Europa-Talk bei Maischberger Gefährliche Zündeleien

Moderatorin Sandra Maischberger: Zweifelhafte Gästewahl
Foto: Henning Kaiser/ dpaBereits der Titel hatte einen unangenehmen Beiklang. "Euroland ist abgebrannt", behauptete Sandra Maischberger, um die spekulative Frage anzuschließen: "Comeback der Nationen?" Da war offenbar ziemlich verzweifelt nachgedacht worden, um das bereits bis zum Überdruss abgehandelte Thema ein weiteres Mal auf eine Talkshow-Tagesordnung zu hieven - notfalls auch per Rückgriff auf einen schwer erträglichen, ressentimentgeladenen, zündelfreudigen Populismus, wie sich denn auch prompt anhand der personellen Bestückung erweisen sollte.
Und damit sind keineswegs Oskar Lafontaine und Thilo Sarrazin gemeint, die ja auf je ihre Weise gelegentlich schon mal die Grenzen austesteten - der eine mit großer rhetorischer Begabung, der andere trotz Fehlens einer solchen.
Nein, diese beiden saßen vergleichsweise brav zusammen auf ihrem Sofa.
Als unangefochtene Problemfigur dieser Veranstaltung wurde vielmehr ein gewisser Frank Stronach auffällig, mit einigem Abstand gefolgt, man muss es leider sagen, von der Moderatorin.
Herr Stronach stammt aus Österreich, hat es in Kanada als Gründer des Magna-Konzerns zum Milliardär gebracht und ist, inzwischen 80-jährig, in seine Heimat zurückgekehrt, um dort eine, milde ausgedrückt, nationalistische Partei zu gründen. Deren Programm besteht darin, den Euro samt der Idee eines geeinten Europa für das Böse schlechthin zu halten. Herrn Stronachs persönliche Sicht der Dinge lässt sich in etwa so zusammenfassen: Die Wirtschaft ist gut, die Politik hingegen schlecht und der Südländer liegt am liebsten in der Sonne und trinkt Wein.
"Sie machen mir Angst"
Weshalb er in dieser Runde saß, blieb unerfindlich. Falls Frau Maischberger demonstrieren wollte, auf welch niedrigem gedanklichem Level sich jemand über die Euro-Krise auslassen kann, so ist ihr dies jedenfalls vollauf gelungen. Gegen diese These sprachen allerdings das unverhohlene Interesse und die Zeit, die sie diesem sehr speziellen Gast widmete. Als wäre sie plötzlich in die Rolle der Jungreporterin irgendeines People-Magazins geschlüpft, befragte sie den Selfemademan und Selbstdarsteller in einer Ausführlichkeit, die unter anderem auf eine bemerkenswerte Unhöflichkeit gegenüber den anderen Anwesenden hinauslief.
Vor allem aber bot sie einem eitlen Möchtegern-Politiker mit hoch bedenklichen Ansichten ein Podium, auf dem er nicht nur unbehelligt, sondern auch noch von der Gastgeberin ermuntert seine Schwadronade herunterknödeln durfte. Dabei klang er teilweise wie die Mischung aus einem Wiedergänger des unseligen Jörg Haider und einem amerikanischen Erweckungsprediger.
Mit versteinerten Mienen verfolgten der linke Ex- und der rechte Immernoch-Sozi das fragwürdige Spiel. Franziska Brantner, Europa-Abgeordnete der Grünen, wirkte ebenso fassungslos wie ihr Kollege Jorgo Chatzimarkakis von der FDP. Dem entfuhr erst später, nachdem Stronach noch mehrfach mit immer den gleichen populistischen Plattheiten zu Wort gekommen war, irgendwann der bezeichnende Satz: "Sie machen mir Angst."
Doch bei allen Risiken hatte das Peinliche dieses Abends auch eine unvermutete, zumindest für das Auftreten Lafontaines und Sarrazins positive Nebenwirkung. Im Kontrast zu dem, was da von gewisser Seite geboten wurde, wirkten sie auf einmal regelrecht harmlos, vergleichsweise maßvoll und weit entfernt von ihrem gängigen Image der Spekulanten auf bestimmte Stimmungen. Sarrazin gab sich zwar wieder einmal ein bisschen besserwisserisch mit seiner Zahlenhuberei, wirkte aber nicht unbedingt wie eine Randfigur des großen Diskurses über die europäische Zukunft, zu dessen Mainstream bekanntlich auch warnende Stimmen verschiedener Couleur gehören. Richtigen Streitstoff lieferte er jedenfalls nicht.
Von nicht weggeräumten Socken und französischen Chansons
Und Lafontaine? Auch der wusste selbstverständlich vieles besser als die anderen, erweckte dabei aber sehr gekonnt den Eindruck, dass er es tatsächlich weiß. Und da er dies ganz im Stil des verantwortungsbewussten Europäers tat und neben der pflichtgemäßen Kritik am verfehlten Krisenmanagement der Kanzlerin auch noch eine kleine Würdigung für Helmut Kohl einflocht sowie ein zumindest halbwegs anerkennendes Wort für Peer Steinbrücks Bankenbändigungsplan fand, endete die Debatte irgendwann so, wie Euro-Krisen-Debatten unter einigermaßen vernünftigen Menschen in diesen Tagen meist zu enden pflegen: bei der Feststellung, dass die Euro-Rettung billiger ist als ein Crash und dass es notwendig ist, der Währung endlich ihr strukturelles Fundament in Form einer Föderation zu geben.
Bis es dann doch noch zu diesem Finale links-gelb-grüner Eintracht kam, war indes eine Menge Zeit schon damit vertan worden, Mutmaßungen über nationale Mentalitätsunterschiede auf unterem Stammtischniveau anzustellen. Es war, als hätte der Stronachsche Virus vorübergehend die Hirne vernebelt.
Apropos Nebel: Der ist neben anderen widrigen Wetterphänomenen laut Sarrazin der Grund dafür, dass im Norden besser gewirtschaftet wird als im sonnigen Süden, wo dauernd Urlaubsstimmung herrscht. Frau Brantner warf daraufhin ein, dass die Wirtschaftskraft der Lombardei aber größer sei als die Baden-Württembergs, was Sarrazin zu dem Einwand veranlasste, auch in der Lombardei herrsche oft Nebel.
Chatzimarkakis wiederum erklärte die nord-südländischen Mentalitätsunterschiede mit der roten Ampel. Die sei für den Deutschen Gebot, doch für den Franzosen lediglich Referenzgröße. Sarrazin fiel zum europäischen Zusammenleben als Metapher dann noch etwas über Paarbeziehungen und nicht weggeräumte Socken ein. Und Lafontaine offenbarte sein Herz für französische Chansons, italienisches Essen und den Flamenco, die allesamt eine Bereicherung des Lebens bedeuteten.
So ereilte denn diese Talkshow in etwa jenes Schicksal, von dem zu hoffen ist, dass es Europa erspart bleibt: Sie driftete auseinander, mal hier hin, mal dort hin, aber kaum in eine gute Richtung, schon gar nicht zu neuen Ufern der Erkenntnis. Höchstens zu der, dass es von dieser Variante kein Comeback geben möge.