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Neue Talkshow: Die Sendung mit dem Jauch

Foto: Andreas Rentz/ Getty Images

Jauch-Pressetermin in Berlin Sensation im Gasometer!

Vor dem Start seiner Talkshow im Ersten lud Günther Jauch zur Pressekonferenz in den Berliner Gasometer. Den gierigen Medienvertretern enthüllte der neue ARD-Star, dass er "übernatürliche Erwartungen nicht erfüllen" könne. Immerhin will er verhindern,  "dass die Zuschauer einschlafen".

Das kann ja etwas werden, wenn es schon so losgeht! Hatte Günther Jauch nicht ganz präzise angekündigt, wie er seine neue Talksendung gestalten will? "Ich werde eine Sendung machen, in der Menschen sich vorzugsweise auf Deutsch unterhalten und dazu auf Stühlen mit je vier Beinen sitzen", hat er doch Ende Juni ganz unmissverständlich dem SPIEGEL verraten. Und jetzt? Nichts davon stimmt.

Die Stühle, die in Jauchs Studio im Berliner Gasometer für die kommenden Gäste bereitstehen, sind eher Polstersessel zu nennen, sie haben, Jauch weist selbst darauf hin, fünf statt vier Beine, und wenn er am kommenden Sonntag tatsächlich wie geplant über den zehnten Jahrestag des 11. September 2001 sprechen wird, dann wird wohl auch Marcy Borders zu Gast sein, eine junge 9/11-Überlebende, die 2001 als "Dust Lady" bekannt wurde, weil sie in Staub gehüllt fotografiert wurde. Und Borders wird auf Englisch sprechen. "Sie kann kein Deutsch", sagt Jauch.

"Haben Sie das Wasser gesehen?"

Es ist eine reichlich absurde Aufregung, die gerade um den Start der "Günther Jauch"-Talkshow zu beobachten ist, um das Hochamt des politischen Gesprächs nach dem "Tatort" am Sonntagabend. Die Erwartungen an Jauch, den zweifellos populärsten deutschen TV-Menschen, sind mit dem Wort "riesig" vollkommen unzureichend beschrieben, und der Andrang der Medienjournalisten bei seiner Pressekonferenz am Montag vor Sendestart ist entsprechend groß. Auch wenn es, seien wir ehrlich, eigentlich noch nichts zu berichten gibt.

Immerhin gewinnen in solchen Situationen Details an Bedeutung, für die sich sonst kein Mensch interessieren würde. "Haben Sie das Wasser gesehen?", fragt beim Hineingehen die ARD-Pressesprecherin, denn das ist ja schon bemerkenswert, dass der Gasometer, ein ehemaliger Gasspeicher, auf Wasser gelagert ist, aus irgendwelchen technischen Gründen. Im Gasometer selbst, in welchen eine schicke Kuppel gebaut wurde, die entfernt an jene des Reichstags erinnert, halle es ja sehr stark, und von draußen höre man die Flugzeuge, ob das denn gut sei für die Sendung, fragt ein kritischer Kollege? Darum befinden sich ja auch an jedem zweiten Stuhl im Publikum Lautsprecher, damit die Zuschauer auch alles verstehen, berichtet Jauch. Und klar, der Gasometer sei seinerzeit nicht als Fernsehstudio errichtet worden.

Weitere interessante Fakten gefällig? Gerne:

  • Der Vorspann der Sendung wird exakt 17 Sekunden lang sein, die Erkennungsmelodie erinnert ein wenig an die von "Anne Will", angereichert allerdings mit leicht melancholisch wirkenden Zwischentönen.
  • ARD-Programmdirektor Volker Herres, sichtlich stolz, mit seinem prominenten Neuzugang auf der Bühne zu sitzen, vergleicht seinen Sender mit dem FC Bayern, der habe ebenfalls einerseits Stars unter Vertrag und pflege andererseits ein gutes Mannschaftsspiel.
  • Mindestens ebenso stolz: NDR-Intendant Lutz Marmor. Er mag den Begriff "politische Gesprächssendung" lieber als den Begriff "Talkshow", erwartet aber weder "die Neuerfindung des deutschen Fernsehens" noch, dass die Zuschauer tatsächlich jede der fünf Talk-, Verzeihung, Gesprächssendungen betrachten werden, mit denen das Erste ab kommender Woche die Abende flutet.
  • Das Team von "Günther Jauch" in Berlin, etwa 20 Menschen inklusive Sekretariat und Technik, besteht zu einem Drittel aus bewährten Mitarbeitern aus Jauchs Produktionsfirma "i & u", ein Drittel kommt von anderen Talkformaten, und das letzte Drittel hat bisher noch nie an der Produktion einer Talksendung mitgewirkt.

Und Günther Jauch? Der ist so aufreizend gelassen, dass man bei seiner Betrachtung ganz hibbelig werden könnte. "Nah an den Menschen" wolle die Sendung ja laut Presseheft sein, was bedeute denn das, will ein Kollege wissen? "Man will verhindern, dass die Zuschauer einschlafen", antwortet Jauch trocken. Und gibt dann doch noch ein Beispiel: Geplant ist eine Rubrik, in welcher in 60 Sekunden Begriffe erklärt werden - damit der Zuschauer hinterher mehr weiß als vorher.

"Ich will Evolution, keine Revolution"

Vor allem aber will sich Günther Jauch nicht festnageln lassen. Ob da jetzt immer sechs Gäste sitzen oder auch mal nur zwei, ob das immer Menschen aus unterschiedlichen Parteien sein werden, ob es mehr Funktionsträger oder mehr Leute mit bewegenden Schicksalen sein werden - man wird sehen. Je nach Thema. "Die Durchmischung, dass man es einmal so macht, und dann aber wieder anders - diese Freiheit will ich mir erhalten." Er plane allerdings auch kein "Experimentalfernsehen" am Sonntagabend. Und doch, sein Adrenalinpegel sei vor dieser Sendung schon etwas höher als bei den anderen Formaten, die er seit Jahren moderiere. In die Rolle des Diskussionsleiters werde er sich anfangs noch hineinfinden müssen.

"Die übernatürlichen Erwartungen werde ich nicht erfüllen können", sagt Jauch, aber er weiß natürlich, dass ihm das nichts helfen wird. "Ich will Evolution, keine Revolution", sagt Jauch.

Wir Zuschauer und Medienjournalisten erwarten jedoch, um Ihnen das einmal ganz klar zu sagen, lieber Herr Jauch, dass am kommenden Sonntag um 21.45 Uhr ein Ufo landet, aus dem Angela Merkel in Begleitung des auferstandenen Rudi Carrell steigt und singend ihren Rücktritt und/oder eine komplette Regierungsumbildung erklärt. Mindestens.

"Lassen Sie die Sendung doch einfach laufen", sagt Günther Jauch.

Na warte.

In einer früheren Version dieses Textes wurde der Gasometer irrtümlicherweise als Neutrum bezeichnet. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
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