"Maybrit Illner" zu Clan-Kriminalität "Wir werden kurzfristige Erfolge hier nicht erzielen können"

Was tun im Kampf gegen kriminelle Familienclans? Darüber diskutierte Maybrit Illner mit ihren Gästen. Es ging um Polizeiarbeit, die Macht der Frauen - und am Ende auch um eine "völlig vergeigte" Integrationspolitik.
Von Klaus Raab
Moderatorin Illner (M.) mit ihren Gästen

Moderatorin Illner (M.) mit ihren Gästen

Foto: ZDF/ Svea Pietschmann

Maybrit Illner wollte diesmal wissen, ob "kriminelle Clans außer Kontrolle" sind. Es ging um Raub, Erpressung und Mord. Das Stichwort "No-go-Areas" wurde genannt. Der Name Bushido fiel. Und Illners These lautete, "arabische Familienclans" seien "nur im Fernsehen unterhaltsam" - eine Anspielung auf die in Berlin spielende Fernsehserie "4 Blocks". Mit ihren Gästen besprach sie, was zu tun sei, um Clan-Kriminalität in den Griff zu bekommen.

Die optische Verzweiflungstat des Abends: Die gab es gleich zu Beginn. Shishas, an deren oberen Schlauchenden Schusswaffen befestigt sind, die auf eine Deutschlandkarte ballern - das war das Bild, mit dem in einem Einspielfilm das Thema umrissen wurde. Statt der gern genommenen Diashow-Optik diesmal also die Ästhetik eines schlechten Ballerspiels.

Der Anlass des Abends: Warum dieses Thema? Man empfand wohl Erklärungsbedarf. Sebastian Fiedler, der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, sagte, "das Problembewusstsein" sei stärker geworden. Man habe eine "sehr reaktive Kriminalpolitik". Clan-Kriminalität sei schon vor 15 Jahren deutlich beschrieben worden, politisch habe es aber keine Rückendeckung für die Polizeiarbeit gegeben. Nun werde über das Thema verstärkt diskutiert, also sei es auch politisch auf der Agenda.

Die Instrumente des Abends: Den Eindruck der Untätigkeit wollte Dirk Behrendt, grüner Justizsenator in Berlin, nicht stehen lassen: "Wir nutzen in Berlin die gesetzlichen Möglichkeiten", sagte er, insbesondere zur Vermögenabschöpfung. Grundstücke würden beschlagnahmt, auch Autos. "Wir wollen zeigen, Verbrechen lohnt sich nicht." Herbert Reul, CDU-Innenminister in Nordrhein-Westfalen, präsentierte sich etwa als Befürworter von Aussteigerprogrammen und "permanenter Nadelstiche" durch die Polizei.

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Der Familienaspekt des Abends: Auf ihn konzentrierte sich Migrationsforscher Ralph Ghadban. Clans seien kaum unterwanderbar, weil auch die Mitglieder, die nichts Strafbares täten, schweigen würden.

Der Appell des Abends: Mehr Mittel für die Polizei - das war Sebastian Fiedlers Botschaft. Man brauche Einheiten, die sich über Jahre um nichts anderes als Clans kümmerten. "Wir werden kurzfristige Erfolge hier nicht erzielen können. Das wird nicht passieren."

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Der Verteidiger des Abends: Rechtsanwalt László Anisic, zu dessen Mandanten auch Mitglieder arabischer Großfamilien gehören, brachte einen neuen Twist ein. Er formulierte rechtsstaatliche Selbstverständlichkeiten - und zeigte, dass der Diskussion bis dahin eine ziemliche Plakativität innegewohnt hatte: "Dass alle den gleichen Nachnamen tragen, macht nicht alle zu Kriminellen", sagte er. Den Begriff des Clans gebe es juristisch nicht - im Gegensatz zu dem der Bande: Eine Bande bestehe aus mindestens drei Leuten, die sich verabredet hätten, Straftaten zu begehen. Stehe der Bandenvorwurf im Raum, könne man etwa leichter Telefone abhören. Er nehme zur Kenntnis, dass "ständig von Banden die Rede" sei, das vor Gericht aber nicht immer standhalte. "Wenn die Skat spielen, ist es keine Bande."

Der verwandtschaftsethnologische Exkurs des Abends: Ralph Ghadban sagte, um die "Clan-Solidarität" zu erhalten, sei die Endogamie in Berlin "viel größer als im Libanon". Zu Deutsch: "Die heiraten untereinander." Schwachpunkt und Stärke der Clans zugleich seien "die Frauen". Er verlange seit Jahren ein Aussteigerprogramm für sie, um die Solidarität innerhalb der Großfamilien auf Dauer zu schwächen.

Der Vergleich des Abends: Was unterscheide die Mafia von arabischen Clans? Die italienische Politikerin und Anti-Mafia-Aktivistin Laura Garavini sagte, die Mafia sei "wesentlich unauffälliger", weil sie wisse, dass spektakuläre Gewalttaten Repressionen erzeugten, also "gegen die Interessen der organisierten Kriminalität sind". Die Mafia sei zudem weltweit sehr gut vernetzt.

Der politische Transfer des Abends: Eine Wurzel für die Entstehung krimineller Strukturen entdeckte die Runde darin, dass die Leute, die seinerzeit etwa aus dem libanesischen Bürgerkrieg nach Deutschland geflohen seien, keine Arbeitserlaubnis erhalten hätten. Eine "völlig vergeigte Integrationspolitik" machte Sebastian Fiedler aus. CDU-Politiker Reul unterstützte das. Man müsse sich darum kümmern, dass "die Neuen", die nun nach Deutschland gekommen seien, integriert würden. Die Geflüchteten von heute als potenzielle Clan-Kriminelle von morgen - das war der Subtext.

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Der nicht unwichtigste Satz des Abends: Er kam von Laura Garavini. Nachdem praktisch ausschließlich über arabische, italienische und kurdische Clans gesprochen worden war, sagte sie: "Die Diskussion läuft in die falsche Richtung, wenn man das Konzept verbreitet, organisierte Kriminalität ist ausländisch."

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