"Maybrit Illner" zu Corona-Angst Bei dieser Sendung war schon die Ausgangsfrage Quatsch

Maybrit Illner mit Gästen: Virus mit "sehr dynamischer Entwicklung"
Foto: Svea Pietschmann/ ZDFEs geht um das Coronavirus bei "Maybrit Illner". Und die Sendung läuft noch nicht richtig, da wird der Mediziner Christian Drosten bereits mit einem guten Hinweis zitiert: Panik angesichts der drohenden Pandemie gelte es zu vermeiden. Klaus Reinhardt, der Präsident der Bundesärztekammer, wiederholt den Rat später. Und wer könnte da schon anderer Meinung sein? Illner ist es jedenfalls nicht: "Das beste Mittel gegen die Angst" vor dem Virus seien "Information und Transparenz", sagt sie.
Eine Frage allerdings steht trotzdem im Raum: Wie oft kann man wohl von Panik abraten, ohne gerade dadurch welche zu verbreiten?
Und eine zweite Frage gesellt sich irgendwann dazu: Wenn Information und Transparenz auch das beste Mittel gegen Angst sein mögen - ist eine Talkshow, die im Studiohintergrund das Bild eines schwarz-gelben Absperrbands mit dem Wort "Quarantäne" vorhält, denn wirklich auch das beste Mittel, um Information über eine medizinisch offensichtlich komplexe Thematik zu verbreiten?
"Das Infektionsschutzgesetz gibt uns breite Möglichkeiten - von häuslicher Quarantäne bis zu einzelnen Abriegelungen. Das muss aber im Verhältnis stehen."
— maybrit illner (@maybritillner) February 28, 2020
Carola Reimann @NdsLandesReg bei #illner #CoronaVirusUpdates #Coronavirus #Covid19 #illner pic.twitter.com/g8lEe8ASgB
Man kann ins Zweifeln kommen im Lauf der Sendung. Als der dritte Experte sich zur Frage äußert, wie es sich mit den Corona-Tests verhält, stellt sich zumindest leichte Irritation ein: Ist das wirklich ein Aspekt, zu dem man mehrere Stimmen einholen muss? Kann das nicht einfach ein Gast am Stück erklären, und gut?
Talk, das ist ein Diskussionsformat, keines, das vorrangig der Vermittlung von Sachinformationen dient. Hände waschen, Menschenansammlungen meiden, in die Armbeuge niesen, Hotlines anrufen - Tipps dieser Art werden zwar vorgetragen, etwa von der Wissenschaftsjournalistin Alina Schadwinkel. Aber im Kern muss halt doch das Wort reihum gehen. Es muss gestritten und gemeint werden.
Das ist zu diesem Thema, angesichts der Ungewissheit und Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Virusverbreitung, keine überzeugende Idee.
Der fernseherfahrene Mediziner Johannes Wimmer, der die Bedürfnisse des Mediums in der Runde wohl am besten kennt, übernimmt die Rolle des Erregers. "Coronavirus ohne Grenzen - wie gut ist Deutschland vorbereitet?" lautet das Thema der Sendung, und Wimmer sagt: Es könnte besser sein. Das, was man jetzt bespreche - nämlich wie vorzugehen sei, wenn eine Epidemie vor der Tür stehe -, hätte man früher besprechen sollen. "Es wirkte weit weg", aber es sei eben auch "sehr unglücklich kommuniziert" worden, sagt er. Soeben etwa habe Deutschland "ganz gelassen" Karneval gefeiert. Warum so etwas nicht einfach mal absagen, auch wenn man dann der Buhmann sei?
Minister Spahn: Schutzausrüstung muss im Notfall beschlagnahmt werden
Das geht an die Adresse des Bundesgesundheitsministers, Jens Spahn (CDU), der vorher für ein paar Minuten zugeschaltet gewesen ist. Ob er vier Wochen zuvor, als er selbst neben Johannes Wimmer im Talkstudio saß, zu gelassen gewesen sei, will Illner da wissen. Nein, sagt Spahn, er habe nicht nur zu Gelassenheit, sondern auch zu Wachsamkeit aufgerufen. Aber nun habe sich die Situation geändert: Es gebe nun Infektionen in Deutschland, die erstmals nicht mit China oder Norditalien in Verbindung gebracht werden könnten. Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) springt Spahn hier später bei: Man sehe eine "sehr dynamische Entwicklung", sagt sie.
.@jensspahn : Die Herausforderung ist, dass auf der ganzen Welt alle Länder Schutzausrüstung suchen, bestellen und sich gegenseitig auch weg kaufen. Wir müssen uns auf eine Knappheit einstellen. #CoronaVirusUpdates #Coronavirus #Covid19 #illner pic.twitter.com/FiBOic7gBz
— maybrit illner (@maybritillner) February 28, 2020
Der Minister jedenfalls teilt mit: "Wir sind gut vorbereitet in der Planung", es gebe Pandemiepläne des Bundes und der Länder. Er räumt aber etwa ein, dass man sich im Bereich der medizinischen Schutzausrüstung weltweit auf Knappheit einstellen müsse. Notfalls gelte es, solches Material zu beschlagnahmen. Ins Ausland sollte es aus Deutschland jedenfalls nicht verkauft werden, sagt er. Und das, findet Johannes Wimmer, klinge gerade "nicht nach guter Vorbereitung", sondern chaotisch.
Es geht alsbald um Personalnot in Kliniken, um die Frage, ob die Zahl der Intensivbetten reiche, um Warteschleifen bei Hotlines und in Arztpraxen, um einen Italienrückkehrer, der sich auf Corona testen lassen wollte und niemanden gefunden habe, der es tun wollte. Abwiegelnde Behörden, schlechte Vorbereitung auf die drohende Pandemie, bamm bamm bamm.
Vielleicht beim nächsten Mal auf den Kleinbus voller Gäste verzichten?
Bis Christian Drosten dran ist, Institutsdirektor der Virologie an der Charité Berlin: Mit ihm verschiebt sich das Bild. Diese Diskussion mache ihn "stiller und stiller und stiller", sagt er, sie sei wirklich "vollkommen daneben". Er diagnostiziert eine "Suche nach Problemen, wo keine sind". Auch die Sendungsfrage sei "Unsinn". 60 bis 70 Prozent der deutschen Bevölkerung könnten Erfahrung mit Corona machen, sagt er.
Deutschland muss nach Erkenntnissen des Virologen Christian Drosten mit einem starken Anstieg der Corona-Infektionen rechnen.
— maybrit illner (@maybritillner) February 28, 2020
Die ganze Sendung in der @ZDF Mediathek
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Die entscheidende Frage sei: in welchem Zeitraum. Ein Impfstoff werde eventuell erst im Sommer 2021 zugelassen. Aber "wir haben extrem gute Gesundheitsstrukturen in Deutschland", sagt er, und er gehe daher davon aus, dass man die Verbreitung verzögern könne. Das sei die Strategie der Behörden, und sie sei "an dieser Stelle genau richtig". Nun "irgendwelche aufgeregten Debatten" zu führen, das jedenfalls sei "Energieverschwendung". Das sitzt. Schon deshalb, weil niemand widerspricht.
Und so lautet die Erkenntnis des Abends, dass man eine Talkshow öfter mal von ihrem Korsett befreien und statt des üblichen Kleinbusses voller Leute zum Beispiel auch mal nur eine Person einladen könnte, wenn die Nachrichtenlage danach ist. Ein bekannter Virologe würde sich vielleicht anbieten.