"Maybrit Illner"-Talk Wie Willy Brandt bei "Let's Dance"

Eine Sendung voller Verteidiger: CDU-Mann Paul Ziemiak für seine angeschlagene Parteichefin, Karl Lauterbach für die Vorsitzenden-Kür der SPD. Und dann war da noch die Frage, was die AfD mit Emanzipation zu tun hat.
Maybrit Illner: Man stelle sich vor, Willy Brandt hätte so etwas mitmachen müssen

Maybrit Illner: Man stelle sich vor, Willy Brandt hätte so etwas mitmachen müssen

Foto: ZDF/ Christian Schoppe

"SPD ohne Führung, CDU ohne Richtung - geht die GroKo im Osten unter?", hatte Maybrit Illner ihre erste Sendung nach der Sommerpause überschrieben. Um die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen ging es aber erst im letzten Drittel. Zunächst wurden die jüngsten Äußerungen Annegret Kramp-Karrenbauers über Hans-Georg Maaßen sowie die Vorsitzenden-Kür der SPD erörtert.

Der AKK-Komplex des Abends: Es begann ungemütlich für Paul Ziemiak. "Wie kommt es, dass man die Parteivorsitzende so oft missversteht?", wandte sich Illner wegen der von Kramp-Karrenbauer ausgelösten Diskussionen über einen Parteiausschluss Maaßens an den Generalsekretär. Und der geriet ins Lavieren: In der CDU sei "Platz für alles, was auf Grundlage des Grundsatzprogramms der Union passiert". Von der Gastgeberin mit dem AKK-Zitat konfrontiert, sie sehe bei Maaßen "keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet", erklärte er, dies sei "eine Einschätzung, die sie zum Ausdruck gebracht hat", die aber nichts mit der danach entstandenen Diskussion zu tun habe. Bei der nächsten Nachfrage, ob er sie nicht vor diesem Fettnäpfchen hätte bewahren müssen, reklamierte er, lieber darüber sprechen zu wollen, "was in Sachsen los ist und was dort sehr gut läuft".

"Bild"-Vizechefredakteur Nikolaus Blome verneinte zwar die Frage, ob die CDU-Mitglieder Kramp-Karrenbauer bei der Wahl zur Parteichefin überschätzt hätten ("an dem Nachmittag, in dem Saal war sie sicherlich die Beste"), erkannte aber einen "Stockfehler" der Vorsitzenden und sah im Maaßen-Disput "einen Kampf um die Seele der CDU". Während der Philosoph Richard David Precht die Aufregung nicht verstehen konnte ("Wir sind viel zu ungeduldig mit dem politischen Personal"), vermutete die Autorin Jana Hensel, die Wirren um Kramp-Karrenbauer seien "eher ein kulturelles als ein politisches Problem". Schon bei Kurt Beck und Matthias Platzeck habe sich gezeigt, dass Landespolitiker sich nicht so leicht auf Bundesebene verpflanzen ließen. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach gab zwar seiner grundsätzlichen GroKo-Skepsis Ausdruck ("jetzt muss Schluss sein"), wollte die Schwäche der CDU-Vorsitzenden aber nicht als Gelegenheit zur Herausforderung sehen: "Es wäre zu kurz gesprungen, zu denken, die Fehler von AKK kassieren wir ab."

Die SPD-Führungsdiskussion des Abends: Lauterbach selbst musste sich im Anschluss mit einem beißend ironischen Einspieler zur Kür der "gendergerechten Doppelspitze" in seiner Partei auseinandersetzen. Auf Illners Frage, ob angesichts von bislang 17 Kandidaten für den SPD-Vorsitz bei den 23 Regionalkonferenzen mehr Leute auf dem Podium als im Saal sitzen würden, verteidigte er das Verfahren: Das Pensum sei normale Wahlkampf-Härte, er rechne mit 1000 Leuten pro Veranstaltung, und ohnehin sollten lieber die Kandidaten reisen als Tausende Mitglieder, schon allein wegen der Energiebilanz. Den Einwand Blomes, dass die Gruppe der Bewerber zu groß sei, wollte er nicht gelten lassen: Es werde auf einen klaren Lagerwahlkampf zwischen GroKo-Befürwortern (wie Olaf Scholz) und -Gegnern (wie ihm und seiner Parteikollegin Nina Scheer) hinauslaufen. Wer dann gewählt sei, habe ein stabiles Mandat.

Philosoph Precht dagegen fühlte sich an die "Spielregeln einer Castingshow" erinnert, sah eine "Ranschmeiße an 'Let's Dance'". Er malte aus, wie es wohl gewesen wäre, wenn sich Helmut Schmidt oder Willy Brandt einem solchen Prozess hätten stellen müssen, und kritisierte das Prozedere als "letzten Ausverkauf" und "ein einziges Selbstzerfledderungsverfahren".

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Die GroKo-Spekulationen des Abends: Als "extrem niedrig" schätzte Lauterbach die Bereitschaft der SPD-Mitglieder ein, die GroKo fortzusetzen: "Wir machen zwar gute Arbeit, aber haben keine Legitimation mehr." Falls er mit Nina Scheer die Wahl gewinne, wolle er daher "den Mitgliedern empfehlen, die GroKo zu verlassen". Die SPD müsse das parteiintern klären, bemühte sich Ziemiak um Verständnis, verwies aber auf die bevorstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft und warnte angesichts von Themen wie Grundrente und Klimaschutz vor zu viel "Selbstbeschäftigung".

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Nikolaus Blome indes sah noch ein anderes Problem: "Die Grundannahme gilt nicht mehr, dass die GroKo mit guter Arbeit punkten kann, weil die Leute mit der Form GroKo abgeschlossen haben." Jana Hensel vermutete, die Arbeit der Regierung werde nicht honoriert, weil "die große Erzählung fehlt", und Richard David Precht monierte, CDU und SPD drückten sich um die "großen Themen digitale Revolution und Klimakatastrophe".

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Die Politologen-Sicht des Abends: Um die spezielle Lage im Osten der Republik zu analysieren, hatte Illner den Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte eingeladen. Dort gebe es "die wählerischsten Wähler", konstatierte der Professor, vor allem die etablierten Parteien würden mit Verachtung gestraft. Zudem diagnostizierte er "eine Sehnsucht bei vielen Bürgern, eine Zeitreise anzutreten", und zwar zurück: Gewünscht werde etwas "Neo-Biedermeierliches", das viele bei der AfD entdeckten. Hinsichtlich möglicher Dreier- oder Viererbündnisse empfahl er den Parteien "Mut zu modernen Formen von Kooperation und neuen Formaten der Macht".

Die Ost-Interpretation des Abends: Eine ganz eigene Bewertung der Lage in den Ost-Bundesländern brachte schließlich die Autorin Hensel ein: Pegida und die AfD seien eine "Emanzipationsbewegung von rechts", wenn auch "ohne emanzipatorischen Kern". Ihre Anhänger seien "eine Art Deal, ein Tauschgeschäft" eingegangen: Sie hätten Fremdenfeindlichkeit in Kauf genommen, um wieder sichtbar zu werden - und dies sei auch geschehen. Während Nikolaus Blome sich über die Stärke der AfD besorgt zeigte, konnte Hensel der Entwicklung auch Positives abgewinnen: Es gebe viel Bewegung und Energie, und sie habe die Hoffnung, dass die Wahlen erstmals die ostdeutsche Realität abbilden könnten.

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