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Echt-Sänger mit Regiedebüt: Der Freischwimmer

Foto: ZDF/ Clara Nebeling

Echt-Sänger mit Regiedebüt Kim Frank ist nicht fertig

Kim Frank war Sänger der Band Echt. Er war Schauspieler und Schriftsteller. Jetzt hat er einen Spielfilm gedreht und will einer der besten Regisseure der Welt werden. Groß oder größenwahnsinnig? Ein Treffen.

Kim Frank möchte einen Oscar gewinnen. Nein, präziser: Kim Frank weiß, dass er einen Oscar gewinnt, sagt er. Auf der Preisverleihung in Los Angeles wird er einen dreiteiligen Anzug tragen. Auch sein Haus steht dann in Kalifornien. Es ist aus Century-Holz, davor drei Palmen, ein Pool. Bis dahin beschäftigen ihn zwei Fragen: Wann ist es so weit? Und wie komme ich dahin?

Es gäbe noch weitere Fragen, etwa, ob er vielleicht übergeschnappt ist. Andererseits: Ende der Neunzigerjahre war Frank mit seiner Band Echt ein Teeniestar. Er veröffentlichte ein Soloalbum, schauspielerte unter Leander Haußmann, schrieb ein Buch über seine Angst zu sterben. Jetzt, mit 36 Jahren, erscheint "Wach", sein erster Spielfilm als Regisseur. Vielleicht muss Frank immer so drüber sein, so kompromisslos, sonst kommt die Maschine ins Stocken.

Als ich Frank zum ersten Mal traf, war er gerade volljährig und mit Echt auf dem Höhepunkt seiner Musikkarriere. "Du trägst keine Liebe in dir" und "Weinst du?" waren Hits. Er strotzte vor Popstarhaftigkeit, erzählte irre Geschichten. Er unterlief das Gespräch. Am Ende blieb nichts. Frank hatte das Interview implodieren lassen. Danach ging er auf die Bühne und verzauberte Hunderte Menschen. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass ich damals ein Arschloch war", sagt er.

Trifft man Frank heute, ist er nicht mehr der Junge von früher, auch wenn das Bubenhafte noch da ist. Schwer zu sagen, ob er Journalisten noch gefährlich findet. Auf offiziellen Bildern trägt Frank jetzt schwarze Anzüge und Brille. Vielleicht ist es ein wenig so wie bei Batman, der über keine Superkräfte verfügt, dem ein Kostüm aber Kraft verleiht.

Frank prügelte sich jeden Tag

Sein Filmdebüt "Wach", um es gleich vorweg zu sagen, ist ein guter Film geworden. Ein klassisches Coming-of-Age-Drama, ein 86-Stunden-Roadtrip, dem man seine Unbedingtheit in jeder Sekunde anmerkt. Es geht um zwei Freundinnen (dargestellt von Jana McKinnon und Alli Neumann), die beschließen, so lange wach zu bleiben, wie es geht.

Eigentlich, und das muss man wohl schreiben, geht es natürlich um Kim Frank, der das Drehbuch in fünf Tagen wie im Rausch schrieb. Der Regisseur, Kameramann, Cutter ist. Seinen Hauptdarstellerinnen hat er seine Sätze in den Mund gelegt. Denn Frank sagt: "Ich weiß, wie es ist, eines der Kinder zu sein, aus denen nichts hätte werden sollen."

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Frank kommt aus einer Sozialbausiedlung in Flensburg. Seine Mutter war alleinerziehend, hatte drei Jobs, zählte abends die Pfennige. Er war ein Kind voller Wut, sagt Frank. Er prügelte sich jeden Tag, kam mit verstauchten Rippen nach Hause. Und er hatte eine Vision: Mit 24 Jahren werde ich sterben. Deshalb wollte er bis dahin gelebt haben. Er druckte sich Visitenkarten. Schrieb darauf: "Kim Alexander Frank - angehender Sänger". Und er erreichte fast alles: Er wurde Sänger, reich, erfolgreich, er liebte und wurde geliebt.

Nie mehr der hungernde Künstler

Wenige Momente haben ihn in seinem Leben jedoch in tiefe Zweifel gestürzt, darunter das Ende von Echt im Jahr 2002 und ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung im Jahr 2007.

Frank besuchte gerade den Künstler Walter Welke, als sein Konto gepfändet wurde. Plötzlich hatte er keinen Besitz mehr, keine Wohnung. Ein Gerichtsvollzieher wollte seine Reisetasche pfänden. Frank zog in das Atelier von Welke nach Hamburg. Er vergrub sich in den Büchern seines Mentors, hörte seine Schallplatten, begann, unzählige Filme zu schauen: "Es war wie ein Kunststudium. Wie der letzte Schritt einer Ausbildung." Nie mehr wollte er jedoch der hungernde Künstler sein, der bei einem Freund wohnen muss und für 1,50 Euro Pasta kocht.

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Foto: ZDF/ Clara Nebeling

Frank bewarb sich auf einer Filmhochschule, begann, Musikvideos zu drehen. Knapp hundert sind es bis heute, darunter "Ein Hoch auf uns" von Andreas Bourani und "Au Revoir" von Mark Forster. Mit Udo Lindenberg gewann er für das Video zu "Durch die schweren Zeiten" den Echo. Als die Absage der Filmhochschule kam, hatte er sich schon selbst wie ein Autodidakt zum Regisseur ausgebildet.

Was habe ich denn getan?

Doch obwohl er mit seiner Arbeit nun im Hintergrund steht: Die Leute waren nicht fertig mit Kim Frank. In Klatschzeitungen und in sozialen Netzwerken werden seine Gewichtsschwankungen diskutiert. Jeder, der Frank nachts vor einem Hamburger Klub sah, hatte plötzlich eine Geschichte zu erzählen. Obwohl er selbst lange nicht sprach. Sechs Jahre hat Frank gar keine Interviews gegeben. Für eine ganze Generation war er der "Bravo"-Posterboy, der nun kiffte, trank, der zweifelte und taumelte. "Was habe ich denn getan?", fragt Frank heute. Erst jetzt sucht er wieder die Öffentlichkeit.

Als Regisseur muss Frank sich noch finden. Welche Geschichten will er als Filmemacher künftig erzählen? Welche Handschrift möchte er seinen Werken geben? Keine Komödien, sagt er. Eher politisch. Wahrheit. Veränderung. So was.

Bei der Arbeit hasst Frank Menschen, die ihr Handwerk nicht beherrschen. Ich bin ein Kontrollfreak, sagt er. Er will mit den Besten zusammenarbeiten. "Ich glaube, dass es wert ist, dass es viele Menschen mitbekommen, was ich mache." Hollywood ist kein Traum, wenn er seinen Job ernst nimmt, ist es die einzige Konsequenz.

Ich will Filme machen, die wehtun, sagte Frank. Dann musst du deine eigenen Filme schreiben, riet ihm Detlev Buck. Also schrieb Frank jedes Jahr ein Drehbuch. Jedes Jahr scheiterte er an der Finanzierung. Sein Regiedebüt "Wach" erzählt im Grunde von einer Welt, in der junge Menschen immer hören, dass sie alles werden können. "Aber das ist eine Lüge", so Frank. "Wir haben nicht alle die gleichen Chancen."

Der Film sollte eigentlich nur auf YouTube zu sehen sein. Für alle, einfach raus, auch egal jetzt. Vorher schrieb Frank noch eine Mail an die allgemeine Mailadresse info@funk.de, das Online-Jugendprogramm der Öffentlich-Rechtlichen. Große Hoffnungen machte er sich nicht. Doch gemeinsam mit dem "kleinen Fernsehspiel" im ZDF übernahmen sie schließlich die 600.000 Euro Produktionskosten. Als eine Redakteurin ihn anrief und sagte, dass sie den Film machen, war Frank gerade auf Island. Mit dem Handy in der Hand schaute er auf die Landschaft und weinte.

Kim Frank hat eine große Fähigkeit: Er kann bei Menschen Emotionen erzeugen. Und das tut er auch mit "Wach". Zu diskutieren wäre bloß die Annahme, es sei eine Lüge, dass man alles werden kann, was man will. Denn mit seinem bisherigen Leben hat Frank die These seines eigenen Films schon widerlegt.


"Wach": ab 17. September, 0.05 Uhr Uhr, ZDF. Ab 20 Uhr auf YouTube und funk.net

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