"Illner" zur Frankreich-Wahl "Das Beste an Macron ist, dass er nicht Le Pen ist"

Moderatorin Maybrit Illner (M.) mit Gästen
Foto: ZDF/Svea PietschmannDie Sendung: Marine Le Pen und ihr Front National oder der konservativ-sozial-neoliberale Ex-Wirtschaftsminister und Banker a.D. Emmanuel Macron? Am Sonntag entscheiden die Franzosen, wer ihr neuer Präsident wird, und ihre Entscheidung hat gravierende Folgen für Deutschland und Europa. Umfragen zufolge ist Macron klarer Favorit. Experten halten einen Sieg Le Pens aber nicht für ausgeschlossen. Entsprechend alarmistisch klang es bei Maybrit Illner, die fragte: "Frankreich vor der Wahl - Europa am Ende?"
Die Gäste: Kanzleramtschef Peter Altmaier; der französische Republikaner-Politiker Bruno Le Maire, vormals Minister unter Sarkozy; Linken-Parteichefin Katja Kipping; Politologin Ulrike Guérot; ZDF-Frankreich-Korrespondent Theo Koll; im Einzelgespräch: Politikberater Stefan Petzner, einst Sprecher und Generalsekretär von FPÖ-Chef Jörg Haider.
Die Debatte: Es gab viel Konsens im Grundsätzlichen, aber dennoch genug Stoff für kritisches Reden über die Lage der Nationen im kriselnden Europa. Dass keiner der Anwesenden jemand anderen im Élysée-Palast sehen wollte als Macron, überraschte kaum. Echte Begeisterung kam dabei jedoch ebenfalls kaum auf. Macron sei "der Kandidat, dem wir Glück wünschen", formulierte es Altmaier noch am freundlichsten. Der Konservative Le Maire, der ebenso wie der CDU-Mann das Fehlen einer Wahlempfehlung des Linksaußen Jean-Luc Mélenchon beklagte, brachte es so auf den Punkt: "Zwischen mir und Macron gibt es Unterschiede, aber zwischen mir und Le Pen eine Unmöglichkeit."
Politikwissenschaftlerin Guérot sprach denn auch von "Gefahrenabwehr", um die es jetzt angesichts der tiefen Spaltung und großen Instabilität des Landes erst mal gehe - nach dem "großen Scheitern aller klassischen Parteien", wie Le Maire es ohne jeden Versuch der Beschönigung nannte. Und während Korrespondent Koll sich - Trump hin, Brexit her - "relativ überzeugt" vom Macron-Sieg zeigte, zog sich die Linke Kipping, ähnlich wie tags zuvor Gregor Gysi bei Maischberger, auf die Minimalposition des kleineren Übels zurück: "Das Beste an Macron ist, dass er nicht Le Pen ist."
Einblicke: Die Franzosen hätten eine "retardierende Selbstwahrnehmung", sinnierte Koll, als es um die Frage der dringend notwendigen Reformen, aber auch das Erstarken der Rechten im Lande ging. Deutschlands aufgrund der Wiedervereinigung gewachsene Größe und seine Erfolge wirkten da oft enervierend. Le Maire sah das ähnlich, die Populisten machten Kanzlerin Angela Merkel zum Sündenbock für Frankreichs Probleme. Für Kipping, vor allem aber Guérot, die - wie auch bei früheren Gelegenheiten schon - vehement für eine "völlige Neustrukturierung der Eurozone" warb, stand indes fest, dass die deutsche Dominanz ein Ende haben müsse.
Erklärungsversuche: Guérot ging so weit, die "deutsche Fehlsteuerung der Eurozone" mitverantwortlich für Le Pens Stärke zu machen, was Altmaier nun gar nicht verstehen mochte, der ein bisschen floskelhaft die Tradition des deutsch-französischen Verhältnisses und den europäischen Konsens beschwor. Während die Politologin an Weimarer Zeiten erinnerte (Stichwort: Annäherung der Extreme), war es der ehemalige FPÖ-Politiker Petzner, der in einer Art Kurzseminar eine bemerkenswert prägnante Analyse zur Funktionsweise des Populismus lieferte und dabei besonders auf die Verwendung ausgesprochen linker Positionen im Sozialen hinwies. Die Populisten versprächen zugleich die Wiederherstellung der Kontrolle, nicht nur über die Grenzen, und das Aussperren der Globalisierung. Ihren Erfolg verdankten sie diesem Links-Rechts-Mix. Da musste Kipping aber dann doch gewisse Unterschiede hervorheben, etwa den, dass es den wahren Linken um Menschenrechte und "Freiheit von Armut für alle" gehe.
Ausblicke: Gegen Ende meldete sich der geläuterte österreichische Ex-Populist noch einmal mit einem flammenden Appell: Macron sei die "letzte Chance für eine nicht extreme Politik", andernfalls drohe bei der nächsten Wahl ein Le-Pen-Sieg. Die letzten Minuten der eher moderat verlaufenen und gut moderierten Sendung gingen dann in allgemeinem Stimmengewirr unter. Auch der Name Gerhard Schröders fiel, der mit seiner Agenda erleben musste, dass Reformpolitiker manchmal bestraft werden.