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Grimme-Preis 2013: Zwischen Trash und "Turm"

Foto: RTL
Hannah Pilarczyk

Preis-Pleite fürs Dschungelcamp Ist halt stinknormaler Trash

Skandal! Frechheit! Die Empörung war groß, als das RTL-Dschungelcamp für den renommierten Grimme-Preis nominiert wurde. Doch die Nominierung war richtig, weil sie eine Diskussion darüber auslöste, was gutes TV ist - und was nicht. Genauso richtig war es, das Trash-Format nicht auszuzeichnen.

Kein Tag nach Bekanntgabe der Nominierungen war vergangen, da kam die E-Mail an: "Diese Jury hat keinen Deutungsanspruch mehr!" Darunter, anklagend, die Namen und die Mailadressen der neun Juroren, die darüber entscheiden sollten, ob die RTL-Sendung "Ich bin ein Star - holt mich hier raus" einen Grimme-Preis verdient hatte.

Als sich die Jury der Preiskategorie Unterhaltung Anfang Februar beim Grimme-Institut zusammenfand, kam die Sprache fast sofort auf diese E-Mail. Alle Juroren hatten sie erhalten, und alle hatten so etwas - trotz zum Teil Jahrzehnte langer Juryarbeit - noch nicht erlebt. Eigentlich war man doch immer in angenehmer Missachtung durch die Außenwelt im beschaulichen Marl zur Preisfindung zusammengekommen. Und jetzt? Aufregung! Persönliche Beleidigung! Dass uns als Jury hier fälschlicherweise eine Entscheidung der unabhängigen Nominierungskommission angelastet worden war, nahm dem hetzenden Tonfall der E-Mail zwar etwas die Schärfe. Dennoch waren wir Juroren verblüfft: Ging es hier nicht einfach nur um Fernsehen?

Nein, ging es wohl nicht. Gleich am ersten Tag rückte ein Team von Regisseur Dominik Graf an, um unsere Juryarbeit zu filmen; am nächsten Abend, zum Bergfest mit den Nominierten, schickte der NDR seine Leute vom Medienmagazin "Zapp" vorbei, um der "dicken Luft" um die Dschungelcamp-Nominierung auf den Grund zu gehen; und eine Taxifahrerin warf uns per Rückspiegel tadelnde Blicke zu, als sie uns als "die mit dem Dschungelcamp" identifiziert hatte.

X-te Durchexerzierung eines Formats

Nein, beim Dschungelcamp geht es offensichtlich nicht nur um Fernsehen. Es geht um das Verhandeln von Geschmacksgrenzen; um die vermeintlich kategorialen Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Fernsehen; um unser schizophrenes Verhältnis zu Prominenten, das Aufstieg und Fall gleichermaßen herbeisehnt; um Ironie und um selbstreferentielle Performance in der Mediengesellschaft. Und es geht nicht zuletzt um die Frage, ob solche Diskussionen bei einem Preis, der sich als die wichtigste Auszeichnung für Qualitätsfernsehen versteht, nicht zwangsläufig geführt werden müssen.

Letztere Frage lässt sich eindeutig mit ja beantworten. Die Nominierung des Dschungelcamps hat dem Grimme-Preis gutgetan. Sie hat für eine schärfere Positionierung gesorgt, für eine Überprüfung und Verdeutlichung der Maßstäbe, was - so das Preisstatut - "für die Programmpraxis vorbildlich und modellhaft" ist. Institutsleiter Uwe Kamann hat dazu ein ausführliches Positionspapier geschrieben .

Aber hat das Dschungelcamp deshalb auch den Grimme-Preis verdient?

Nein, lautet die Antwort - die wir als Jury schnell fanden. Denn auf eine andere Art ist "Ich bin ein Star - holt mich hier raus" dann eben doch nur herkömmliches Fernsehen. Es ist die x-te Durchexerzierung eines adaptierten Formats, mit generischer Aufmachung und Musik, mit starren Rollen von Moderatoren und Kandidaten, die nur minimale Abweichungen erlauben, mit Gewinnspiel und Werbeblöcken. Es ist Unterhaltung zu rein kommerziellen Zwecken, weder vorbildlich noch modellhaft, sondern konventionell und austauschbar.

Die Sendung hat wichtige und ergiebige Diskussionen ausgelöst. Doch ist das wirklich eine preiswürdige Leistung des Formats? Ohne tiefer in die Debatten einzusteigen, inwieweit einem Medienprodukt die spätere Rezeption und Aneignung durch seine Konsumenten zugeschrieben werden kann: Die Diskussionen über das Dschungelcamp sind erst mit den Jahren - die Show läuft immerhin seit 2004 - gehaltvoller und zugespitzter geworden.

Sie haben sich zudem nur lose gekoppelt an die jeweilige Ausgabe der Show entwickelt. Und sie haben in einem Umfeld stattgefunden, das gleichzeitig auch über die "Casting-Gesellschaft" und die "Generation Facebook", also andere Ausformungen der Medialisierung, sprach und dabei seine Maßstäbe und Kritiken verfeinerte und erweiterte. Vor diesem Hintergrund erscheinen die vermeintlichen Eigenleistungen des Dschungelcamps noch unwesentlicher.

Wie die Sendung selbst hat ihre Nominierung für ein kurzfristiges Überkochen der Emotionen und eine Zuspitzung der Aufmerksamkeit gesorgt. Mit der Nichtvergabe des Preises enden nun hoffentlich diese Parallelen, und die Juroren können sich im kommenden Jahr genauso interessanten Diskussionen widmen. Aber besseren Formaten.


Hannah Pilarczyk ist Kulturredakteurin bei SPIEGEL ONLINE.

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