Tactics seine Masken möglicherweise nicht in Europa, sondern in Bangladesch und Vietnam herstellen ließ – für wenig Geld.

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Jan Böhmermann zitierte in seiner Sendung mehrere angebliche Textnachrichten Kliemanns. Diese geben nicht nur Hinweise darauf, dass Kliemann Bangladesch als Produktionsort favorisierte, da dort die »Kappa (Anm. d. Red.: Produktionskapazitäten) am Ende am schnellsten hochgefahren werden kann«. Auf Nachfragen des Magazins verdienten Angestellte in den Produktionshallen in Dhaka im Schnitt offenbar nur 120 Euro im Monat. Pro Maske beliefen sich die Produktionskosten demnach offenbar auf 45 Cent, verkauft wurden sie für mehr als das Doppelte. In einem Gespräch mit »Focus Online«  hatte Kliemann 2020 geäußert, zu dem Preis decke sich der Umsatz »gerade so«: »Der finanzielle Anreiz spielt keine Rolle.«

Fynn Kliemann: »Das ist Europa, und in Europa gelten klare Regeln«

Fynn Kliemann: »Das ist Europa, und in Europa gelten klare Regeln«

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Hauke-Christian Dittrich / dpa

Die in der Sendung gezeigten Nachrichten enthalten außerdem mutmaßliche Belege, dass der YouTuber die Herkunft der Masken möglicherweise bewusst verschleierte: »Bekommen wir die Kisten neutral ohne Bangladesch als Ursprung hin«, so eine der zitierten Nachrichten. Nach Recherchen des Magazins sorgte Kliemann mit seinem Geschäftspartner außerdem dafür, dass 100.000 Masken an Flüchtlingslager in Bosnien und Griechenland gespendet wurden, die fehlerhaft waren.

Zum Verkauf standen die Masken sowohl auf der Verkaufsplattform About You als auch im eigenen Onlineshop. Das Unternehmen Global Tactics wirbt auf seiner Website mit »fairer und nachhaltiger Bekleidung«, die Produktionsstätten liegen angeblich in Serbien und Portugal. Insgesamt beauftragte Global Tactics laut Recherchen allein in Bangladesch 2,3 Millionen Masken.

Gegenüber dem SPIEGEL äußerte sich Kliemann nicht zu der Darstellung des TV-Magazins, wies aber darauf hin, selbst bald ein Statement zu den Vorwürfen zu veröffentlichen. In einem Instagram-Beitrag hatte er vor wenigen Tagen noch vor Veröffentlichung der Magazinsendung per Video Stellung bezogen. Dort teilte er den Fragenkatalog der Magazinredaktion. Er sei ein »Fan von Transparenz« und finde es »eigentlich gut«, wenn investigative Journalistinnen und Journalisten Inhalte im Netz hinterfragten.

In dem Video spricht Kliemann bei Nachfragen zur Maskenproduktion von Global Tactics von »unseren Produzenten in Portugal«. Auf die Frage »Wie stellen Sie die fairen Produktionsbedingungen sicher?« bekräftigte er, dass sämtliche in seinem Onlineshop verkauften Masken »aus Portugal oder Serbien« stammen: »Das ist Europa, und in Europa gelten klare Regeln, was zum Beispiel Arbeitszeiten, Verbot von Kinderarbeit und Mindestlöhne angeht.«

Dabei verwies er auch auf seinen Artikel auf der Plattform Oderso.cool , in dem er die Herkunft seiner produzierten Kleidung erklärt. Dort ist zu lesen, er lasse »hauptsächlich in Europa« produzieren. Vom Unternehmen Global Tactics distanziert er sich im Instagram-Statement teilweise. Er sei zwar beteiligt, aber nur »stiller Gesellschafter« und verfüge über »kein Mitbestimmungsrecht«.

Fynn Kliemann wurde bekannt mit seinem Kreativprojekt »Kliemannsland« sowie seinem YouTube-Kanal, auf dem er Do-it-yourself-Videos zu Handwerksthemen veröffentlichte. Inzwischen hat er dort knapp 600.000 Follower. Später gründete er ein Modelabel und eine eigene Plattenfirma. Auf der Nordseehalbinsel Nordstrand baute er zuletzt verschiedene Häuser zu Ferienwohnungen um .

Anm. d. Red.: In einer früheren Fassung des Textes schrieben wir, bei den an Flüchtlingslager gespendeten Masken sei das Produktionsland sichtbar gewesen. Den Fehler haben wir korrigiert.

ime

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