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"Like or Dislike": Angenuscheltes Profi-TV

Foto: ZDF/ Anja Jeschonneck

Doku mit YouTuber Dner Raus aus der Badewanne, rein in Trump-Country

Das ZDF schickt via Funk einen YouTuber in den US-Wahlkampf. Herauskommt "Like or Dislike?" - kein qualjugendlicher Hip-Versuch, sondern eine gelungene Doku über die Sorgen junger Amerikaner.

Das leicht Angenuschelte haben sie ihm gelassen, die schlackse Unbekümmertheit auch. Wer Felix von der Laden, 22 Jahre alt, von seinen YouTube-Videos als Dner kennt , fremdelt auch nicht mit seiner öffentlich-rechtlichen Version, in der er für das ZDF durch eine Doku über junge Amerikaner vor der Wahl führt. Das ist vielleicht die größte Leistung von "Like or Dislike? YouTuber Dner im US-Wahlkampf", einer gelungenen Kollaboration von klassischer Fernsehkunst und jungem YouTube-Ungestüm, die diesen Mittwoch erst Premiere in der ZDFmediathek und in der Funk-App hat, bevor sie nächste Woche im ZDF gezeigt wird.

Meistens ging es in der Vergangenheit gründlich schief, wenn traditionelle, tendenziell behäbige Medien ein lustiges Kerlchen oder Mädchen aus der Onlinekiste kramten, um mit einem Projekt die junge, in Offline-Belangen eher verschlossene Zielgruppe zu erreichen. Oft wählten die Produzenten treffsicher die falschen Jungfilmerinnen und Jungfilmer für ihre schon leicht abgewrackten Formate, weil sie dabei mehr auf die Abonnentenzahlen als auf das mitunter reichlich fragwürdige Oeuvre des YouTube-Kameraden schielten.

Wie eine solche Zusammenarbeit allerdings gelingen kann, ist fast so interessant wie der eigentliche Inhalt von "Like or Dislike", einer Besuchsrundreise bei der jungen US-Wählerschaft, die im November immerhin 36 Prozent der Stimmberechtigten stellen wird und deren Angehörige knallige Sätze wie "Trump ist eine körperliche Bedrohung für viele Menschen, Hillary wenigstens nur ein Stück Scheiße" sagen.

YouTuber mit 2,8 Millionen Abonnenten

Die Idee, als Presenter für diese Doku einen YouTuber einzusetzen, kam vom ZDF, sagt Adrian Stangell von der Produktionsfirma Nordend Film. "Dann ging die Debatte los: Wen schicken wir? Können YouTuber gestandenen Profis wie Claus Kleber oder Marietta Slomka das Wasser reichen? Und müssen sie das überhaupt?" Glücklicherweise entschied man sich für den filmisch sehr versierten Felix von der Laden, der unter seinem Künstlernamen Dner für seine 2,8 Millionen Abonnenten Gaming-Videos, aber auch aufwendige Vlogs dreht, in die er teilweise bis zu acht Stunden Schnittarbeit steckt.

Tatsächlich ist er einer der YouTuber, die einem den Glauben an den Wert der Plattform wiedergeben können, wenn man als altersmäßig deutlich über der Zielgruppe liegender Mensch wie durch eine versteckte Katzenklappe in einer sonderbaren Welt gelandet ist, in der in Deutschland momentan viele junge Videomacher vor allem mit stumpfem Schrott erfolgreich sind. "Die Badewanne" nennt von der Laden dieses Dilemma - besonders erfolgreich sind derzeit tatsächlich geistesfeindliche Clips, in denen die Protagonisten in Badehose in einer Wanne sitzen und sich in bottichweise Nutella suhlen oder mit Massen von frittierten Hähnchenteilen übergießen.

Das sind Inhalte, von denen von der Laden sich abgrenzen will: "Vor ein paar Jahren habe ich noch stolz erzählt: Ich bin YouTuber, das ist mein Leben, ich mache, worauf ich Bock habe - und das war cool. Mittlerweile denkt man dabei aber auch an Leute, die sehr fragwürdige, geschmacklose Videos machen. Damit möchte ich eigentlich nichts zu tun haben." Allerdings sei das ein Problem, unter dem YouTube als mittlerweile Mainstream-Medium nicht alleine leide: "Im Fernsehen gibt es ja auch nicht nur tolle Dokus, sondern auch Trash-TV."

Vor den aufwendigen Dreharbeiten in den USA habe man natürlich schon überlegt, ob man den Moderations-unerfahrenen 22-jährigen etwas in Form coachen sollte, sagte Stangell. "Das ZDF war dann mutig genug, zu sagen: Wir lassen ihn, wie er ist, und wir lassen es einfach drauf ankommen." Von der Laden bereitete sich einfach selbstständig vor: "Ich habe mir ein paar Claus-Kleber-Dokus angeschaut."

Unaufgeregte Natürlichkeit und schnurrende Dramaturgie

Tatsächlich wirkt er recht gelassen, wenn er dann auf einer 400-Hektar Farm in Kansas mit einem jungen Landwirt im Hirsefeld steht und mit ihm über Donald Trumps Hassreden plaudert. Oder mit Zwölftklässlern an einer New Yorker Schule über das Waffenrecht. Er schmiegt sich im schwitzigen Group-Hug auf dem Burning-Man-Festival in der Wüste Nevadas an freundliche Utopisten, geht mit der schwarzen Bürgerwehr in Detroit auf Patrouille und spricht mit Mitgliedern der LGBT-Gemeinde vor dem Nachtklub Pulse in Orlando, bevor er leger mit ihnen longboarden geht.

Man schaut gerne zu, weil die Doku Gutes aus beiden Welten vereint: Mittendrin-Filmmaterial aus von der Ladens Vlogs gemischt mit Profi-TV-Aufnahmen, unaufgeregte Natürlichkeit gepaart mit schnurrender Dramaturgie und gut recherchierten Protagonisten. Statt Zuspitzungen oder Analysen gibt es viel O-Ton, die Doku ist kein Erklärstück, sondern ein Sammelalbum.

"Uns war klar, dass man einen YouTuber nicht einfach in Situationen setzen kann, in die man einen klassischen Journalisten reinsetzen würde. Da raucht man einfach ab, wie jeder Anfänger abrauchen würde", sagt Adrian Stangell. "Unser Ansatz ist daher ganz natürlich: Felix trifft Leute in ihrem Alltag, und sie erzählen aus ihrem Leben. Sie sitzen sich nicht in Sesseln gegenüber und die Lampe geht an."

Einmal bezieht Felix von der Laden allerdings auch selbst Position: Als ihn die Schülerinnen in New York nach der Situation in Deutschland fragen, und er über den auch für ihn beängstigenden Erfolg der AfD spricht. "Vor drei Jahren erschien einigen diese Partei noch harmlos", kommentiert er als Off-Sprecher und meint damit auch sich selbst. 2013 wurde er als Erstwähler von der "Bild" damit zitiert, er wähle die AfD: "Die etablierten Parteien haben sich von den Bürgern entfernt." "Heute finde ich diese Partei echt schlimm", sagt er in "Like or Dislike." Und weiß gleichzeitig, dass das Internet sein Zitat von damals nie vergessen wird. "Ich habe mich damals komplett distanziert, mehr konnte ich nicht machen. Es ist inzwischen hoffentlich jedem klar, was meine Haltung ist und wie scheiße ich die AfD finde", sagt er. "Das ist der größte Fehler, den ich in meiner ganzen YouTube-Zeit gemacht habe."

Am 27. Oktober läuft "Like or Dislike" schließlich im ZDF - um 0.45 Uhr, gut verräumt vor möglichen jugendlichen Zuschauern, die den Film aber wohl eh schon online gesichtet haben, ab Sonntag ist er nämlich auch auf Dners YouTube-Kanal verfügbar. Eine Programmpolitik ganz im Sinn von Felix von der Laden: "In den USA haben die großen Fernsehanstalten schon viel Produktionsgeld in den Onlinebereich umgeschichtet. Ich hoffe, dass wir diesen Turn in Deutschland auch schaffen."

Ein kleiner geistiger Turn bei seinen Zuschauern ist vielleicht auch noch drin. Unter ein YouTube-Video, in dem von der Laden seine ZDF-Sendung ankündigt, schreibt ein Zuschauer in den Kommentaren: "Das wäre dann die erste Doku, die ich mir anschaue."

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