"Illner" zum Wahlkampf "Wo ist das linke Projekt?"

Déjà-vu: Auch bei Maybrit Illner ging es um die Frage "Merkel oder Schulz". Es blieb jedoch betulich, von Wechselstimmung war in der Runde nichts zu spüren. Die Sendung im Check.

Die Sendung: Wahlkampf auch bei Maybrit Illner: "Merkel oder Schulz - braucht Deutschland den Wechsel?", fragte die ZDF-Talkerin, ähnlich wie tags zuvor Sandra Maischberger bei der ARD. Wieder mal ging es um Gerechtigkeit und Steuern, Wolfgang Schäubles viel zitierte 54 Milliarden, um Bildung, Qualifizierung, Kita-Plätze und Infrastruktur. Und erneut konnte man als Wähler und Zuschauer den Eindruck gewinnen, dass sich dieser Wahlkampf doch ziemlich betulich anlässt. Von Wechselstimmung jedenfalls war hier nichts zu spüren.

Die Besetzung: Bewährtes und oft gesehenes Talk-Personal in Gestalt von Thomas Oppermann (SPD) und Volker Kauder (CDU), den beiden GroKo-Fraktionschefs; Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sowie sein Kollege Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW); "Zeit"-Wirtschaftsjournalistin Elisabeth Niejahr; Bürgerrechts- und Netzaktivistin Katharina Nocun.

Positionen: Hüther pries vor allem "die beste ökonomische Situation seit der Wiedervereinigung", die es schwer mache, Sanierungsdruck aufrechtzuerhalten, während es Fratzscher immer wieder um die Ungleichheit zu Lasten der unteren 40 Prozent der Einkommensbezieher ging. Der Schlüssel liege in der Qualifizierung für bessere Jobs. Niejahr vermisste allseits Mut zu einer wirklich neuen Politik, die sich auch der Armutsbekämpfung widmen müsse. Ähnlich klang es bei der von Schulz enttäuschten Ex-Piratin Nocun, die sich außerdem mehr junge Gesichter in der Politik wünschte. SPD-Programm-Autor Oppermann versprach, man werde für den Wahlsieg "hart kämpfen und arbeiten", Kauder ließ wissen, es gebe noch einiges zu tun. Nun ja.

Wie lief es? Eines dürfte nach Lage der Dinge bereits jetzt als Wahlergebnis feststehen: Der deutsche Sozialstaat muss anschließend nicht neu erfunden werden. Ökonom Hüther formulierte es so: Es gebe "eine große Nähe von SPD und CDU" sowie lauter "kleinteilige Probleme". Genau das spiegelte sich denn auch in der weitgehend kollisionsfreien Diskussion wieder, was Moderatorin Illner irgendwann zu der leicht seufzenden Frage veranlasste, ob dies denn nun tatsächlich ein "bleierner Wahlkampf" werde.

Andere Fragen lauteten, ob sich mit dem Bildungsthema (Niejahr: "Darüber wird immer viel geredet") überhaupt Wahlkampf machen lässt und ob vielleicht das Gerechtigkeitsproblem "schwer zu verkaufen" ist. Muss eventuell die SPD ihre Produktpalette verbreitern, um nicht statt neuer Schlager Ladenhüter im Angebot zu haben, wie es in einem Trailer hieß? Prompt folgte von Oppermann die Ankündigung, man werde Deutschland "gerechter und sicherer" machen. Dazu dann noch der Schulz-mäßige Befund, es gebe "viele Punkte, wo die Leute das Gefühl haben: Es läuft nicht alles rund". Das war aber offenkundig noch nicht ganz das, was die "Zeit"-Journalistin meinte, als sie von einem notwendigen "eigenen Sound" des SPD-Kanzlerkandidaten sprach. Und ein bisschen traurig bekannte Aktivistin Nocun, bisher fühle sie sich "vom SPD-Wahlkampf ratlos zurückgelassen".

Unionspolitiker Kauder beließ es derweil bei der großkoalitionären Bilanz: "Wir haben wirklich einiges gemacht." Und für Bildung seien ja bekanntlich die Länder zuständig. Immerhin steuerte er mit Blick auf Schäubles Milliarden die kreative Idee bei, dass es doch schön wäre, wenn davon einige zur Schuldentilgung genutzt würden.

Schlagworte des Abends: Gerechtigkeit, die hart arbeitende Mitte, Innovation, Investitionen, Infrastruktur, Qualifizierung, Milliarden - wahlweise verwendet von anwesenden Politikern wie Ökonomen und so, dass es immer irgendwie ganz vernünftig klang.

Die große Frage: "Wo ist das linke Projekt?", wollte Illner von Oppermann wissen. Der antwortete ausweichend, die SPD mache Wahlkampf erst mal für den eigenen Erfolg, um aber sodann die Hoffnung zu äußern, dass jetzt, nach den Erfolgen von AfD und Co., "die Gegenpolitisierung der linken Mitte" komme.

Zum Schluss: Unter lebhaftem Beifall fragte Nocun rhetorisch, wo eigentlich die Leistungsträger zu finden seien - in den Bankenvierteln bestimmt nicht, wohl aber in der Altenpflege.

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