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Gespenstisch: Die Barschel-Beschwörung

Foto: Carsten Rehder/ dpa

Jenseits-Show "Das Medium" Großer Spuk mit Freya und Uwe

RTL holt Gespenster ins Programm. In der neuen Mystery-Show "Das Medium" nimmt Kim-Anne Jannes Kontakt zu Toten auf - um Hinterbliebenen bei der Bewältigung ihrer Trauer zu helfen. Kaum zu glauben: Auch Uwe Barschel taucht in der bizarren Sendung auf.

Uwe Barschel

Ein bisschen Okkultismus im Privatfernsehen, das wäre kaum der Rede wert - wenn RTL nicht einen prominenten Gast für die erste Sendung des Trauerspektakels gefunden hätte: Die Witwe des ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, . Der wurde vor 23 Jahren unter mysteriösen Umständen tot in der Badewanne eines Genfer Hotels aufgefunden.

RTL

Freya Barschel ist sich sicher: Es waren Killer. Mord oder Selbstmord, so richtig geklärt ist die Sache immer noch nicht. Was Staatsanwaltschaft und Polizei seit Jahren beschäftigt, will nun dankenswerter Weise mal eben am Sonntagabend auflösen. Aber nicht so schnell: Weil pro Folge drei "Fälle" abgehandelt werden, erzählt "Das Medium" Kim-Anne Jannes erst der Schwester eines tödlich verunglückten Soldaten, dass ihr Bruder sie liebt und als Gespenst neben ihr im Raum sitzt. Da weint die Schwester vor Glück, und wenn ihr der Aberglaube hilft, den Verlust ihres Bruders besser zu verwinden, dann soll es so sein.

Als nächstes wird ein Dreifachmord auf Mallorca nacherzählt, bis bei RTL nach 40 Minuten jemand aufwacht: Zunächst war offenbar gar nicht die groß angekündigte erste Folge von "Das Medium" zu sehen, weiß der Teufel, warum. Der Mallorca-Mord bricht abrupt ab, wie von Geisterhand folgt der nächste Fall, eben jener, auf den alle warten: "Wird heute geklärt, wie Uwe Barschel gestorben ist?"

Dazu bittet Freya Barschel die freundlich staunende Moderatorin Petra Neftel (findet das Thema Leben nach dem Tod "super spannend") ins Eigenheim. Seit dem Tod von Uwe Barschel wurde hier nichts verändert, genau so sieht es dann auch aus. Die Witwe erzählt, wie denn ihr Mann so war. Dann wird die Geister-Dolmetscherin Kim-Anne Jannes in das Haus geführt, angeblich ohne zu wissen, wo sie sich befindet. Fotos von Uwe Barschel werden versteckt, das Klingelschild abgeklebt, die Witwe in einen Nebenraum gesetzt.

Wurde Uwe Barschel umgebracht?

Kaum im Haus, hat das "Medium" auch schon Kontakt ins Jenseits aufgenommen und kann ziemlich genau wiederholen, was Freya Barschel gerade erzählt hat. Erste Zauberprüfung bestanden, weiter geht der Hokuspokus: Das "Medium" erzählt Freya Barschel persönlich, wie heftig der Geist ihres Mannes atmet, zittert und bebt, wenn er sich an seinen Tod erinnert.

Wurde Uwe Barschel umgebracht? Kim-Anne Jannes: "Ja sicher." Volltreffer, genau das ist es, woran Freya Barschel so fest glaubt. So ähnlich arbeiten Hellseherinnen, so funktionieren Horoskope: durch Affirmation. Man erzählt den Gutgläubigen oder Verzweifelten, was sie gerne hören möchten oder, in leicht veränderten Worten, was sie vorher bereits verraten haben. Voilà: ein Wunder.

Die dafür erforderliche Portion Menschenkenntnis bringt Kim-Anne Jannes offenbar mit - und der Rest ist Recherche.

Offensichtlicher Quatsch

Es ist wie verhext: Wer in diesen Tagen den Fernseher einschaltet, muss sich ins dunkle Mittelalter zurückversetzt fühlen. Da muss die Vernunft hintenanstehen, die Kinder fressen ihre Aufklärung.

"Das Medium" ist offensichtlicher Quatsch, der von RTL mit heiligem Ernst verkauft wird. Wenn Super-Magier David Copperfield Panzer verschwinden lässt oder Frauen zersägt, ist der Deal mit dem Publikum klar - und niemand muss in Tränen ausbrechen. Die RTL-Gespenstershow hingegen tut bis zuletzt, als sei sie eine top-seriöse Dokumentation, als liefere sie eine wahrhaftige Berichterstattung ab. Aber bei RTL ist die Grenze zwischen Dokumentation und Entertainment ohnehin mit voller Absicht eingerissen worden, da ist "Das Medium" keine Ausnahme.

Dass das ganze nur eine Show ist, gesteht der Sender dann doch noch ein. Im Abspann heißt es zum gerade geäußerten Mordverdacht reichlich verklausuliert: "Die Gesprächsinhalte mit dem Medium im 'Fall Barschel' sind juristisch nicht relevant."

Soll wohl heißen: Wie Uwe Barschel gestorben ist, konnte wieder nicht geklärt werden.

Nachdem am Sonntagabend bei RTL niemand zur Sendepanne Auskunft erteilen konnte, räumte der Sender am Montag auf Anfrage einen technischen Fehler ein. Zunächst sei eine falscher Beitrag gezeigt worden. "Nach Klärung der Fehlerquelle wurde im Livebetrieb auf den richtigen Sendungsteil zugegriffen und der angekündigte Fall Barschel ausgestrahlt." Offen bleibe, "ob bei diesem äußerst seltenen Vorfall höhere Mächte im Spiel waren".

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