»Maybrit Illner« zu Angst und Spaltung Wer über die AfD reden will, sollte über die AfD reden – und auch mit ihr

Maybrit Illner und ihre Gäste: »Rechts, links, quer – wer profitiert von Angst und Spaltung?«
Foto:ZDF/Jule Roehr
Eigentlich ist die AfD im Augenblick doch brennend interessant. Jahrelang konnte sie erfolgreich den Eindruck erwecken, dass bürgerliche Konservative und Rechtsradikale in einer Partei Platz haben können. Alexander Gauland und Jörg Meuthen wollten das so. Sie hielten Verbindungen zu allen Lagern, wiegelten ab oder auf, je nachdem, was gerade richtig schien. Und nun ist es damit vorbei.
Irgendwann im kommenden Jahr wird der Verfassungsschutz bekannt geben, ob er die gesamte Partei beobachten wird. Und die einen, die Kreise um Meuthen, glauben, dass die Partei durch eine solche Beobachtung sehr viele Wähler verlieren werde, und wollen die Rechtsextremen, mit denen sie sich gestern noch gut vertrugen, nun loswerden. Und die Rechtsextremen sehen ihre Partei tatsächlich als eine Systemalternative, da ist die Beobachtung durch den Verfassungsschutz Ehrensache.
Das ist die Geschichte des AfD-Parteitags vom vergangenen Wochenende, der eigentlich um Sozialpolitik gehen sollte und zum Ort dieses Ringens um die Macht in und die Richtung der Partei wurde. Darüber hätte man eine interessante Sendung machen können. Mit AfDlern, die sich zoffen und Experten, die die Hintergründe beleuchten. Aber so wie die Talkshow von Maybrit Illner gestern Abend dann ablief, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Zeit der AfD als großes Aufregerthema vielleicht doch vorbei ist.
Auch gut, natürlich. Nur nicht unbedingt fürs Fernsehen.
Eingeladen waren Tino Chrupalla, Malermeister aus Görlitz, der bei der letzten Bundestagswahl als Direktkandidat der AfD gewählt wurde und nun zusammen mit Meuthen die Partei führt. Sahra Wagenknecht, ehemalige Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag. Herbert Reul, Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen und in der CDU. Und der Journalist Georg Mascolo.
Das Scheitern der Sendung schon in der Frage angelegt
»Rechts, links, quer – wer profitiert von Angst und Spaltung?« war das Thema und wahrscheinlich war das eigenartige Scheitern der Sendung schon in dieser Frage angelegt. Denn zum einen liefert sie die Antwort ja schon mit, dass eben an den Rändern von »Angst und Spaltung« profitiert wird. Tatsächlich geben das die Umfragen im Augenblick aber gar nicht her. Die ganz überwiegende Mehrheit der Deutschen findet die Maßnahmen der Regierung richtig. Einer Minderheit gehen sie nicht weit genug. Und einer anderen Minderheit gehen sie zu weit. Und auch wenn die AfD sich an letztere heranzuhängen versucht: So richtig klappt das nicht. Auch weil sie sich zu Beginn des Jahres noch an die anderen heranzuhängen versuchte.
Es hatte also von vornherein eine Unwucht.
Nun hätte natürlich trotzdem darüber gesprochen werden können, wer die Wutbürger denn sind, was für Ängste sie haben, und warum die Rechte sich an die Querdenken-Demonstrationen heranschmeißt, die Linke dagegen nicht. Das Personal dafür wäre da gewesen: Aber so richtig klappte es nicht. Und es sollte ja eh um die AfD gehen.
Doch auch da konnte Georg Mascolo zwar klug erzählen, was die Probleme sind, vor denen die Partei gerade steht. Aber Chrupalla gab sich keine Blöße und sagte das, was auch die Politiker der »Altparteien«, wie sie in der AfD ja gern genannt werden, in schwierigen Situationen eben sagen: Wenn es unüberbrückbare Konflikte gibt, ist es »Demokratie«. Wenn man sich zu keiner Richtung bekennen will, ist man der Vorsitzende der »ganzen Partei«. Wenn man gefragt wird, ob man noch Vertrauen zu umstrittenen anderen Figuren hat, ist die Antwort, man arbeite »selbstverständlich« zusammen. Und die Zukunft entscheidet sich immer auf dem nächsten Parteitag.
Überschaubarer Erkenntnisgewinn
Sahra Wagenknecht wiederum kann man wahrscheinlich tief in der Nacht aufwecken und sie wird umstandslos einen Vortrag darüber halten, dass die Wut der Bürger über die sozial ungerechte Politik berechtigt ist und dass sie nur zu den Rechten gehen, weil die Linke sich zu fein für die kleinen Leute geworden ist. Das tat sie auch hier mehrmals und es war wie immer natürlich nicht komplett falsch, aber eben auch nicht komplett richtig. Es ist halt das, was Sahra Wagenknecht sagt. Der Erkenntnisgewinn ist überschaubar.
Bei Herbert Reul blitzte einmal ein wirklich interessantes Thema auf, als er davon sprach, wie kompliziert es im Augenblick sei, die Abwägungen zu treffen. Dass ja gerade nicht die Wirtschaftsinteressen im Vordergrund stünden, wenn Entscheidungen in der Corona-Politik gefällt würden, sondern dass die Wissenschaft als neuer, bedeutender Player dazugekommen sei. Wie das konkret abläuft, wie dieser Lernprozess aussieht, wie Politiker wie Reul mit der Unsicherheit umgehen, die so etwas unweigerlich begleitet, das konnte man seinen müden Augen ein bisschen ansehen, hätte es aber doch gern genauer gewusst.
Was bleibt? Wer über die AfD reden will, sollte über die AfD reden – und auch mit ihr. Und wer in der Corona-Zeit über Angst sprechen will, sollte das Gefühl vielleicht ernst nehmen, und nicht gleich danach fragen, wer von ihr »profitiert«.
Denn Ängste können auch sehr schnell kippen. »Die Sorge, die wir benennen müssen«, sagt Reul irgendwann, »ist, dass wir es mit einer Pandemie zu tun haben, die nicht im Griff ist.« Tatsächlich geht der politische Streit im Augenblick vor allem um materielle Fragen, um die Einschränkungen des leichten Lockdowns. Aber das Gesundheitssystem ist am Rande seiner Belastbarkeit. Selbst wenn der Impfstoff da ist, wird es Monate dauern, zu impfen. Im Augenblick sterben in Deutschland fast 500 Menschen am Tag, es gibt keinen Grund zu der Annahme, es würden in den kommenden Monaten weniger werden. Es ist schwer vorstellbar, dass die Mehrheit der Bevölkerung es akzeptieren wird, dass der Tod so nah an sie heranrückt.