"Maybrit Illner" zur Türkei-Krise "Erpressung ist eine Methode von Erdogans Politik"

"Wir brauchen hier keine innertürkischen Wahlkämpfe", fand Markus Söder - und bekam in der Diskussionsrunde von Maybrit Illner genau davon einen Eindruck.
Markus Söder

Markus Söder

Foto: imago

Türkischer Hintergrund gleich vierfach - und dazu Markus Söder von der CSU: In einer ungewöhnlich besetzten Runde versuchte ZDF-Talkerin Maybrit Illner die Frage zu klären: "Deutschland und die Türkei - was erlaubt sich Erdogan?" Da die Lage ist, wie sie ist - hinreichend aufgeladen durch den Fall Deniz Yücel, die aktuellen Auftrittsstornierungen türkischer Politiker in Gaggenau und Köln mit den prompt folgenden diplomatischen Querelen sowie die Affäre um die Spitzeleien in deutschen Moscheen -, dauerte es nicht lange, bis die sinngemäße Gegenfrage auf den Tisch kam: Was denn Deutschland sich erlaube, derart abfällig und doppelmoralisch über den türkischen Rechtsstaat zu urteilen.

Dass diese Position auch bloß nicht zu kurz kam, dafür sorgte vor allem einer, Mustafa Yeneroglu, ein nicht unbekannter Talk-Gast, wort- und windungsreich und mit meist etwas pikiert anmutender Miene. Schon letztes Jahr saß der in Deutschland aufgewachsene Abgeordnete von Erdogans AKP bei Illner, zusammen mit Yücel. Ob der ein Krimineller sei, werde vor Gericht entschieden, erklärte er jetzt und sprach von Antworten des Staats auf den Terror, nachdem Illner gefragt hatte: "Ist Journalismus ein Verbrechen?"

Yahya Kilicaslan, Einwanderersohn aus Esslingen, Unternehmer und bekennender Erdogan-Fan, sprang Yeneroglu eilfertig bei: Noch wisse man ja gar nicht, was dem Korrespondenten eigentlich vorgeworfen werde - so als sei es in einem Rechtsstaat nicht selbstverständlich, einen Beschuldigten genau hierüber als Erstes zu informieren.

Man werde "auch die Rechte der AKP verteidigen"

Vehementen Widerspruch gab es von Mithat Sancar, dem renommierten Staats- und Völkerrechtler und Abgeordneten der prokurdischen Oppositionspartei HDP, dessen Immunität aufgehoben ist und gegen den drei Prozesse laufen. Der Professor, der mit Yücel befreundet ist und es mit Yeneroglu und Co. ganz sicher nie sein wird, zitierte mit Blick auf den Ausnahmezustand in seinem Heimatland Carl Schmitt, nannte den Journalisten eine "politische Geisel" und befand: "Erpressung ist eine Methode von Erdogans Politik."

Die Gerichte in der Türkei seien keineswegs unabhängig. Und mit dem per Referendum angestrebten Systemwechsel werde das Land nicht zur Präsidialdemokratie, sondern zur Autokratie, dozierte der Gelehrte. Im Gegenzug musste sich der HDP-Politiker vom AKP-Mann immer wieder vorhalten lassen, den PKK-Terror zu unterstützen, ein Vorwurf, den Yeneroglu auch an die deutsche Adresse richtete - unbeeindruckt vom diesbezüglich eindeutigen Verfassungsschutzbericht, auf den Illner verwies, ebenso wie von den deutlichen Dementis des Juraprofessors. Der seinerseits wandte sich, als es um Wahlkampfauftritte in der deutschen Türken-Community ging, immerhin gegen ein Redeverbot für den politischen Gegner: Man werde "auch die Rechte der AKP verteidigen". Derweil jammerte Yeneroglu, für die HDP dürfe allenthalben unbehelligt geworben werden

So kam es, dass der Abend über weite Strecken und mit teilweise für den normalen deutschen Zuschauer schwer nachvollziehbaren Exkursen einen Eindruck von genau dem bot, was Markus Söder sich eigentlich gar nicht wünschte, nämlich "die inneren Probleme der Türkei zu importieren": "Wir brauchen hier keine innertürkischen Wahlkämpfe."

Der Flüchtlingsdeal sei kein Blankoscheck

Aydan Özoguz, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und SPD-Vize, die mit dem CSU-Kollegen bisweilen kopfschüttelnd Blicke tauschte angesichts der heftigen Wortgefechte, mochte sich indes nicht für ein Einreiseverbot gegen türkische Politiker aussprechen: "Nein, wir sind nicht für einen Kollaps der Beziehungen", die allerdings "schwer beschädigt" seien. Im Übrigen schade die Türkei, die dringend Wirtschaftshilfe benötige, mit ihrer derzeitigen Politik sich selbst, etwa beim Tourismus.

Söder wurde noch deutlicher. Der Flüchtlingsdeal sei kein Blankoscheck. Nach dem Putsch jedoch habe die türkische Politik "jedes Maß verloren" und befinde sich auf dem falschen Weg. Wenn sie so weitermache, "ist es das Beste, wir beenden das Kapitel EU".

Am Ende gab es dann doch so etwas wie einen Minimalkonsens. Ja, man müsse im Gespräch bleiben. Da konnte sogar Yeneroglu Söder beipflichten, nicht ohne zuvor Illner angelastet zu haben, sie moderiere "nicht objektiv". Außerdem lieferte er noch einen besonderen argumentativen Tiefpunkt, indem er die Gesinnungsschnüffeleien gewisser DITIB-Imame praktisch mit rechtsstaatlicher Wachsamkeit gegenüber terroristischen Gefährdern gleichsetzte. Ja, wegen so etwas muss man wirklich im Gespräch bleiben.

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