»LOL: Last One Laughing« bei Amazon Prime Wer lacht, verliert

Comedians wie Barbara Schöneberger, Carolin Kebekus und Teddy Teclebrhan versuchen, sich gegenseitig zum Gackern zu bringen. Schade, dass der Streamingspaß nach drei Stunden vorbei ist.
Szene aus »LOL«: Bröckelt die Showfassade?

Szene aus »LOL«: Bröckelt die Showfassade?

Foto: Michael Ostermeier / Amazon Corporate

Ungefähr so muss die Hölle aussehen, zumindest, wenn man ein Mensch aus der Comedywelt ist: Man witzelt und kaspert, man hampelt, zappelt, grimassiert – und sieht in tote Augen und fahle Gesichter: Keiner lacht.

Zehn Comedians werden im neuen, sechsteiligen Amazon-Format »LOL: Last One Laughing« sechs Stunden zusammengesperrt, nur einen Lach- oder Grinseausrutscher dürfen sie sich in dieser Zeit erlauben, um im Wettbewerb zu bleiben. Michael »Bully« Herbig wacht im Nebenraum mittels Monitorwand über jedes Mundwinkelzucken und eskortiert die Ausgeschiedenen im Grinsefall aus der Show. Das ursprünglich japanische Format lief auch schon in Australien und Mexiko, für Deutschland wurde es nun von Constantin Entertainment für Amazon mit einem sehr guten Cast adaptiert: Anke Engelke, Wigald Boning, Teddy Teclebrhan, Torsten Sträter, Barbara Schöneberger, Carolin Kebekus, Max Giermann, Kurt Krömer, Rick Kavanian und Mirco Nontschew kämpfen um das Preisgeld von 50.000 Euro, das für einen guten Zweck gespendet wird.

»Last One Laughing« macht Spaß, weil das Format verschiedene Schichten der Rezeption anbietet: Späteren Humorarchäologen liefert es ein breites Spektrum dessen, was heute so als lustig erachtet werden kann. Denn die einzelnen Comedians stellen sich abwechselnd ins Rampenlicht, um kleine Nummern zu improvisieren, während die anderen höflich zuschauen, aber idealerweise keine Regung zeigen.

Hochvirtuose Furzimitöse

Wie eine Leistungsschau der Humor-Handwerkskunst fächert die Sendung ein Spektrum auf, das von sehr handfesten Geräuschgags (Mirko Nontschew) über Charakterkomik (Kurt Krömer) bis zu fast körperlosem, sorgsam wie ein komplexes Domino-Day-Motiv aufgebautem Schachtelsatzspaß (Torsten Sträter) reicht. Und irgendwo dazwischen erweist sich Carolin Kebekus als hochvirtuose Furzimitöse mit flatternden soziologischen Untertönen.

Zoomt man näher heran, kann man jeden und jede einzelne Comedian dabei beobachten, wie sie mit ihrem programmierten Scheitern umgehen: Machen sie unverdrossen weiter, wenn die erhoffte und gewohnte Lachreaktion ausbleibt, oder geraten sie ins Schwanken, rieseln gar sanft feine Brösel von der Showfassade? Und schließlich sind auch die Interaktionen interessant. Wer findet was – und wen – lustig? Die beteiligten Comedians funktionieren ja ähnlich wie Pokémon, die von bestimmten anderen Pokémon effektiver verwundet werden können als von anderen und die ihrerseits besonders schlagkräftig gegen wieder andere Kameraden eingesetzt werden können.

Es macht Spaß zu beobachten, wer auf wen reagiert: Wessen Humorzentrum bebt am heftigsten, wenn Teddy Teclebrhan in seiner Paraderolle als emofrisettiger Percy seinen Plüschhamster anranzt, er solle jetzt mal »die Pfresse« halten, ey? Wer beginnt unkontrolliert zu keckern, wenn Torsten Sträter erklärt, Wigald Bonings zuweilen erratischer Kleidungsstil ergebe sich aus dem Umstand, dass er einfach in jene Klamotten schlüpfe, die ihm »eine dressierte Ente täglich und willkürlich aus seinem Nick-Knatterton-Fundus zieht«? Wem wird Max Giermanns pathosreicher, aber technikdürrer Zauberer gefährlich, den er mal eben im Umkleideraum zusammenimprovisiert? Und wie gut passen ihre Komik-Kunstfiguren zusammen?

Antlitz einer schmerzhaften Muttergottes

Wunderbar kann man das beobachten, wenn Carolin Kebekus in einem kleinen Stand-up ein Arsenal an Synonymen für die weibliche Masturbation vorschlägt (»das Wurstfach putzen«, »die Muschel bimmeln«) und ein paar Kolleginnen und Kollegen Coverversionen davon improvisieren: Max Giermann liest die Liste als Karl Dall vor, Anke Engelke packt Popsofa-Ricky aus, Mirko Nontschew einen Rap.

Am liebsten würde man all das in Echtzeit sehen, tatsächlich sind die sechs Stunden Challenge-Zeit in der Endfassung auf die Hälfte verkürzt. Es ist schade, dass die Produktion den Zuschauern keine ausführlicheren, ungestörten Beobachtungsphasen gönnt und ihnen nicht mehr Qualen zumutet. Dass die reichlich vorhandenen Kameras nicht länger drauf- und dranbleiben, wenn Kebekus' Gesicht sich bei den fast schon selbst schmerzhaft spürbaren Anstrengungen, sich das Lachen zu verknapsen, höchst expressiv vom Antlitz einer schmerzhaften Muttergottes zu den Qualen einer Zu-heiße-Suppe-Schlürfenden verzieht, und man nicht beobachten kann, wie lange genau Giermann seine Grotesk-Grimasse halten kann, in die er stets flüchtet, wenn der Lachdrang ihn zu übermannen droht. Stattdessen werden Einzelinterviews als oft störende Stopper eingebaut, in denen die Mitwirkenden zum Beispiel erklären, dass es echt schwierig sei, nicht zu lachen. Das würde man freilich lieber noch genauer sehen als hören.

Immer wieder wird zwischendurch auch zu Herbig geschnitten, der sich in seinem Kontrollraum zusammen mit den bereits ausgeschiedenen Lachmenschen beömmelt, und so glaubwürdig und sympathisch das sein mag, dass er sich über seine eigene Sendung freut: Das Schöne an »LOL« ist ja auch, dass man das Gesehene ganz ohne die sonst bei TV-Comedy üblichen, animierdamigen Anlacher, Warmschmunzler und sonstigen Reaktionsempfehlungen einfach so lustig findet, weil viele Szenen aus sich heraus komisch sind, freiwillig oder nicht. Fast gerührt ist man dann, wenn sich die Comedians schließlich ergeben, eine nach dem anderen. Wie eine Dali-Uhr fließt Kurt Krömer geschlagen von seinem Sessel, nachdem ihm eine simple Blockflöte schließlich ein Lachen abgerungen hat. »Über tote Hunde lacht man nicht«, wird er später bei anderer Gelegenheit noch streng verfügen. Dass bei »LOL: Last One Laughing« auch dieses eherne Gesetz ins Wanken gerät, spricht ausnahmsweise für das Format.

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