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Polizeiruf 110: Strapsen-Krimi à la Heidi

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"Polizeiruf" versus "Topmodel" Klum mit Mörtel im Gesicht

Wenn Heidi Klum wie eine Ruine aussieht: Der "Polizeiruf" aus Halle nimmt den Casting-Wahn à la "Topmodel" ins Visier. Der Strapsen-Krimi ist der letzte von Kommissar Schmücke, der wie ein Spanner durch die Model-Staffage läuft. Was für ein trauriger Abschied.

Mitten in den Auftakt der achten Staffel von "Germany's Next Topmodel" auf ProSieben platzt dieser MDR-"Polizeiruf": Es geht um falsche Versprechungen, zerstörte Träume und Zwangsprostitution im Umfeld eines Model-Castings. Als Gaststar wurde unter anderem der Ex-Heidi-Klum-Sidekick Thomas Rath engagiert, der hier einen Modelschinder mit penetrant schulmeisterlichem Augenaufschlag spielt. Also sich selbst. Und auch Ex-"Topmodel"-Anwärterin Sara Kulka, die bei der letztjährigen Staffel Platz vier belegte, läuft ein paarmal in Strapsen durchs Bild.

Man könnte diesen "Polizeiruf" mit dem fast unvermeidlichen Titel "Laufsteg in den Tod" als Abrechnung mit Klums Casting-Terror verstehen. Das fällt allerdings schwer: Der eingekauften "Topmodel"-Staffage gelingt es ja nicht einmal, sich selbst zu spielen, die Anspielungen aufs reale Modelgeschäft sind hanebüchen und der Plot ist ein Desaster.

Und trotzdem könnte sich Klum getroffen fühlen. Denn im Mittelpunkt steht eine Frau, die den schlimmsten der Klum nachgesagten Eigenschaften ein grausames Gesicht gibt: die Casting-Matrone Sylvia Gregori, verkörpert von dem Achtziger-Jahre-Männertraum Sonja Kirchberger. Der Star aus dem Erotikdrama "Die Venusfalle" wirkt inzwischen wie eine in Stahl und Beton nachgebaute Version ihrer selbst.

Klums monströse Schwester

Wenn Kirchberger ausnahmsweise mal ein Lächeln aufsetzt, glaubt man Mörtel aus ihrem Gesicht stauben zu sehen. Wenn sie wütend wird, meint man vor einem einstürzenden Wolkenkratzer zu stehen. Jähzorn, Geltungssucht, Ausbeutertum - all den Eigenschaften, die Kritiker der Klum unterstellen - verleiht die Kirchberger ein monströses Antlitz.

Aber wie kommt man gegen so ein Monstrum an? Ausgerechnet zu ihrer 50. und letzten Folge werden die von Jaecki Schwarz und Wolfgang Winkler gespielten Hauptkommissare Schmücke und Schneider noch einmal Opfer ihrer Tapsigkeit. Nach dem Mord an einem Möchtegern-Model bei einem Casting im Nirgendwo nähern sich die beiden unsicher der von Kirchberger verkörperten Unternehmerin, dieser Ausgeburt an Größenwahn und Geschäftswut.

Mag sein, dass die Verantwortlichen beim MDR gedacht haben, dass man den beiden älteren Herren zum Abschied noch einmal einen besonders provokanten Krimi schenkt. Mit nackten Tatsachen und brisanten Spekulationen. Doch falls "Laufsteg in den Tod" (Buch: Hans Werner und Peter Gust, Regie: Hans Werner) als Kritik an zynischen Inszenierungen wie Klums "Topmodel" gedacht sein sollte, schlägt diese Kritik voll auf den "Polizeiruf" zurück. Denn letztendlich nutzt man die sehr jungen Frauen in Strapsen und Bikini - wie nach "Topmodel"-Art - auch hier nur zur Staffage. Durch die schlurft Schmücke dann in seinem Trenchcoat hindurch, der aussieht wie das ultimative Spanner-Utensil.

Richtig schlimm wird es, als das Casting-Bashing zum ernsten Themenkrimi über Zwangsprostitution gewendet wird: Eine Minderjährige wird über die tschechische Grenze verschleppt, weil sie in Karlovy Vary ihren Körper an Freier verkaufen soll. Der "Polizeiruf" stößt damit auf gleiches Terrain vor wie Dominik Grafs "Das unsichtbare Mädchen". Während dort der Handel mit Mädchen in den Rotlichtbaracken nahe der Grenze aufgezeigt wird, geht es hier in ein Bordell, auf dessen Schild "Mädchenheim Karlsbad" steht und wo die fiesen Zuhälter-Caster schon ganz viele Möchtegern-Models hin entführt haben.

Mal abgesehen davon, dass dieses Konstrukt komplett hanebüchen ist - die posttraumatischen Aufräumarbeiten auf dem Laufstegstrich durch den alten Trenchcoatträger Schmücke sind in ihrer Vereinfachung geradezu verantwortungslos. Eines der jahrelang von älteren Herren missbrauchten Mädchen will in ihrer Scham nicht nach Hause zurück. Aber als ihr der Herr Kommissar sanft übers Haar streichelt, geht's ihr gleich besser.

Schlimm. Diese geradezu zynische Szene am Ende des Films behält man dann von Schmücke in Erinnerung.


"Polizeiruf 110: Laufsteg in den Tod", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

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