Pegida-Talk bei "Maybrit Illner" Ferndiagnose der Winterwut

AfD-Vertreterin Frauke Petry: Sprach bei Illner lieber über Asylpolitik als Pegida
Foto: imagoEin bisschen provokativer als der Pegida-Talk bei Anne Will war der Sendungstitel von Maybrit Illner schon mal formuliert: "Wut auf die Politik oder Fremdenhass?" Das verhieß gute Absicht beim Versuch einer Pegida-Erklärung und wenig Gutes für das Ausloten der Grauzonen.
Immerhin lud Illner die AfD-Vertretrin Frauke Petry ein, ihres Zeichens Landesvorsitzende Sachsens und als solche vermutlich eine der wenigen Pro-Pegida-Sprecher, die man vor eine Kamera bekommen kann. Petry sollte also den aufmerksamen Zuhörern erklären, woher nun diese plötzlichen Winterwutbürger aufgetaucht sind.
Aber Petry will, wie Pegida, vor allem, dass das Asylrecht umgesetzt wird, wozu der bayerische Innenminister Joachim Herrmann kräftig nickt. Umsetzen hört sich schließlich gut und nach Rechtsstaat an. Und eigentlich geht es ja der CSU ähnlich wie den Pegida-Mitläufern: Sie fühlt sich in Bayern auch von der Bundespolitik ungehört und verlassen.
Allein unter Flüchtlingen. Deshalb nutzen die Unionspolitiker öffentliche Auftritte auch eher, um scheinheilig auf der Welle von rechts mitzusurfen, als die Kernaufgabe der Politik zu erfüllen und ein friedliches Miteinander einer naturgemäß heterogenen Gesellschaft zu ermöglichen - indem sie zum Beispiel die Ängste der Protestierenden wahrnehmen und entkräftigen.
Man wird doch noch mal sagen dürfen...
Herrmann findet zwar ausländerfeindliche Töne der Pegida inakzeptabel, fügt jedoch direkt ein "aber" an: Über Missbrauch müsse man reden dürfen.
In der "Man wird doch mal sagen dürfen"-Attitüde gegen ein nicht existierendes moralisches Redeverbot ist die Schnittmenge zwischen Pegida und konservativer Politik deutlich zu hören. In dieser gefühlspolitischen Nische macht es sich auch die AfD munter von Wahl zu Wahl bequem, das zeigt der Auftritt von Petry, die sich selbst von Statistiken zur latenten Fremdenfeindlichkeit, die der Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer anbringt, nicht aus der Bahn werfen lässt.
Ein weiterer Baustein ist schließlich das grundsätzliche Misstrauen gegen Politik und Medien. Aber woher eigentlich diese Angst vor einer Islamisierung in einem Bundesland wie Sachsen kommt, das gerade einmal 0,4 Prozent muslimische Bewohner zählt, kann Petry nicht erklären. Immerhin kann sich Herrmann zu der ungewöhnlich klaren Aussage durchringen: "Eine Islamisierung Deutschlands findet nicht statt."
So ganz distanzieren mag man sich in der Unionsecke aber lieber nicht, es könnten ja Wählerstimmen flöten gehen. Sundermeyer, der bundesweit auf mehreren der Demonstrationen war, erkannte dort einen klaren Kern altbekannter Rechtsextremer, die den Weg zur Mitte gefunden hätten. Aus dem Nichts kommen die Patrioten Europas also keinesfalls, aber warum sich jetzt so viele Bürgerliche anschließen, kann auch Illners Talk nicht klären.
Ursachenforschung? Fehlanzeige
Es ist wie immer ein bisschen Ferndiagnose, ein bisschen Küchenpsychologie. Immerhin hat Illner ihre Gäste gut im Griff, wenn Herrmann und Cem Özdemir in Richtung politischer Wahlkampfplatitüden abzudriften drohen. Doch man tut sich nach wie vor in der medialen und politischen Öffentlichkeit schwer, weiter in die Beweggründe vorzudringen.
Kurz wird das Thema gestreift - und geht dann doch wieder in den realpolitischen Ansätzen unter. Schnell geht es um den richtigen Umgang mit Flüchtlingen und damit eher um die verschiedenen Möglichkeiten, den Forderungen der Pegida nachzukommen, als um den vielleicht auch von den regierenden Parteien mitgeschaffenen Nährboden der Demonstrationen.
Und so weiß der Zuschauer am Ende zwar, wie sich AfD und CSU noch voneinander unterscheiden, aber eine Entmystifizierung der patriotischen Wutspaziergänger oder eine echte Ursachenforschung ist auch in Illners Runde nicht zustande gekommen.