Geheimdienst-Talk bei Illner Scheinheiligkeit in aller Freundschaft

US-Botschaft in Berlin: Wellen der Empörung
Foto: Soeren Stache/ dpaEs sind schon denkwürdige Zeiten, in denen ein Telefonat zwischen der deutschen Kanzlerin und dem US-Präsidenten einen eigenen Nachrichtenwert gewinnt. Spione fliegen auf und raus wie einst in kalten ost-westlichen Tagen - natürlich heute in aller Freundschaft. Doch wenn von dieser noch die Rede ist, folgt gleich ein "aber" mit dem Hinweis auf die Pflicht der Bundesregierung, die deutschen Bürger vor Ausspähung zu schützen, so zu hören von Kanzleramtsminister Peter Altmaier bei Maybrit Illner.
Regelrecht traurig sinnierte er darüber, dass es doch eigentlich unter Freunden nicht üblich sein sollte, einander das Leben schwer zu machen. Und ein bisschen mokant erinnerte Horst Teltschik, einst Berater des Kanzlers Kohl, daran, dass deutsch-amerikanische Gespräche früher einmal derart offen und vertrauensvoll waren, dass es darüber hinaus für die CIA gar nichts zu lauschen gegeben habe.
Ja, es ist ziemlich weit gekommen mit dem transatlantischen Verhältnis seit den Enthüllungen des Edward Snowden vor gut einem Jahr. Talkshows, von denen es zu diesem Thema mittlerweile reichlich gab, machen zwar noch keine Politik, aber sie liefern doch immer wieder Hinweise auf klimatische Veränderungen und Zustände. Längst hat sich in dieser Sache eine Rhetorik etabliert, bei der sich die Grenzen mehr und mehr zu verschieben scheinen - jenseits aller einmal als unverbrüchlich geltenden Verbindlichkeiten. Leicht schleichen sich Untertöne von Sarkasmus ein, wenn nicht gar von Zynismus.
Das oppositionelle deutsche Unbehagen
Aber so, wie es bei ihm klang, meinte der frühere Deutschland-Botschafter John Kornblum es vermutlich sogar ganz ernst, als er konstatierte, eigentlich sei er froh, dass es zum Hinauswurf des Berliner CIA-Mannes und der Enttarnung des Maulwurfs gekommen sei - ein Vorgang im Sinne der Klärung und Aufklärung.
Da konnte ihm selbst Konstantin von Notz beipflichten, der für die Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss sitzt und in dieser Illner-Runde zusammen mit der Netzaktivistin und Piratin Anke Domscheit-Berg so etwas wie das oppositionelle deutsche Unbehagen in seiner härteren Variante verkörperte. Er war es auch, der provokant den einst gern wie im Reflex zitierten Begriff der Wertegemeinschaft ins Spiel brachte: Mit der könne doch wohl etwas nicht stimmen, wenn 25 Jahre nach dem Ende der DDR nun die Deutschen allesamt abgehört würden.
Es hätte der Einstieg in eine grundsätzlichere Diskussion sein können, zu der es allerdings nur in Ansätzen kam. Nach den Anschlägen vom 11. September habe sich nun einmal psychologisch etwas verändert, dozierte Kornblum und räumte immerhin ein, dass der Großteil der amerikanischen Bevölkerung in puncto Vorbehalt gegen Überwachung eher wie die Deutschen denke. Aber zugleich kam dann der Vorwurf an Letztere, es fehle ihnen oft an "Verständnis für die Werte". Immer wieder gebe es in Deutschland seit Jahren "Wellen der Empörung" gegen die USA, nicht gegen die Russen, klagte er bitter, um dann aber ebenfalls zu Protokoll zu geben, dass er dem nicht allzu viel Bedeutung beimesse.
Irritierender Vergleich
Heikel bis ärgerlich wurde es, als es um die strittige Frage der Zeugenvernehmung Snowdens und seines möglichen Asyls in Deutschland ging, worauf der Grüne und die Piratin unisono pochten. Altmeier und Teltschik wollten davon erwartungsgemäß nichts wissen, während der amerikanische Halb-Freund einen irritierenden Vergleich anstellte und auf Martin Luther King verwies, der für seine Überzeugungen wenigstens noch ins Gefängnis gegangen sei, während Whistleblower Snowden beim Despoten Putin Unterschlupf gesucht und gefunden habe. Altmeier steuerte dann noch eilfertig die kaum luzidere Überlegung bei, dass ein Schweizer Banker, der Steuer-CDs anbiete, schließlich auch kein Asyl beantragen könne.
Da war es nahezu wohltuend, dass Gastgeberin Illner irgendwann auch den Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom ins Gespräch einbezog, das dadurch insofern einen anderen Spin bekam, als sich der Blick nun auf die auch nicht eben rühmliche Rolle der deutschen Dienste richtete. Die hätten, was ihre dauerhafte Zusammenarbeit mit CIA, NSA und anderen US-Diensten betreffe, natürlich einen politischen Maulkorb verpasst bekommen, befand der Experte mit kaum verhohlenem Spott.
Und während Frau Domscheit-Berg gleich für komplette Abschaffung der Geheimdienste plädierte, da sie dank ihrer totalitären Struktur nicht zur Demokratie passten und zudem in der digitalen Welt außer Kontrolle gerieten, ließ es sich der Kanzleramtsminister wenigstens nicht nehmen, den Ruf nach einer politischen Debatte über die Rolle der Dienste anzustimmen. Es gebe da "politischen Handlungsbedarf" - wer hätte das gedacht? Schmidt-Eenboom hatte auch gleich den Rat parat, die Europäer sollten untereinander stärker kooperieren.
Zudem fand sich sogar ein Aspekt, bei dem am Ende ein relativ weitgehendes Einvernehmen erzielt wurde - nämlich darüber, dass es in dieser ganzen Angelegenheit ein beträchtliches Maß an Scheinheiligkeit gebe.