»Tatort«-Abschied von Karin Hanczewski Attackiert, gefoltert, ausgeblutet

Karin Hanczewski in der »Tatort«-Folge »Das Nest«: Den Psychokiller im Visier
Foto: MDR / Wiedemann&BergDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Wie viel Schmerz, wie viele Verwundungen, wie viele Herabsetzungen kann eine »Tatort«-Ermittlerin aushalten? Wahrscheinlich gibt es keine andere Fernsehkommissarin, die in solch schneller Abfolge Zielscheibe von misogynen, sadistischen und psychopathischen Attacken geworden ist wie die von Karin Hanczewski verkörperte Dresdner Beamtin Karin Gorniak.
In einer »Tatort«-Episode verliebte sich Gorniak in einen frauenverachtenden Aufreißer, der sie am Ende zu massakrieren versuchte. Im nächsten Fall wurde sie dann von einem Serienmörder überwältigt, der sie im Hobbykeller seines spießigen Eigenheims ausbluten lassen wollte. In einem weiteren Fall krümmte sie sich auf dem Boden, weil sie Opfer einer auf Basis von Nanotechnologie entwickelten Schmerzwaffe geworden war. Keine Foltertechnik schien der verantwortlichen Redaktion abwegig genug, um nicht an Kommissarin Gorniak ausprobiert werden zu können.

Karin Hanczewski bei einem Promotermin: nach 18 Folgen ist Schluss
Foto: Daniel Reinhardt / picture alliance / dpaHanczewski war da im gewissen Sinne Opfer der erratischen Planung, mit der der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) im vergangenen Jahrzehnt seine »Tatort«-Auftritte entwickelte. Das Dresdner TV-Revier mir ihr war zum Start 2016 als Comedy-Krimi angelegt, »Stromberg«-Schöpfer Ralf Husmann prägte als Autor am Anfang einen wunderbar schrägen Sound. Doch dann fiel dem MDR offenbar auf, dass man zur gleichen Zeit mit dem Weimar-»Tatort« um Christian Ulmen und Nora Tschirner ja noch einen Comedy-Krimi am Start hatte.
Zweimal lustig im Osten, das ging natürlich nicht. Also schaltete man beim Dresden-»Tatort« von drollig auf brutal. Darstellerin Alwara Höfels verließ das TV-Revier nach dem Schlingerkurs genervt, dafür musste die verbleibende Hanczewski dem Diktat zur neuen Härte wortwörtlich am eigenen Leib nachkommen. Mit Cornelia Gröschel bekam sie eine neue Co-Darstellerin an die Seite, den Part des gebrochenen Hardboiled-Cops in den nun als klassische Genre-Thriller daherkommenden Dresden-»Tatorten« verkörperte fortan aber vor allem Hanczewski. Und das immer überzeugend. Selbst in den schwächeren Episoden, von denen es einige gab.
Voller Körpereinsatz, emotionale Tiefe
Hanczewski ist eine exzellente Actiondarstellerin, voller Körpereinsatz und emotionale Tiefe gehen bei ihr gut zusammen. Leider wurde der Story-Hintergrund für diese emotionale Tiefe immer weniger ausformuliert. Liebesbeziehungen und Familienverhältnisse spielten für die Figur der Gorniak bald kaum noch eine Rolle, das machte sie ein wenig flach.

Karin Hanczewski mit dem Kollegen Martin Brambach: Kommt jetzt das hochverdiente private Glück?
Foto: MDRHanczewski war eines der prominentesten Gesichter, die sich Anfang 2021 an der Initiative »ActOut« beteilligt hatten, bei der 185 lesbische, schwule, bisexuelle, nicht-binäre, transsexuelle und queere Prominente mehr Anerkennung und Sichtbarkeit forderten. Die Aktion gilt als Erfolg; das Rollenbild der Ermittlerin Gorniak wurde danach aber leider auch nicht mehrdimensionaler.
Ob das der Grund dafür ist, dass Hanczewski, 41, nun ihren Abschied beim Dresden-»Tatort« bekannt gibt, lässt sich nicht sagen. 15 Folgen sind bereits gelaufen, drei weitere befinden sich im Dreh oder in der Planung. Anfang 2025 soll dann Schluss sein. Eine Nachfolgerin wurde vom MDR noch nicht genannt.
Die letzte Episode, das steht schon fest, trägt den Titel »Herz der Dunkelheit«. Das klingt ein weiteres Mal nach Schmerz und Gewalt. Aber wie grandios und wie gerecht wäre es, wenn Karin Hanczewskis Hardboiled-Ermittlerin Karin Gorniak dann nicht gefoltert, massakriert oder ausgeblutet aus der Handlung entfernt wird, sondern das private Glück findet.

Kommissar-Karussell: Alle »Tatort«-Teams im Überblick