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ZDF-Kabarettshow: Mann! Sieber! Lustig?

Foto: ZDF/ Frank W. Hempel

ZDF-Show "Mann, Sieber!" Neokabarett, das niemand vermisst hat

Mit "Mann, Sieber" erweitert das ZDF sein Satire-Angebot um eine weitere "Late-Night"-Variante. Langsam wird es eng im Regal.

Es geht nicht mehr ohne drolligen Vorfilm. Spätestens seit Jan Böhmermann muss jede satirisch gemeinte Sendung in Deutschland mit einem klamaukigen Einspieler vorweg ihre Ironiefähigkeit unter Beweis stellen. Hier versuchen Christoph Sieber und Tobias Mann noch auf der Fahrt ins Studio verzweifelt, einen prominenten Gast einzuladen. Gerade haben Hugo Egon Balder ("Wer sind Sie?") und Hella von Sinnen abgesagt ("Eine Sendung von zwei Männern? Ist mir zu schwul!"), da fährt das Duo ganz programmatisch Oliver Welke über den Haufen. Irgendwo zwischen Comedy und "heute-show" ist noch Platz für "Mann, Sieber", so die Botschaft.

Die Idee, das Weltgeschehen aus der Perspektive zweier charakterlich verschiedener, im Zweifelsfall aber einiger Akteure zu betrachten, ist nicht neu. Aber auch nicht ohne Charme. Was bei Waldorf und Statler oder Bodo Hauser und Ulrich Kienzle geklappt hat, läuft bei Tobias Mann und Christoph Sieber noch nicht ganz rund. Mann sollte den Optimisten, Sieber den Skeptiker repräsentieren.

Aber dann spielen sich beide Kabarettisten schon bei der Vorstellung so flott die Bälle zu, dass unterschiedliche Weltanschauungen unkenntlich werden. Wobei die Gags gerne ins Derbe rutschen, wenn sie nur in die richtige Richtung rutschen. Dann darf der anonyme Pöbler auf Facebook herzhaft als "Arschloch" abgewatscht werden, weil's gerade so gut tut und auch stimmt. Und wer ist wohl ein "fleischgewordener Beweis dafür, dass der Hirntod noch nicht das Ende ist"? In diesem Fall ist es Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich - bei dem es übrigens "nicht einmal für einen Nachnamen gereicht hat".

Scheint also nicht viel los gewesen zu sein in der vergangenen Woche, wenn der satirische Wochenrückblick schon auf Namenswitze zurückgreifen muss. Zur Flüchtlingskrise heißt es, in Arabien seien sie ganz vernarrt in die Kanzlerin, dort pilgerten sie schon "zu Angela Mekka", die an anderer Stelle als "Miley Cyrus für Vertriebene" charakterisiert wird. Schließlich haben "Horst Seehofer und die Grenze zu Österreich eines gemeinsam - beide sind nicht ganz dicht". In Gags dieser Güteklasse äußert sich ein diffuser "common sense", der sich seines politischen Standpunkts nicht so sicher ist, wie er tut.

Lohnende Momente hat "Mann, Sieber" immer dann, wenn dieser Standpunkt tatsächlich theatralisch verhandelt wird. Als Mann bei seinem Monolog über die Probleme mit dem Gewehr G36 von Sieber unter Militarismusverdacht gestellt wird, setzt er behutsam nochmal neu zum Eiertanz an: "Wenn ein deutscher Soldat schon mal zu einem Gewehr greift, dann hat es doch viel Schönes, wenn er das, was er treffen will, auch treffen kann".

Die publizistische Verwertbarkeit der Flüchtlingskrise wird in einem medienkritischen Sketch beleuchtet. Während "Bild"-Redakteure auf Fotos von Flüchtlingsbooten händeringend nach "Busenblitzern" suchen und SPIEGEL-Redakteure lieber "was mit Hitler" machen würden, entschließt man sich beim "Stern" für einen der üblichen Gesundheitstitel: "Rückenkiller Flüchtlingsboot".

Auch wenn Sieber ganz trocken und beharrlich per Diaprojektor doziert, dass Deutschland alle aktuellen Krisenherde mit Waffen beliefert, löst sich der Ernst in Erkenntnis auf: "Da kann man auch, wenn's beim Kindergeburtstag Streit gibt, gleich einen Messerblock in die Mitte stellen". Fazit: "Die Menschen fliehen vor uns, und zwar zu uns". Weshalb es nun hierzulande "zum Äußersten kommt: Merkel hat sich in die Debatte eingeschaltet".

Der Rest ist routiniertes Neokabarett auf dem inzwischen etablierten ZDF-Niveau. Es gibt nachgespielte Werbefilmchen ("Merkel - Wie das Land, so die Kanzlerin), ein per Schnitttechnik zum sinnfreien Rappen gebrachter "MC" Claus Kleber oder eine Talkshow-Vorhersage", bei der Gäste und Themen einfach ausgewürfelt werden. Je nach Gemüt mag man das kurzweilig oder lahm finden, neue Akzente setzt diese solide Diversifizierung von Bewährtem aber nicht. Sollte es so weitergehen, bliebe "Mann, Sieber" das "missing link" zwischen Comedy und "heute-show", das bisher niemand vermisst hat.

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